An kaum einem Mercedes wurde so lange herumentwickelt. In keinem wurden so viele verschiedene wegweisende Technologien ausprobiert – und dann wieder verworfen – wie im Mercedes C111. Um am Ende dann doch nicht in Serie zu gehen. Ausfahren konnten die meisten von uns ihn nur auf der Carrera-Bahn.
Ich erinnere mich: Mein Mercedes C111 ging extrem gut und war natürlich sehr cool, denn es gab ihn nicht in der Grundpackung. Und er war das einzige Wankelmotorfahrzeug im Carrera-Sortiment. Naja, wenn man davon absieht, dass unter den kleinen Kunststoffkarosserien ohnehin nur identische Elektromotoren werkelten, und auch fahrwerksmäßig unterschied sich mein C111 nicht von den Porsche und Ferrari meiner Freunde.
Dass Mercedes im Heck des echten C111 eine recht moderne Vierlenker-Achse eingebaut hatte, interessierte uns damals weniger. Immerhin hatte der echte C111 auch eine Kunststoff-Karosserie – genau wie mein kleiner Carrera-Renner. Aber das ist jetzt alles mehr als vierzig Jahre her und wenn es stimmt, dass die Toys der Boys mit höherem Alter nicht weniger, sondern nur teurer werden, dann war ich an diesem Donnerstagvormittag genau richtig im Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach.
Dort stand der natürlich orangefarbene – offiziell »Weißherbst« – lackierte, einzige fahrbereite Mercedes C111 für mich parat. Als wir mit der Daimler Presseabteilung den Termin für ein Fotoshooting mit der einzigartigen Preziose vereinbart hatten – Preis unschätzbar, da ein Einzelstück – waren wir davon ausgegangen, dass wir das Auto mit dem Transporter zu einem abgesperrten Straßenstück angeliefert bekämen, um es dort unter geschützten Bedingungen ein paar Kilometer vor der Linse des Fotografen zu bewegen. Zwei Tage vorher dann der Anruf: »Holt das Auto einfach in Fellbach ab, fahrt damit die Testrunde, auf der schon in den frühen 70-Jahren die Prototypen getestet wurden. Und bringt ihn am Abend zum Mercedes Museum zurück, da werden an diesem Tag ohnehin gerade die Ausstellungsfahrzeuge der C111-Sonderausstellung verladen.« So was lässt man sich nicht zweimal sagen, oder?
Von den insgesamt vierzehn Prototypen wurden drei im Entwicklungsprozess verschrottet, einer war nach einem Unfall irreparabel zerstört, neun weitere davon wurden in der erwähnten Sonderausstellung statisch präsentiert. Ein einziger – unserer – ist nach einer umfangreichen Restaurierung fahrfähig.
Wie wirkt das Auto heute, mehr als vier Jahrzehnte nach seiner Vorstellung auf der IAA 1969, auf der es einige Mercedes-Fans derart in Verzückung versetzt haben soll, dass sogar Blanko-Schecks mit Bestellungen eingingen? Immerhin gab es, seitdem der 300 SL ausgelaufen war, keinen wirklichen Sportwagen mehr aus Untertürkheim. Und das war damals auch schon mehr als zehn Jahre her. Die Flügeltüren des C111 legten nahe, dass da ein legitimer Nachfolger im Anrollen war. Und die Form des C111 war nicht nur für einen Mercedes der damaligen Zeit derartig revolutionär, dass einem fast der Atem stockte.
Text Berthold Dörrich Fotos Stefan Jahn
Lesen Sie die ganze Geschichte in der OCTANE-Edition #02 “Faszination Mercedes-Benz”