Porsche 911 Carrera 4 Typ 964
Klassiker

Porsche Carrera 4 by Manufaktur 964: Der Herren-Fahrer

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Expressives Design und extreme Leistung waren nicht das Entwicklungsziel, Retro-Fashion oder Outlaw-Look standen nicht im Lastenheft. Dieser Porsche verfolgt ein anderes Ideal – eines, das sich zwischen Understatement, technischer Perfektion und puristischer Fahrkultur verortet. Der Carrera 4 by Manufaktur 964 ist keine laute Reinkarnation der Vergangenheit, sondern eine leise, aber kompromisslos ehrliche Neuinterpretation. Genau nach diesem Prinzip arbeitet Michael Gerischer mit seiner Manufaktur 964 – kompromisslos, klar und mit einem feinen Gespür für das Wesentliche.

Zwischen den klassisch anmutenden 911-Typen der G-Serie und dem modernen, finalen luftgekühlten 993 gelegen, erschien der zwischen 1988 und 1994 gebaute 964. Den erklärte Porsche-Chef Heinz Branitzki bei Erscheinen euphorisch zum „911 für die nächsten 25 Jahre“, vielen spät berufenen Elfer-Enthusiasten galt er danach aber als kompromissbehaftet. Trotz vergleichsweise niedriger Einstiegs¬preise musste der 911 der Übergangszeit lange um Sympa-thien und Anerkennung kämpfen. Das hat sich geändert! Weniger gefragt ist er unter Sammlern; dafür umso mehr bei Individualisierungen auf Kundenwunsch. Wer seinen 964 wirklich benutzen wolle, gebe sein Geld lieber für den eigenen, auf Maß geschneiderten Wagen aus. Seine Kundschaft wolle lieber fahren, als stehend bewahren.

Eine große Nachfrage besteht vor allem nach Carrera 2 Modellen

Die meisten Käufer suchen nach einem 964 Car¬rera 2. Der Ruf des Carrera 4 ist angeschlagen. Schon nach kurzer Recherche findet man die Angabe, der Carrera 4 sei kompliziert, schwer und weit weg vom 911. Michael Gerischer ist der Kopf hinter der Manufaktur 96, das sich auf die Neuinterpretation klassischer Porsche 964 spezialisiert hat – allerdings ganz bewusst ohne den üblichen Restomod-Hype. Bei der Manufaktur 964 geht es nicht um Showcars, sondern um fahraktive Klassiker, gebaut mit technischer Sorgfalt, großer Porsche-Kenntnis und einer klaren Haltung. Gerischer selbst ist dabei nicht nur Gründer und Ideengeber, sondern auch Detailfanatiker und konsequenter Purist.

Blick auf das Cockpit eines Porsche 964 Carrera 4

Gerischer entwickelte seine eigene 964 Version des Carrera 4

Gerischer sieht im C4 einen unterschätzten Klassiker. Er selbst hat einen Carrera 4 by Manufaktur 964 eigenständig konfiguriert. Das Entwicklungsziel sei der optimal nutzbare 964 gewesen, der Eine für Alles – „one fits all“. Gerischer wollte einen „964, mit dem man problemlos Langstrecke und danach über die Alpen fahren kann, der bei der Odenwald-Tour am Wochenende ebenso Spaß macht und natürlich Beifahrer-kompatibel ist“, sagt Gerischer.

Schon deshalb waren für den Alltagseinsatz so wichtige Extras wie Klimaanlage, Sitzheizung und Tempomat Pflicht, so konnte kein lautes, abgemagertes Auto dabei herauskommen. „Wir wollen keine Autos zum Rumstehen in Sammlungen bauen. Gute Fahrbarkeit unter allen Bedingungen ist Trumpf, das Auto darf auf keinen Fall nerven.“

Gerischer selbst nutzte als Basis einen Carrera 4 von 1990 mit deutscher Vita und ohne Airbag zum Kaufpreis von 75.000 Euro. Dieser trägt zum großen Teil noch den originalen weißen Lack. Bei Technik und Ausstattung – Leder, Schottenkaromuster auf den Sitzen und Rennsitz für den Fahrer – hat Geriscehr allerdings nahezu eine Komplettrestaurierung durchgeführt. Das sei schon wegen des Sportfahrwerks und des optimierten Sechszylinders nötig gewesen.

Mit einer geänderten Motorsteuerung, einem Bosch-Luftmassenmesser-Kit der zweiten Generation, anderen Einspritzdüsen und einem Cargraphic-Auspuff mit zwei Fächerkrümmern und Katalysatoren leistet der 3,6-Liter-Boxer 310 PS bei 6100 U/min, eine Steigerung um 60 PS im Vergleich zur Serienversion. Gleichzeitig stieg das maxi¬male Drehmoment von 310 auf 376 Nm, liegt nun aber rund 500 U/min später an.

