Die Zwei Opel GT Rekordwagen auf GT-Basis
Klassiker

Ist Fliegen wirklich schöner?

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OCTANE#02

 

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Text Jeroen Booij // Fotos Arno Lingerak

BEI WENIGEN OPEL-KONSTRUKTIONEN IST DAS BLITZ-LOGO SO TREFFLICH WIE BEI ZWEI REKORDWAGEN AUS DEN 1970ERN: DER EINE MIT DIESEL, DER ANDERE ELEKTRISCH ANGETRIEBEN

Es gibt Tage, an denen ich lieber etwas kleiner wäre. Heute ist so ein Tag. Gerade habe ich mich durch die Luke in den schlanken Schalensitz des Opel GT Rekordwagens mit Dieselantrieb gezwängt, da bollert mein Schädel – nach dem Schließen der Kuppel – gegen das Plexiglas. Das ist erstens nicht gemütlich, zweitens sieht es nicht super aus. Aber was soll’s: Man erhält ja nicht jeden Tag die Gelegenheit, mit einem Rekordwagen zu fahren.

Bevor der Dieselmotor anspringt – mit blauen Rauch-Schwaden und landwirtschaftlichem Sound –, sollte ich ein wenig weiter ausholen, um dieses doch recht bizarre Fahrzeug und sein Schwesterchen vorzustellen: den Dieselweltrekord-GT und den Elektro-GT von Opel. Ohne die aufklappbare Plexiglaskuppel-Abdeckung ist der Stromer optisch weniger extravagant, dafür ist er unter der Haut umso bemerkenswerter.

Opel GT Rekordwagen mit Rauchwolke
Und los geht’s: Mit einem breiten Grinsen im Gesicht blickt unser Testfahrer auf die Strecke, die ihm und dem Opel GT Rekordwagen bevorsteht.

Der Opel GT, aus dem beide Wagen hervorgegangen sind, kam 1968 auf den Markt, wahlweise mit einem 1,1- oder 1,9-Liter-Vierzylindermotor aus dem Kadett, angepasst an ein Vierganggetriebe. Bei einem Leergewicht von 940 Kilo erreichte der 1900 GT 185 Stundenkilometer. Sehr flott für einen kostengünstigen Sportwagen seiner Zeit. Er wurde mit dem Slogan »Nur Fliegen ist schöner« vermarktet und entwickelte sich sofort zum Verkaufsschlager. Bis zum Produktionsende 1973 wurden über 103.000 Exemplare gebaut.

SPORTWAGEN MIT ELEKTROANTRIEB? SOWAS GAB’S NATÜRLICH NICHT UND KEINEN SCHIEN DIES GROSS GEKÜMMERT ZU HABEN – EINE ECHTE CHANCE FÜR OPEL

1968 nahm Georg von Opel, ein Frankfurter Autohausbesitzer und Enkel des Firmengründers Adam von Opel, an, ein Rekordversuch mit einem Elektroauto wäre für das Image von Opel vorteilhaft. Das Gebiet der elektrisch betriebenen Sportwagen war praktisch unerforscht. Dr. Georg von Opels Traum glich einem Griff nach den Sternen. Dank eines Windschlüpfrigkeitswerts von 0,36 und einer stabilen Konstruktion für den Transport der Batterien schien der GT immerhin die wahrscheinlichste Basis für so eine Herausforderung mitzubringen.

Dieselmotor des Opel GT Rekordwagens
Selbstzünder anno 1971: Der Dieselmotor war für den Opel Rekord vorgesehen und daher nagelneu. Der Vierzylinder mit Nockenwelle im Zylinderkopf leistet 95 PS bei 4000 U/min. Bei 201 km/h ist Schluss.

Man ließ das Exemplar von einem Spezialistenteam zu einem Opel GT Rekordwagen umbauen. Der wahre Unterschied verbirgt sich im Inneren. Anstelle der Standard-Vierzylindermaschine befinden sich dort zwei mächtige Gleichstrom-Elektromotoren von Bosch. Dort, wo normalerweise der Beifahrer Platz nimmt, befindet sich ein Gerüst mit einem Stapel 12-Volt-Batterien von Varta. Der Zuwachs an Power (der serienmäßige 1900 GT kam gerade auf 90 PS), die verbesserte Aerodynamik und die höherwertigere Achsübersetzung – 3,18 aus einem Opel Manta – sorgten für eine Endgeschwindigkeit von 240 Stundenkilometern.

Die Batterien waren allerdings schon nach vierundvierzig Kilometern leer. Auch wenn die Batterien schwer waren und nicht lange hielten, hatte das Projekt sein eigentliches Ziel erreicht: Die Firma heimste jede Menge positiver Publicity ein, als Zeitungen und Magazine fragten, ob das automobile Konzept der Zukunft womöglich so aussehen könnte. Dennoch: Er ist seit 1971 nicht mehr gefahren worden. Er hatte seine Rekorde eingesackt, dann wurde er eingemottet. Der schräge, futuristische Look ist aber immer noch ein Hingucker. Der Elektro-GT bescherte Opel so viel Aufmerksamkeit, dass man mehr wollte.

Elektromotor des Opel GT Rekordwagens
Deutlich übersichtlicher als im Diesel-GT: Zwei Gleichstrommotoren von Bosch bescheren dem Elektro-GT 160 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 188 km/h.

Dank des für den Opel Rekord vorgesehenen nagelneuen Dieselmotors lag der Gedanke nahe, den Klotz in einen weiteren Aero-GT zu montieren und damit weitere Rekorde anzupacken. Dank verringerter Kompression (von 22:1 auf 17,5:1), verstärkten Ventilen und Ventilschäften sowie vergrößertem Hubraum plus neuer Auspuffanlage war der getunte Motor danach bereit für Rekordversuche. Das Vierganggetriebe samt einer deutlich längeren Achsübersetzung (2,667:1) stammte aus einem Opel Commodore. Was aber als Erstes auffällt, ist der verglaste Aufbau – beziehungsweise das Fehlen des normalen Dachs.

Die normale Fahrgastzelle wurde entfernt, um Platz für ein einfaches Blech zu machen, das die gesamte hintere sowie die Beifahrerseite abdeckt und lediglich eine Ausbuchtung für den Fahrer sowie für die Plexiglashaube lässt. Die Türen wurden zugeschweißt. Ein überdimensionaler 85-Liter-Tank mit massivem Einfüllstutzen zur Druckbetankung kam an die Stelle des Beifahrersitzes. Im Sommer 1972 brach ein Rennfahrerteam zwei Weltrekorde und stellte weitere achtzehn Geschwindigkeitsrekorde für Dieselfahrzeuge auf, darunter die begehrte 10.000-Kilometer-Bestzeit. Daraus ergab sich noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Ich fühle, wie der Turbo ab 2500 Umdrehungen zu singen beginnt, so plötzlich wie dramatisch, und obwohl die Auspuffanlage kurz gehalten ist, hält sie den größten Teil des Radaus draußen. Dankenswerterweise ist das gewölbte Lenkrad weit nach vorne gezogen, sonst wäre es noch problematischer, meine Stelzen in den Fußraum zu zwängen. Man fühlt sich hier drinnen so wie von außen zu erwarten: wie in einer Zeitkapsel. In Gedanken reise ich bei meiner Testfahrt zurück in den Sommer des Geschwindigkeitsrauschs, drehe Runde um Runde auf der Steilpiste und sehe, wie die Sonne höher steigt. Vielleicht ist es ja doch wahr, dass nur Fliegen schöner ist.


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