Nach zehn Jahren sind die meisten Autos entweder tot oder kurz davor zu sterben. Auf den Simca 1100 von 1967 trifft das auf jeden Fall zu. Dieses kleine französische, frontgetriebene Schrägheck – entstanden immerhin sieben Jahre vor Giugiaros spektakulärer Rettung von VW mit Hilfe des Golf – hatte 1977 noch ein Jahr vor sich und konnte auf eine unerwartet steile Karriere als Europas meistverkauftes Auto zurückblicken. Doch ein Höhepunkt – der Talbot Matra Rancho – sollte noch kommen.
Dieser Höhepunkt entwickelte sich ausgerechnet aus der Nutzfahrzeugvariante. Es gab einen Simca-1100-Van, eigentlich eine dreitürige Version des 1100 Kombi ohne hintere Fenster, und auch einen Pick-Up, mit kleiner Ladefläche zwar, aber nützlich genug, um ihn gut verkaufen zu können, bevor Suzuki und Toyota der Welt vorführten, wie man ein echtes Niedrigpreis-Lasttier mit se- paratem Fahrwerk baut.
Der Pick-Up bot eine Grundlage, auf der Matra, französischer Flugzeugbauer und gelegentlicher Autoproduzent, Europas ersten Crossover baute, wenn auch vor 40 Jahren mit diesem Namen noch niemand etwas anfangen konnte. Stattdessen wurde der Matra Talbot Rancho eher als befremdlich attraktives Betrugsobjekt angesehen. Der Betrug bestand darin, dass er – wegen der großen Räder unter den schwarz verkleideten Radkästen, der klobigen Stoßfänger, der Zusatzscheinwerfer vor der A-Säule, der Dachreling und der Safariverglasung der Kabine – wie ein robuster Allradler aussah, aber keiner war. Er verfügte über viel Bodenfreiheit, einen gezielt verstärkten Unterbau, eine optionale Winde und das Gebaren einer Maschine, mit der man Abenteuer bestehen konnte. Trotzdem war er in einer Schlammschlacht gegen echte Allradkämpfer immer der Abgeschleppte, nie der Abschlepper.
Das Styling war das Werk von Antonis Volanis von Matra, der auch die Sportwagen Matra Bagheera und Talbot Murena sowie den ersten Renault Espace entwarf. Der Rancho ließ den Defender, den Jeep Cherokee und das Mercedes G-Modell etwas alt aussehen. Er hatte einen Hauch von Range Rover, nur für einen Bruchteil des Preises.
Und er war nützlich. Auf das Flachbodenheck des Simca war eine schicke Innenraumerweiterung aufgesetzt worden, die mehr Länge und Höhe sowie eine luftigere Aura bot. Die langen Schiebefenster wurden durch Oberlichter ergänzt, und die geteilte Heckklappe à la Range Rover erleichterte den Zugang und schuf eine Plattform für das Picknick.
Aber so ganz unnütz war der clever benannte Talbot Matra Rancho im Gelände dann doch nicht. Schon der normale Simca 1100 hatte mehr Bodenfreiheit als ein heutiger Focus oder Golf und verfügte über jene weiche Aufhängung mit langem Federweg, die für französische Autos der damaligen Zeit so charakteristisch war. Der Rancho lag noch etwas höher und war trotz der Größe der Kabine weniger in Gefahr, im Morast zu versinken, als man meinen könnte. Denn die Kabine war aus leichtgewichtiger Glasfaser.
Für deren Fertigstellung war die Automobilabteilung von Matra zuständig, die 1964 durch die Übernahme von René Bonnets Sportwagenfirma entstanden war. Die Übernahme machte aus Matra den Produzenten des fabelhaften kleinen Djet, der mit seinem Heckmotor und der Glasfaserkarosserie der Renault Alpine Konkurrenz machte. Die Weiterentwicklung des Djet führte schließlich zum dreisitzigen Matra-Simca Bagheera und dem schnittigen Talbot Murena, aber das ist eine andere Geschichte.
Text Richard Bremer Fotos Andy Morgan Bearbeitung Christel Flexney