Das Serienfahrwerk wurde durch ein komplett einstell¬bares KW-Fahrwerk der Variante 3 ersetzt, ergänzt um Uni¬ballgelenke und Polyurethan-Buchsen. Für die Vorgaben zum Feintuning sorgte Rennfahrer und Fahrwerksspezia¬list Wolfgang Weber aus Vilshofen, für die Überlistung des variablen Allradantriebs eine modifizierte Hydraulik.

Rückansicht des Porsche Carrera 4 Typ 964

Der Carrera 4 besteht auch als Einsatzfahrzeug auf der Rennstrecke

Wie 964 Turbo und 964 RS besitzt auch der C4 die leistungsfähigere Hochdruckbremse, während der C2 mit einem herkömmlichen Bremskraftverstärker auskommen muss. Die Aufrüstung von Normal auf Hochdruck ist anspruchsvoll, weil damit ein Eingriff in die Elektronik einhergeht. Das ABS-Steuerge¬rät und die elektro-hydraulische Steuerung der Längs- und Quersperren gelten als problematisch, aber meist seien nur die Kontakte oxidiert und ein Ersatz für die benötigten Stellzylinder koste um die 1000 Euro, was beim Preis des Autos irrelevant sei, wie Michael Gerischer anmerkt. Er bietet jedem Kunden an, mit einem Carrera 2 und einem Carrera 4 auf die Rennstrecke zu gehen. Dort kann der 4er dann seine Vorzüge unter Beweis stellen.

Bei Gerischers Eigenumbau wurde für den Einsatz auf der Rennstrecke die Hydrau¬lik der Längssperre verändert. So konnte die Verteilung der Antriebskraft von 39 Prozent an der Vorder- und 61 Prozent an der Hinterachse konstant bleiben. Mit der optionalen Nutzung auf der Piste erklärt sich auch die Bezeichnung »Gentleman Driver«. Als ideelles Vorbild für den 964 Carrera 4 dienen jene Sportwagen der 50er- und 60er-Jahre, mit denen der sportliche Herren-Fahrer unter der Woche zur Arbeit und am Wochenende zum Rennen fuhr.

Um den Beweis der Alltagstauglichkeit zu erbringen, hat Gerischer seit Anfang des Jahres auf Straße und Rennstrecke bereits rund 10.000 Kilometer gesammelt. Einen 964 Carrera 4 unterschätzen? Diesen sicher nicht!

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10 spannende Fakten über den Porsche Carrera 4

  1. Erster Elfer mit Allradantrieb in der Serie: Der 964 Carrera 4 war 1988 das erste 911-Serienmodell mit permanentem Allradantrieb – eine Technik, die vom 959 abgeleitet wurde, dem Hightech-Supercar der Achtziger.
  2. Entwicklung inspiriert vom Rallye-Weltmeister: Der Allradantrieb des Carrera 4 geht direkt auf die Erfahrungen mit dem Porsche 953 und dem 959 bei der Rallye Paris–Dakar zurück. Technik aus dem Wüstenrennen für die Straße.
  3. Mehr Gewicht, aber mehr Traktion: Der Allradantrieb brachte rund 50 Kilogramm Mehrgewicht, aber auch deutlich mehr Stabilität bei Nässe und im Grenzbereich – besonders bei schlechtem Wetter ein spürbarer Vorteil. Nur beim C4: elektronische Längs- und Quersperren.
  4. Der Carrera 4 hat serienmäßig Sperren an Vorder- und Hinterachse, die je nach Fahrsituation automatisch geregelt werden – der Carrera 2 hatte diese Technik nicht.
  5. Erstaunlich alltagstauglich trotz Hightech: Trotz der komplexen Technik war der C4 gut zu warten – die meisten Probleme entstehen heute durch fehlerhafte Steuergeräte oder korrodierte Kontakte, nicht durch mechanische Schwächen.
  6. Der 964 war der erste Elfer mit ABS und Servolenkung. Diese Features waren serienmäßig im Carrera 4 – für viele Elfer-Puristen damals ein Tabubruch, heute ein Komfortplus, das Fahrbarkeit und Sicherheit erhöht.
  7. Hydraulische Kupplung statt Bowdenzug: Im Gegensatz zum Vorgänger G-Modell setzte Porsche beim 964 auf eine moderne hydraulische Kupplung – direkter, wartungsärmer und komfortabler im Alltag.
  8. Doppelt abgedichtete Radlager hinten: Ein kleiner, aber feiner Unterschied: Der C4 bekam robustere Radlager an der Hinterachse – der Allradantrieb stellte höhere Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit.
  9. Optional mit Tiptronic – aber selten gewählt: Auch beim C4 gab es eine Tiptronic-Automatik – allerdings entschieden sich die meisten Käufer für das manuelle Getriebe. Die Tiptronic-Versionen gelten heute als Exoten.
  10. Keilriemen mit automatischer Spannvorrichtung: Beim 964 wurde erstmals eine automatische Keilriemenspannung eingeführt – ein Detail, das den Wartungsaufwand senkte und Ausfälle verhinderte.
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