Klassiker

VERGESSENER SIEGER

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Ein unbekannter Privatfahrer rettete 1956 die Ehre der Marke Porsche bei der Mille Miglia. Originalgetreu präsentiert sich der fast fünfzig Jahre verschollene Siegerwagen für OCTANE jetzt nach seiner Restaurierung.

Hans Herrmanns Faustregel für die Mille Miglia hört sich einfach an: »Ein Drittel fällt mit Technik-Problemen aus. Ein Drittel durch Unfall. Ein Drittel kommt durch. Um zu gewinnen, musst Du kompromisslos draufhalten. Und ab und zu auch mal was total Verrücktes tun.« So wie er, als er mit Herbert Linge im Porsche 550 Spyder unter einer Bahnschranke hindurchrauschte – nur wenige Meter vor dem herannahenden Zug, und am Ende die 1,5- Liter Klasse gewann. Aber das war 1954. Im Jahr darauf war er auf Mercedes unterwegs zum Gesamtsieg, bis ihn ein offener Tankdeckel lahmlegte und er für einen neuen Anlauf 1956 dann doch wieder zu Porsche zurückkehrte.

Porsche 356 A Carrera – originalgetreu restauriert bis hin zu den von Hand und mit dem Pinsel aufgemalten Startnummern der Mille Miglia 1956.

Die Piloten der Werksteams hatten sich, soweit das geht, auf diese Situationen vorbereitet. Wochen vor dem Start waren sie bereits in Italien, um die tausend Meilen zu trainieren, sich detaillierte Aufschriebe zu machen, die es dem Fahrer erlaubten, blind draufzuhalten. Legendär die Rollbox von Moss‘ Beifahrer Jenkinson 1955. Aber alles andere als unüblich. »Diese Aufschriebe hatten die Profiteams alle. Der einzige Unterschied von Jenks war, dass er sich das alles auf eine Rolle geschrieben hatte, die er im Rennen abrollte. Aber natürlich konnte ich mich auf die Aufschriebe meiner Beifahrer genauso gut verlassen.« Vier, fünf Wochen vor dem Start waren die Werksteams vor Ort und trainierten praktisch rund um die Uhr. »Jeweils anderthalb Tage brauchten wir für eine Runde im Training. Brescia – Rom – Brescia. Zurück in Brescia wurde eine Nacht geschlafen, bevor es auf die nächste Trainingsrunde ging. Tag für Tag, Woche für Woche.«

Die wenigsten Privatfahrer leisteten sich diese Trainingsrunden. Kamen oft erst kurz vor dem Start auf Achse mit ihren Sportwagen in Brescia an. Und starteten dann meist mit niedrigen Startnummern am Anfang des Feldes. Fuhren auf Sicht. Und oft auf Glück. So wie die Startnummer 255, der rote 356 A Carrera mit den deutschen Zollkennzeichen und den beiden auffallenden, großen Kompressorhupen auf der vorderen Stoßstange. Immerhin war es die erste Mille Miglia für Olof Persson, mit 45 Jahren war er nicht mehr der Jüngste und Rennfahrer war er nur an Wochenenden, wo er auf diversen skandinavischen Rundkursen und Rallyes passable Resultate erzielte. Fuhr auf Sportwagen verschiedener Marken, die er sich als Bauunternehmer offenbar leisten konnte.

Porsche 356 A Carrera – direkt vom Werk zur Rallye fuhr der Hobby-Rennfahrer Olof Persson, und gewann seine Klasse!

Für die Mille Miglia 1956 hatte er sich beim Werk in Zuffenhausen aber einen 356 A Carrera bestellt. Ferry Porsche selbst gewährte ihm einen zehnprozentigen Rennfahrer-Rabatt auf den Kaufpreis. Wenige Tage vor dem Start der Mille Miglia holte Persson ihn in Zuffenhausen ab – das Werk hatte ein Zollkennzeichen montiert – fuhr ihn nach Brescia und nahm am 29. April um 2:55 Uhr die tausend Meilen in Angriff. Wie die Fotos aus Perssons Privatarchiv zeigen, verlief der Großteil des Rennens im strömenden Regen. Neben mehreren tödlichen Unfällen fiel fast die Hälfte aller Starter durch technische Defekte aus. Auch Hans Herrmann im Werks-Spyder musste aufgeben.

Und am Ende des chaotischen Rennens 1956 war es tatsächlich nicht das perfekt vorbereitete Porsche-Werksteam, sondern der schwedische Bauunternehmer Olof Persson und sein Beifahrer Gunnar Blomquist im fabrikneuen 356 A Carrera, die die Ehre der Marke retteten und völlig überraschend einen Klassensieg für Porsche einfuhren. Schon im Monat darauf erscheinen Persson und sein Mille-Miglia-Sieger beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring und auch im Jahr darauf versucht er sich damit noch einmal erfolglos bei der Mille Migllia und am Nürburgring, gewinnt aber ein paar schwedische Rennen. Danach geht der rote 356 durch mehrere skandinavische Hände, bevor er 1970 weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwindet und in Teile zerlegt in einer schwedischen Halle schlummert. Selbst im Porsche-Archiv war der Siegerwagen in Vergessenheit geraten.

Text und Fotos Berthold Dörrich

Lesen Sie in OCTANE #50 wie der Porsche 356 A Carrera gerettet wurde.

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