Pegaso Z-102 frontal
Klassiker

Pegaso Z-102: Ein Supersportwagen für ein armes Land?

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Text Manuel Garriga // Fotos Artcurial

KEINER WEISS, WIE VIELE PEGASOS JE GEBAUT WURDEN. DOCH OB ES NUN 80, 90 ODER ÜBER 100 WAREN – ALLZU SELTEN BEKOMMT MAN EIN EXEMPLAR DER SPANISCHEN SPORTWAGEN ZU GESICHT. DIE MARKE WAR UND IST EIN MYSTERIUM, EXOTISCH UND IN JEDEM FALL UNTERBEWERTET. DAS MERKT MAN NICHT ZULETZT AN SEINEM WERT

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der von der spanischen Regierung unterstützte Nutzfahrzeughersteller ENASA einen echten Supersportwagen vor. Geld verdient wurde mit schnöden Omnibussen und Lastwagen, doch für Aufmerksamkeit auf dem internationalen Automobilparkett sorgte im 1951er Grand Palais des Pariser Salons der Pegaso Z-102.

Das hier abgebildete Exemplar ist einer der achtzehn Pegaso Z-102 mit der spektakulär gezeichneten Saoutchik-Karosserie – von denen nur vier als Cabriolet gebaut wurden. Drei haben überlebt, zwei gehören zur ersten Serie und dieses hier – das einzige aus der zweiten Serie – wurde von Artcurial im Februar für 750.000 Euro in Paris versteigert.

Pegaso Z-102 im Seitenrprofil
Der letzte seiner Art: Dieser Pegaso Z-102 ist das einzige Cabriolet der Serie 2, das überlebt hat.

Ein eindrucksvoller Wert für ein Auto, das nicht sehr bekannt und aus historischer Sicht bestenfalls ungewöhnlich ist. Wie konnte etwas so Exklusives zu der damaligen Nachkriegszeit im ebenso armen wie düsteren Spanien entstehen? Nicht nur aus heutiger Sicht ist das bemerkenswert. Entworfen von dem ehemaligen Alfa-Romeo-Ingenieur Wifredo Ricart, grenzte es fünfzehn Jahre nach dem spanischen Bürgerkrieg an ein Wunder, dass in einem Land, das praktisch bar jeglicher Art von Transportwesen war, ein Supersportwagen entstehen konnte.

Gebaut werden sollte das Auto im traditionsreichen Werk von Hispano-Suiza. Der Betrieb war verstaatlicht worden und umgetauft in ENASA (Empresa Nacional de Autocamiones, S.A.). Wifredo Ricart wurde vom spanischen Industrieminister gelockt, das technische Management von ENASA zu übernehmen. Der katalanische Ingenieur nahm an – allerdings unter der Bedingung, dass man ihm erlaube, einen echten Sportwagen zu bauen.

MONARCHEN, DIKTATOREN, ARISTOKRATEN UND UNTERNEHMER – EINE ZEIT LANG SAH SO DAS ZIELPUBLIKUM DES Z-102 AUS

Bevor die Lehrlinge loslegten, holte sich Ricart eine Handvoll alter Bekannter nach Barcelona – vor allem von Alfa Romeo. Die Arbeit an Projekt Z-102 begann also nicht mit künftigen Omnibusbauern, sondern erfahrenen Männern wie Egidio Benetti, Medardo Biolino, Ugo Fava, Ettore und Aldo Pagani. Ricart entwarf einen 90°-V8 mit Hemi-Brennräumen, fünffach gelagerter Kurbelwelle, zwei obenliegenden Nockenwellen je Zylinderreihe, nassen Zylinderlaufbuchsen, Motorblock und Zylinderkopf aus Leichtmetallguss, die Außenflächen der Kolben durch Nitrieren gehärtet.

Innenraum des Pegaso Z-102
Die Ausstattung des Pegaso Z-102 konnte tatsächlich mit der von Ferrari, Maserati und Jaguar mithalten.

