Text Gabriele Spangenberg, Berthold Dörrich
Die Tatsache, dass in Küchen allgemein die besten Partys stattfinden, ist nur ein Aspekt, den Presenting Editor Gabriele Spangenberg zu bedenken gibt. Ansonsten erfahren wir nicht wirklich viel über ihre bevorzugte Schlafposition. Nur den bevorzugten Schlafraum, den gibt sie preis. Chefredakteur Berthold Dörrich erzählt derweil von seinem größten persönlichen Scheitern der letzten Jahre. Auch interessant!
// Liebe Gabriele,
jetzt machen wir schon seit zwei Jahren diese Zeitschrift zusammen. Da ist es an der Zeit, mal ein wenig indiskret zu werden: Wie schläfst Du eigentlich? Nein, nicht Bauch-, Rücken- oder Seitenlage. Sondern schläfst Du neben, in oder unter Deinem Auto? Zumindest in der kalten Jahreszeit, wo wir unsere geliebten Klassiker in der geheizten Garage stehen haben. Im Wohnzimmer bleibt uns zum Ausleben unserer Begeisterung ja maximal das mit Auto-Literatur gut gefüllte Bücherregal. Und OCTANE gibt’s immer noch nur jeden zweiten Monat – ist also für lange Winterabende auch nur eine bedingte Lösung.
Darf ich also davon ausgehen, dass Du mindestens ein Feldbett in Deiner Garage aufgestellt hast und es Dir dort bei kuscheliger Motorwärme gemütlich machst? Das monotone Knistern eines abkühlenden Boxermotors soll ja ungemein beruhigend wirken. Bitte frage jetzt nicht genau so indiskret zurück, wie ich es bei mir zu Hause damit halte. Ich müsste Dir mein größtes persönliches Scheitern der letzten Jahre gestehen. Nein, nicht im Schlafzimmer, da ist alles in Ordnung. Ich habe es lediglich in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft, meine lange geplante Garage zu bauen.
Habe zwar einen autoverrückten Architekten und dachte, das sei eine perfekte Kombination. Anfangs fragten die Nachbarn noch, wann es denn losginge. Mittlerweile ist ihnen das, glaube ich, peinlich und wir reden, wenn wir uns auf der Straße begegnen wieder über banale Alltäglichkeiten. Nicht über das Wetter, denn da wäre man schnell bei der immer noch fehlenden Garage. Und damit wieder im Bereich des Peinlichen.
Dabei hatte ich mir alles so schön ausgemalt: Ein Feldbett, mindestens, sollte es schon sein. Vielleicht ein bequemer Ledersessel und eine kleine, gut bestückte Bar. Neben dem Bücherregal mit Schmökerliteratur. Als Klimaanlage hatte ich meinen 911er vorgesehen. Der produziert einfach den feinsten Duft. Zur gepflegten Beschallung taugt wahrscheinlich der Vorkriegs-Alvis am besten – da habe ich vorsichtshalber schon mal den Schalldämpfer ausgeräumt.
Wenn die Kinder ab und zu mal zu Besuch kämen, sollte natürlich WLAN in der Garage sein. Und ein Glas französischer Rotwein mit meiner kurzfristig anwesenden Ehefrau fände im kuscheligen Innenraum unseres 4CV eine passende Umgebung. Alles bisher nichts geworden. Und als ich mir jetzt beim Machen dieses Heftes unsere Geschichte zur Geschichte der Garage angesehen habe, habe ich mir ehrlich überlegt, meinen Architekten anzurufen, um die mittlerweile weit fortgeschrittene Planung (ich schwöre: die gibt’s!) nochmal umzuwerfen. Bin mir aber ziemlich sicher, dass ich dann wegen seelischer Grausamkeit Sanktionen zu befürchten hätte. //
// Lieber Berthold,
die bittere Wahrheit ist: wenn mein Wecker morgens klingelt bin ich entweder sehr verwirrt oder einfach entsetzt. Entsetzt, da er viel zu früh klingelt, verwirrt wenn ich aufwache und nicht weiß wo ich bin. Letzteres liegt sicherlich daran, dass ich in einem banalen Schlafzimmer schlafe, nicht in einer Garage. Aber einfach zustimmen? Nein, mein Lieber so einfach kommst Du nicht davon! Willst Du wirklich das Beste verschlafen? Ein Feldbett in die Garage stellen? Ich finde, Garagen sind keine einladenden Räume. Fensterlose, zugige, vollgerümpelte Abstellkammern. Ungeheizt und ungemütlich.
