Dieser Dodge Challenger R/T erwarb sich seinen Spitznamen, nachdem er von einem Polizisten gekauft und von diesem dann bei illegalen Straßenrennen eingesetzt wurde. Fünf Jahrzehnte später kann seine Geschichte endlich erzählt werden.
Wer Anfang der Sechziger Jahre jung war, von Autos und Speed träumte, aber wenig Geld auf der Kante hatten, und in den USA lebten, träumte einem Muscle Car. Vielleicht triggerte schon Fords Lee Iacocca ihre Geschmacksnerven: Der hatte mit dem Mustang den europäischen Sportwagen vom Schlage MG, Jaguar, Porsche, Mercedes-Benz und Alfa Romeo eine amerikanische Alternative zur Seite gestellt. Das Modell schlug 1964 wie eine Bombe ein und begründete die »Pony Car«- Bewegung. Die Konkurrenz konterte bald mit ähnlichen Ponys, doch waren sie anfangs nicht annähernd so PS-stark wie die Muscle Cars.
Als letzter ins Rennen ging Chrysler, fünf Jahre nach dem Mustang und drei Jahre nach dem Camaro von GM/Chevrolet. Ende 1969, schon als Modelljahr 1970, erschien der auf der E-Body- Plattform basierende Dodge Challenger als Antwort auf die Konkurrenten. Als zweitüriges Coupé oder Cabriolet, 4,80 Meter lang und 1,93 Meter breit sowie im für die Ära typischen Coke-Bottle-Profil mit hüftartigen Heckkotflügeln. Vielleicht wichtiger: die neun Aggregate umfassende Motorenpalette – von einem 3,7-Liter-Sechszylinder bis zum 7,2 Liter (440ci) mächtigen V8.
Zu Beginn standen drei Varianten zur Wahl: ein Einstiegsmodell, die High-Performance-Ausführung R/T (für »Road/Track«) und eine limitierte T/A-Serie (»Trans-Am«) als Homologationsmodell für Einsätze in der vom SCCA (Sports Car Club of America) organisierten Trans-Am-Serie. Das optionale »SE«-Paket (für Special Edition) umfasste unter anderem ein kleineres Rückfenster im damals als todschick geltenden Vinyldach.
Dieser spezielle Challenger R/T hat einen ebenfalls ganz speziellen Besitzer – und blieb vom ersten Tag an im gleichen Familienbesitz. Godfrey W. Qualls wurde 1942 in Nashville (Tennessee) geboren und diente im Vietnam-Krieg als Green Beret in der 82. US-Luftlandedivision. Nach seiner Rückkehr in die Heimat trat er in das Detroit Police Department ein, in dem er dann 37 Jahre lang Dienst tat. Am 5. Dezember 1969 besuchte er den Dodge-Händlerbetrieb der Raynal Brothers in 9103, Chalmers Avenue, Detroit. Wo er seinen neuen Dodge Challenger R/T »SE« erstand, ein Auto, das ihn für den Rest seiner Tage begleiten sollte.
»Ich habe viele angenehme Erinnerungen an das Auto«, sagt sein Sohn Gregory, der aktuelle Besitzer. »Als ich fünf oder sechs Jahre alt war, begann alles im Haus zu vibrieren, und ich fragte meine Mutter, was da los sei. Ihre Antwort lässt mich heute noch lächeln, sie sagte nur: ‚Es ist Dein Vater, der das Auto startet!‘ Es dauerte bis 2014, ehe mein Vater mit der Idee an mich herantrat, den Challenger zurück auf die Straße zu bringen. Meine Brüder und Schwestern waren nicht interessiert.
Doch dann kam eine 2008 erstmals entdeckte Krebserkrankung zurück. Bei einem Besuch im Krankenhaus am 20. Dezember 2015 bat er mich, ihm am folgenden Tag einen zu Hause hinterlegten Umschlag zu bringen. Ich hatte keine Ahnung, was er enthalten würde. Er war sehr krank, aber seine Augen waren hellwach und er war sehr aufgeregt, als er den Umschlag öffnete. Er enthielt alle Zulassungspapiere, und er unterzeichnete sie in meinem Namen. Indem er mir das Auto vermachte, sicherte er den Verbleib in der Familie. »Gib meinen Wagen nicht ab«, waren seine Worte. Er starb nur vier Tage später, an Heiligabend 2015.«
Und da gibt es noch eine überraschende Geschichte aus der Vergangenheit des Autos. »Ich habe mich schon immer für Autos begeistert«, bekennt Gregory, »fühlte mich von Geschwindigkeit und Motorsport angezogen. Doch mein Vater ließ dieses Thema immer sonderbar kalt. 2017, als ich den Challenger bei einer Autoschau ausstellte, kam jemand auf mich zu und erzählte mir eine unglaubliche Geschichte. »Ich kenne dieses Auto«, sagte er,« es ist legendär und wurde damals bei nächtlichen Dragster-Rennen in Detroit eingesetzt.«
Wie sich herausstellte, dominierte Dad diese Rennen. Der Wagen erwarb sich sogar den Spitznamen »Black Ghost«, weil er alle paar Monate auftauchte, um dann nach einem Sieg sofort wieder zu verschwinden. Ich war ganz schön verwirrt, war doch die Polizeiabteilung meines Vaters unter anderem mit Verkehrskontrollen beschäftigt. Daher traute ich der Story noch nicht, bis sie mein Onkel Cleolous bestätigte!
Er und mein Vater sprachen nie darüber; sie wollten mir und meinen Brüdern nicht damit imponieren und uns vielleicht sogar zum Nach- machen ermuntern. Doch stimmte die Geschichte: Dad war tagsüber Polizeibeamter, und fuhr an den Wochenenden nächtliche Dragster-Duelle. Die bevorzugten ‚Strecken‘ waren die Wood- ward Avenue und die Stecker Street – wo nach Schließung der dortigen Shopping Malls der Hund begraben lag.
Dad tauchte mit seinem auf Slicks stehenden und aus geraden Auspuffrohren röhrenden, aber sonst serienmäßigen Challenger auf, bestritt das Rennen – das er meistens gegen Corvette & Co. gewann – und machte sich aus Sorge, erkannt zu werden, schnell wieder aus dem Staub. Einzig ein am Heckfenster angebrachter Sticker der Police Officer Association hätte ihn verraten können. Doch niemand ahnte, dass dieser Polizist bei Nacht in eine zweite Identität schlüpfte. Er sperrte das Auto dann irgendwann weg, weil es offenbar wiedererkennbarer wurde. In den späten 80ern oder frühen 90ern bot ihm einmal ein Käufer auf eine Anzeige hin 85.000 Dollar an – ein irrer Preis, doch er wollte den R/T nicht abgeben, es war noch immer sein »Baby«.«
Text Massimo Delbò // Fotos Familienarchiv Qualls, Casey Maxon, Preston Rose // Bearbeitung Thomas Imhof
Lesen Sie in OCTANE #52 die spannende Geschichte vom Dodge Challenger R/T SE.
Noch mehr Geschichten über amerikanische Klassiker finden Sie in diesen Ausgaben
Oder bestellen Sie sich OCTANE ganz bequem im Abo nach Hause
-
OCTANE Jahresabo – 6x OCTANE versandkostenfrei54,00€
inkl. 7 % MwSt.
Versandkostenfrei