Der Motor mit 2,5 Liter Hubraum wuchs im Lauf der Entwicklung von 2,8 bis auf stattliche 3,2 Liter. Gespeist wurde er von einem, zwei oder vier Doppelvergasern, gelegentlich auch mit ein oder zwei Kompressoren. Speziell für den Renneinsatz wurden später Doppelzündungsköpfe getestet und andere Experimente durchgeführt.

TATSÄCHLICH WAR JEDES EINZELNE FAHRZEUG EIN PROTOTYP

Die Ausstattungsmerkmale des Vollblut-Sportzweisitzers waren tatsächlich auf Augenhöhe mit Ferrari, Maserati oder Jaguar – Fünfganggetriebe hinter ZF-Sperrdifferenzial. Von 1951 bis 1956 wurden insgesamt 80 Fahrzeuge gefertigt – oder ein paar mehr – in teilweise unterschiedlichen Variationen, doch immer auf dem gleichen Chassis. Bei diesen überschaubaren Stückzahlen blieb es unmöglich, die Entwicklungskosten einzuspielen. Auch wenn der damals einzige Autohersteller Spaniens gern auf diesem Punkt herumritt, war jeder Pegaso ein ‚zivilzahmer‘ Sportwagen, für Einsätze im Rennsport kaum geeignet.

Wie auch? Es gab nie ein entsprechendes Engagement bei ENASA. Wenn an Rennen teilgenommen wurde, dann ohne eine entsprechende Strategie und in erster Linie, um das Auto zu testen. »Wir haben daran gearbeitet wie in einem Labor«, sagte Ricart 1972, zwei Jahre vor seinem Tod. Die Rennsport-Auftritte des Z-102 endeten meist als Dramen allererster Güte.

1953 gab es beim Versuch, an den 24 Stunden von Le Mans teilzunehmen, in der Qualifikation einen schlimmen Unfall, bei dem der Fahrer Juan Jover fast ums Leben kam. Bei der Carrera Panamericana 1954 startete Pegaso-Star Joaquín Palacio mit mehr als 320 km/h den Versuch, den beiden führenden Ferrari näherzukommen. Dabei flog sein Auto bei Rio Hondito von der Straße und überschlug sich spektakulär.

Abgesehen von einem halben Dutzend Exemplaren, die speziell für den Rennsport oder für Rekordversuche gebaut wurden, wurde der Z-102 von den zu der Zeit angesagten Karosseriebauern eingekleidet und auf Auto-Salons und diversen Concours d’Elegance gezeigt. Die meisten wurden von Saoutchik und Touring in Blech gehüllt. Nicht zu vergessen der katalanische Karossier Pedro Serra, der wenige wunderschöne Exemplare gestaltete.

MIT RUND 15.000 DOLLAR WAR DER PEGASO WIRKLICH NICHT GÜNSTIG, DENNOCH DECKTEN DIE VERKÄUFE DIE PRODUKTIONSKOSTEN NICHT

Eine Zeit lang war der Z-102 der Sportwagen lokaler Eliten. Monarchen wie der Schah von Persien oder der König von Marokko, Diktatoren wie Portugals Craveiro Lopes und Rafael Leonidas Trujillo haben ihn gekauft und gefahren, ebenso spanische Aristokraten und Unternehmer. In der Mitte der 1950er fand das Z-102-Programm jedoch aus politischen Gründen ein jähes Ende. Die Regierung hatte ihr Ziel erreicht, und es war unnötig, weiterhin so viele Ressourcen in ein Fahrzeug zu investieren, dessen Profitabilität höchst dubios war.

Der Pegaso war zwar nicht billig (rund 15.000 Dollar), doch dieser vom Kunden zu zahlende Betrag deckte nicht einmal die Produktionskosten. Die eigentliche Aufgabe von ENASA war, die Massenproduktion von Nutzfahrzeugen voranzubringen. Was das Land brauchte, waren Lkw und Busse, keine Luxus-Sportwagen für eine winzige Minderheit.


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