Die frühe Geschichte dieses extrem attraktiven Alfa Romeo 6C 2500 SS liegt im Nebulösen. Aber vielleicht hat das sogar sein Gutes, findet James Elliott.
Als OCTANE diesen Alfa Romeo 6C 2500 SS Supergioiello (»Super-Juwel«) aus dem Jahr 1950 fuhr, befand er sich gerade zwischen zwei »Auftritten« in den beiden letztgenannten Tournee-Orten. Zuvor hatte er in Kalifornien den Sieg in der Nachkriegs-Touring-Klasse errungen und sich 2019 eine ehrenvolle Erwähnung beim Hampton Court Concours gesichert. Der in den USA beheimatete Italiener begeisterte bei seiner Rückkehr nach Europa, wo immer er auftauchte, und rundete seine »Saison« mit einem zweiten Platz in der Granturismo-All’Italiana-Klasse in der Villa d’Este ab, nur knapp geschlagen vom siegreichen Fiat Otto Vu Vignale von Jan de Reu.
In seiner Heimat stand er bis vor kurzem in der italienisch geprägten Sammlung des Architekten und Bauunternehmers Jonathan Segal aus San Diego. Der Sohn des nach den Olympischen Sommerspielen von 1960 in Rom (Bronze mit der britischen 4×100-Meter-Staffel) in die USA übergesiedelten Leichtathleten David Segal hat in aller Stille den städtischen Wohnungsbau in Südkalifornien revolutioniert und dafür einen ganzen Korb voller Auszeichnungen erhalten.
Von seiner derzeit 13 Fahrzeuge umfassenden Sammlung sind die Maserati noch immer die auffallendsten. Er besitzt nicht nur den A6G 2000 aus der Ex-Baillon-Kollektion, sondern auch die dazugehörige A6GCS-Spyder-Version und einen A6G Allemano. In Pebble Beach zeigte er 2021 sein Maserati A6G Zagato Coupé von 1956 – »das Auto, das ich mein ganzes Leben lang haben wollte, ich habe überall auf der Welt nach ihm gesucht«. Der Zagato schaffte es unter die drei Finalisten für den Best-of-Show-Award und wurde mit dem Strother-MacMinn-Preis für den elegantesten Sportwagen gekürt. Aber hey, wenn wir alle Trophäen aufzählen, die Segal gewonnen hat, oder seine gesamte Alfa TZ1-Sammlung, bleibt kein Platz mehr, um über diesen 6C 2500 SS zu sprechen.
Segal hat ihn vor allem deshalb gekauft, weil er einzigartig ist und seiner Meinung nach den Höhepunkt der frühen Nachkriegsproduktion von Alfa Romeo darstellt. »Er ist ein Unikat und das hat mich gereizt: extrem selten, keine Schwesterautos; das ist es, wo meine Sammlung hin muss. Außerdem ist er ein so schönes Objekt.«
Ghia kleidete insgesamt vier Coupés auf Basis des Alfa Romeo 6C 2500 ein. Den ersten erwarb Prinz Igor Trubetzkoy für seine Frau, die Kaufhauserbin Barbara Hutton, das zweite debütierte im Mai 1950 auf dem Turiner Salon und das dritte wurde im August 1950 in einer Zweitonlackierung beim Concorso d’Eleganza del Lido in Venedig enthüllt. Unser Exemplar mit Fahrgestellnummer 006425 ist das vierte Modell in dieser Reihe und war laut dem Historiker Tito Anselmi eines von drei mit einem Design des visionären Vordenkers Giovanni Michelotti.
Im Gegensatz zu den noch auf Vorkriegs-Leiterrahmenchassis basierenden drei Baureihenkollegen spendierte man ihm ein von Gilberto Colombo (Gilco, Mailand) entwickeltes Stahlrohrrahmen-Chassis und einen superkurzen Radstand von 2700 Millimetern (andere hatten 3000 oder 3250 mm). Unter der Karosserie saß ein von drei Weber-Vergasern versorgter Reihensechszylinder (daher Super Sport – SS –, die anderen hatten nur einen Vergaser). Zugelassen wurde das Unikat am 13. März 1951 auf den offiziellen Agenten der Carrozzeria Ghia in Mailand. Seine frühe Geschichte, exakt die folgenden zehn Jahre, blieben bis heute im Dunkeln. Diejenigen, die es wissen wollen, gehen davon aus, dass es sich um ein Versuchsfahrzeug handelte, mit dem Alfa die Einführung eines Rohrrahmens in Erwägung zog. Sollte das der Fall sein, wäre dieser 6C 2500 SS ein wichtiges, bisher fehlendes Glied in der Geschichte von Alfa Romeo.
Die unbekannte Schöne tauchte im Januar 1961 in einer englischen Verkaufsanzeige auf und blieb dann die 60er-Jahre hindurch im Besitz britischer Eigner aus dem Raum Bristol. Als der 6C 1995 bei der Earls-Court-Auktion von Brooks versteigert wurde, gab es Gerüchte und Spekulationen, dass der fünffache Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio ein früher Besitzer gewesen sei; er habe den Wagen 1953 als Abschiedsgeschenk von Alfa erhalten. Andere Quellen wollten wissen, dass der Wagen Adge Cutler von der Folkband »The Wurzels« gehört habe. Das ist kein Witz. Auf einigen Promo-Fotos der Band, die vor der Garage von Cutlers Bruder Roy in Somerset aufgenommen wurden, soll man im Hintergrund einen Alfa erkennen können. Ich bin mir nicht sicher …
Gesichert ist, dass ein gewisser Douglas John Cartledge den rechtsgelenkten Wagen von 1971 bis 1995 besaß, ehe er bei der Brooks-Auktion vom frisch ins Geschäft eingestiegenen österreichischen Händler Egon Zweimüller ersteigert wurde. »Alle sprachen darüber: Dieser 6C 2500 SS war offensichtlich wichtig, aber immer noch geheimnisumwittert. Ich war gerade 19 Jahre alt und wirklich begeistert, es zu erwerben«, so Zweimüller. Im Anschluss führte sein fünfköpfiges Spezialistenteam eine 5000-stündige Restaurierung durch und stellte den »vergessenen« Alfa 1997 in der Villa d’Este aus, wo er großen Anklang fand und sogar einen der Top-Preise erhielt.
Nachdem Jonathan Segal den Wagen erworben hatte, schickte er ihn zu RX Autoworks in Vancouver, Kanada. Dort ließ man sich zwei Jahre Zeit, um den Alfa nochmals rundum aufzufrischen. Als Segal sich nicht entscheiden konnte, ob er seinen neuen Erwerb wieder in sein ursprüngliches Weiß zurückversetzen oder ihn in seiner Wunschfarbe lackieren lassen sollte, pinselte das RX-Team eine Hälfte weiß und die andere im einzigartigen Ton »Johnny Bronze«, den Segal mit Nissan-Design-Farbguru Brenda Parkin entwickelt hatte.
Fotos Denis Noten // Bearbeitung Christel Flexney
Lesen Sie in OCTANE #64, wie der Alfa 6C 2500 SS mit der Ghia-Karosserie einen Preis nach dem anderen abräumte.
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