Zu klein, da ich zu viele Autos habe, zu groß, da ich nicht genug Autos habe. Bunker. Schuppen. Bessere Besenkammern. Sicher, es gibt wundervolle Traumgaragen, aber let’s face it: das sind Ausnahmen, architektonische Visionen einzelner, die ihre Träume verwirklichen durften. Warum ist die normale Garage ein unwirtlicher Ort? Sollten wir uns nicht fragen: Wie binden wir unsere geliebten Schätze in unser Wohnen ein? Warum die strenge Trennung? Ist es so schwierig, weil der natürliche Lebensraum des Autos die Straße, das »Draußen« ist? Und es »Drinnen«, ähnlich wie Pflanzen in Kübeln, einfach gelagert, aufbewahrt wird?
Im 18. Jahrhundert wurden in England die ersten Wintergärten erbaut. Darin konnte man komfortabel auch im Winter die Sonne, seine Pflanzen und den Tee genießen. Eine architektonische Anpassung an einen veränderten Lebensstil. Ein ganz neuer Raum entstand. Das war Fortschritt. Wann gab’s das bei uns schon mal? Vielleicht am ehesten in der Küche, dem Raum in unserer Kultur, der technologische Innovationen am einfachsten aufnimmt. Spülmaschine, Kühlschrank, Ofen, Espressomaschine, Toaster, Mixer, sie nehmen sich allesamt nicht wie Fremdkörper aus. Eine Küche ist immer tolerant, immer bevölkert. Auf einer Party befinden sich die fröhlichsten Gäste in der Küche.
Kleckern ist nicht so schlimm, Brüllen wird toleriert, Rumlümmeln ist normal. Gäste und Maschinen wie der Fernseher nehmen sich dagegen im Wohnzimmer wie Fremdkörper aus. Wie viele Stunden verbringst Du mit Deinen Freunden, Gästen, Kindern im Wohnzimmer? Und wie viele in der Küche? Sollen wir mal eine Kosten-Nutzenrechnung machen? Nein, ich schlage jetzt nicht vor, Garage und Wohnzimmer einfach zu tauschen. Aber wenn die Küche Maschinen bereitwillig integriert, ohne an Anziehung zu verlieren, dann würde doch das eine oder andere Auto darin gar nicht auffallen. Wir haben Garagen, die nur Abstellkammern sind, und Wohnzimmer, in denen wir uns nicht wiederfinden. Und wir haben Küchen, in denen im Idealfall alles geht. Berthold, es bleibt nicht aus, Dein Architekt muss noch mal ganz vorne anfangen. Zum Glück profitieren ja dann auch Deine Nachbarn, da habt Ihr echt Stoff zum Diskutieren. Wohnst Du noch oder lebst Du schon?////
Roadbook: Die unterhaltsame Brieffreundschaft zwischen Gabriele Spangenberg (Presenting Editor) und Berthold Dörrich (Chefredakteur), an der die beiden Klassiker-Liebhaber uns in jeder OCTANE-Ausgabe teilhaben lassen, lässt häufig tiefer blicken. Vor allem aber gibt der Briefaustausch jedes Mal aufs Neue Grund zum Schmunzeln. Einblicke in einen Alltag, welcher unsere beiden Brieffreunde regelmäßig vor neue (Klassiker-)Fragen stellt.