Chevrolet Corvette Sting Ray oder Ford Mustang? So unterschiedlich diese beiden Autos auch im Charakter sein mögen, sie verkörpern beide den amerikanischen Traum von Freiheit und Mobilität.
Fangen wir mit dem offenen Geheimnis an: Die beiden Autos, um die es hier geht – Ford Mustang und Corvette Sting Ray aus den Mittsechzigern –, waren auf dem amerikanischen Markt keine natürlichen Rivalen. Das eine wurde als flottes Einkaufsauto vermarktet, das andere als Sportwagen-Lichtgestalt eines Unternehmens, das bekannt dafür war, den unteren Automobilsektor zu bedienen. Oder wie der britische Corvette-Spezialist und Historiker Tom Falconer es ausdrückt: »Es ist, als würde man einen Ford Capri mit einem Jaguar E-Type vergleichen.«
Warum also haben wir einen 1966er Ford Mustang GT und eine 1965er Corvette Sting Ray zusammengebracht? Ganz einfach, weil beide Autos die amerikanischen Ikonen der Swinging Sixties darstellen. Sie sind mobile Kunstwerke vergangener Tage und sprechen heute den Kia-Fahrer genauso stark an wie den Oldtimer-Freak. Aber hier kommt die Überraschung: Beide Autos lassen sich auch extrem gut fahren. Vielleicht lassen Sie als Leser sich ja auch vom »Sting-Stang-Fieber« anstecken.
Argument Nummer eins ist das Styling. Es ist kein Zufall, dass die Wurzeln beider Autos im Konzept des sportlichen Roadsters zu finden sind oder dass beide von Designexperten immer noch geehrt und geschätzt werden. Der Mustang scheint mehr als die Corvette Künstler- typen anzusprechen. Der ehemalige Designguru von Jaguar Ian Callum ist ein Fan, der britische Stararchitekt Norman Foster beherbergt in seinem amerikanischen Anwesen in Martha’s Vineyard einen 1964er Mustang und der frühere Designchef von Rolls-Royce Ian Cameron besitzt einen Stufenheck-Mustang von 1966.
»Keines der Autos, die ich gefahren habe, zieht die Aufmerksamkeit von Passanten so auf sich wie dieses«, sagt Cameron über Telefon von sei- nem deutschen Wohnsitz aus. »Ich bevorzuge die Stufenheck-Variante, wegen ihrer Proportionen, ihrer Zurückhaltung und ihrer tollen Erschei- nung. Ich kann sogar etwas Mustang im Design des auf dem Rolls-Royce Silver Shadow basierenden Mulliner Park Ward Coupé entdecken … Okay, die Verarbeitungsqualität des Mustang ist nicht so gut, aber das ist fast schon Teil seiner Anziehungskraft. Dieses Auto ist ein Arbeitspferd. Es gibt nur sehr wenige Verzierungen und der Innenraum ist schön gestaltet. Ich besitze auch ein zweitüriges Ford Galaxie 500 Coupé von 1966, aber der Mustang fährt sich viel besser. Als Gesamtpaket funktioniert er einfach bestens.«
Die Corvette fährt in einer komplett anderen Liga und gehört zu einer sehr seltenen Spezies: Sie sieht aus, als wäre sie direkt vom Zeichenbrett in die Produktion gegangen, ohne dass Buchhalter ihre Rotstifte auf ihre Rundungen gelegt hätten. Wer 1963, als der Sting Ray auf den Markt kam, ein autoverrücktes Kind war, wurde unweigerlich von seiner enormen Wirkung erfasst. Vielleicht fühlte man sich sogar dazu inspiriert, bei General Motors anzurufen und zu fragen, wie man Autodesigner wird.
Bei Ed Welburn hat das jedenfalls funktioniert, denn er tat genau das und kletterte die Leiter bis zum Chef der Designabteilung von GM hinauf – und avancierte insbesondere zum bis heute hochrangigsten afroamerikanischen Player in der weltweiten Automobilindustrie. »Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal einen Sting Ray in natura gesehen habe«, lacht er in sich hinein. »Es war ein rotes Coupé und ich zwar 12, fast 13. Ich war mit meinem Fahrrad runter zum Chevrolet-Händler gefahren und stand da und starrte den Wagen an, als ein Passant mich scherzhaft fragte: ‚Würdest du damit gerne eine Runde drehen?‘«
Die Generationen der Corvette werden gemeinhin mit C1, C2 usw. bezeichnet, bis zur derzeit aktuellen C8-Generation. Die Generation C2 erhielt den Namen Sting Ray und löste die von 1953 bis 1962 gebaute erste Generation ab, die mit einem langweiligen Reihensechszylinder gestartet war und sich später mit einem V8-Benzineinspritzer zur Rakete entwickelte. Ed Welburn ist eindeutig ein Fan der C2.
»Wenn ich an den C2 denke, muss ich unweigerlich an die Form der Kotflügel denken, die von den italienischen Stromlinienwagen der 1950er-Jahre inspiriert waren. Das Design ist rundum aus einem Guss und der Innenraum ist ebenfalls großartig. Der C2 hatte einen Einfluss auf alle Corvette, die nach ihm kamen, und auch auf andere Chevrolet-Modelle.«
Text Mark Dixon // Fotos Sam Chick // Bearbeitung Christel Flexney
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