Der Pegaso Z-102 Berlineta ENASA Cúpula sieht aus wie ein Ufo, wurde aber von einem Lastwagenhersteller gebaut. OCTANE durfte das Unikat fahren – oder eher fliegen?
Die Schlüssel stecken in meiner Tasche, aber noch spüre ich nicht den Drang, mich ans Steuer des Pegaso zu setzen. Erst mal ehrfurchtsvoll alles betrachten – wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal einen richtigen Kampfjet oder ein richtiges Feuerwehrauto sieht. Meine Augen folgen jeder einzelnen Linie, jedem Detail. Mein Gehirn versucht, die Logik eines Automobils mit dem eigenwilligen Design dieses knallgelben Phänomens in Einklang zu bringen.
Ist es schön?, frage ich mich. Irgendwie ja und irgendwie auch nicht. Auf jeden Fall – atemberaubend. Wer in aller Welt hat diesen Pegaso Z-102 Berlineta ENASA Cúpula (ja, Berlineta mit einem t im Spanischen) entworfen? Pablo Picasso? Henry Moore? Stammt der Pegaso überhaupt von der Erde? Ja, tut er. Die extrem schwungvollen Kurven dieses gelben Raumschiffs mit der Plexiglaskuppel am Heck wurden in einer Fabrik gezeichnet. In einer für Lastwagen und Busse.
Die spanische ENASA (Empresa Nacional de Autocamiones SA) wurde 1945 im Zuge der Verstaatlichung von Hispano-Suiza gegründet. Ihr Chef war der spanische Ingenieur Wilfredo Ricart, der von Alfa Romeo gekommen war. Unter dem Namen Pegaso – nach dem geflügelten Pferd aus der griechischen Mythologie – produzierte das Unternehmen in Barcelona Lastwagen, Busse und Militärfahrzeuge. Um ihr Prestige zu verbessern, präsentierte die ENASA 1951 dann den Z-102. Die Regierung unterstützte die Firma finanziell, denn Spanien wollte beweisen, dass es im Nachkriegseuropa als Nation noch etwas zählte und zu erzählen hatte. Aus diesem Grund bekamen die neuen Sportwagen von Pegaso fast alle eine auffällige Karosserie von bekannten Designstudios wie Touring oder Saoutchik.
Fotograf David de Jong gibt mir zu verstehen, dass wir Arbeit zu erledigen haben. Ich drücke auf den Chromknopf neben der Fahrertür, woraufhin diese aus dem Schloss springt, sodass ich sie öffnen kann. Der hellgrüne Innenraum empfängt mich mit einer tiefen, aber bequemen Sitzposition. Das Armaturenbrett sieht herkömmlich aus, fast schon ein bisschen italienisch, aber es ist die einzige konventionelle Komponente im Cockpit. In den Türholmen rechts und links sind Kosmetikfächer und im Beifahrerfußraum gibt es eine Metallbox mit Werkzeugen.
Das Öffnen des Türfensters ist eine echte Herausforderung. Anstelle eines Griffs sind zwei senkrechte Stäbe mit dem Glas verbunden, die man, um das Fenster zu öffnen, aus der Halterung lösen und dann horizontal nach außen schieben muss. Wer hat sich das bloß ausgedacht?
Ein deutlich größeres Problem wird die Suche nach dem Starterknopf. »Es ist die linke Taste«, sagt Ron van Dongen, Chefingenieur im Louwman-Museum, und zeigt auf zehn elfenbeinfarbene Tasten am Armaturenbrett. In blindem Vertrauen drehe ich den Zündschlüssel um und drücke die Taste, woraufhin mir ein lauter Knall einen Riesenschrecken einjagt. Aber ich muss wohl das Richtige getan haben, denn ich kann ein kratziges, unzivilisiertes, aber einigermaßen gleichbleibendes Motorgeräusch hören.Obwohl der Pegaso links gesteuert wird, ist das Fünfganggetriebe andersherum ausgelegt. Der erste und der Rückwärtsgang liegen rechts, der vierte und der fünfte ganz links. Immerhin, das auf der Hinterachse hinter dem Differenzial angebrachte Getriebe gibt dem Pegaso eine bessere Balance und mehr Stabilität.
Text Massimo Delbò // Fotos Eric Fuller
Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #26
Diese Story finden Sie in OCTANE Ausgabe 25