Ein Mercedes-Benz W 196 R mit Stromlinienkarosserie wurde bei einer Auktion am 1. Februar 2025 für mehr als 51 Millionen Euro versteigert. Es ist der teuerste Grand-Prix-Renner aller Zeiten – und der letzte Rekord des alten Silberpfeils.

Die Zeit nach der Weltfinanzkrise 2007 führte zu einem großen Hype um mobile Klassiker
Insgesamt vier von 14 Rennwagen der Baureihe W 196 R hat Mercedes-Benz in den 1950er-Jahren an Museen verschenkt. Der Monoposto 0003/54 ging 1957 ans Museo Nazionale Dell’Automobile in Turin, 1958 das Stromlinien-Chassis 00012/55 ans Technische Museum Wien und die zweite Stromlinie 0009/55 nach Indianapolis. Es waren alles Museen, die damals hohe Wertschätzung genossen. Der vierte Rennwagen, Chassis 0006/54, wurde 1973 dem National Motor Museum im britischen Beaulieu übergeben. Letzterer war wie das Indy-Fahrzeug ein Fangio-Wagen und wurde bereits 1980 vom Museum wieder verkauft. 2013 brachte dieser Monoposto bei einer Versteigerung knapp 30 Millionen Dollar und war damit kurzfristig der teuerste Oldtimer der Welt.
Doch es war nach der Weltfinanzkrise 2007/2008 die Zeit des großen Hypes um wertvolle Klassiker. Auf einmal wurde viel Geld in Blech statt in Papier inves¬tiert. Zweistellige Millionenpreise wurden die Regel, vor allem Ferrari-Modelle überrunde¬ten den Stuttgarter Silberpfeil deutlich. Das nahm man lange sportlich, bis 2022 eines von zwei Uhlenhaut-Coupés aus dem Werks-Museum verkauft wurde. Zum bis heute abso¬luten Rekordpreis von 135 Millionen Euro.

Wer baut das teuerste Fahrzeug der Welt?
Damals wurde als guter Zweck des Verkaufs der neue »Mercedes-Benz Fund« genannt, eine Stiftung zur Nachwuchsförderung. Doch natürlich ging es genauso darum, das teuerste Fahrzeug der Welt gebaut zu haben. Und bei der neuerlichen Auktion zum W 196 R, im selben Saal des Werks-Museums wie 2022 beim Uhlenhaut-Coupé, wurde betont, dass „Mercedes-Benz an der Spitze des Markts für Oldtimer steht“.
Dass der erzielte Preis genau die erwartete Höhe erreichte, fiel nicht nur Marktbeobachtern auf.
Wie schon 2022 war es keine öffentliche, sondern eine sogenannte Privatauktion vor geladenen Gästen. Trotzdem reicht das fürs Oldtimer-Ranking, in dem nur belegbare Ergebnisse gewertet werden. Der Ferrari 250 GTO, der 2018 angeblich für 70 Millionen Dollar privat den Besitzer wechselte, ist damit auch künftig weder der einst teuerste noch der zweitteuerste Oldtimer.
Ein Blick auf die Geschichte des Silberpfeils
Als der Mercedes-Benz W 196 R 1965 verschenkt wurde, hatte er nur 848 Kilometer Laufleistung. In seiner bis dato nur einjährigen Geschichte hatte er bereits zwei Karosserien und zwei Motoren beheimatet. Zudem wurde er von Promis wie Juan Manuel Fangio und Stirling Moss gefahren – auch das spielt auf den Fahrzeugwert ein.
Zwischen Siegen und den typischen Rennschäden im Wettbewerb
Der fünffache Formel-1-Weltmeister Fangio siegte mit dem Fahrzeug damals als Monoposto 1955 beim Großen Preis von Buenos Aires. Moss fuhr im selben Jahr mit dem auf Stromlinie umkarossierten Wagen beim GP von Italien in Monza die schnellste Runde, fiel aber im Rennen mit einem Kolbenschaden aus.
Das war damals nicht ungewöhnlich. Liest man die Rennergebnisse von 1954/55 zu den unerhört schnellen W 196ern, finden sich diverse Motorschäden, gebrochene Ölleitungen und andere Defekte. Das lag nicht nur an den unerhörten Drehzahlen (bis 9500/min), sondern auch an der »Giftbrühe« getauften Kraftstoffmischung von Esso aus Flugmotorensprit, Methyl-Alkohol, Benzol. Aceton und Nitro-Benzol. Ein so aggressiver Cocktail, dass die Benzinleitungen nach jedem Rennen – bei einem Verbrauch von 35 Liter auf 100 Kilometer – mit normalem Kraftstoff gespült werden mussten.

Die Besonderheit war aber nicht der damals verwendete Kraftstoff, sondern die Entscheidung vom Werk, für die unterschiedlichen Rennstrecken jeweils optimierte Karosserien zu bauen: eine stromlinienförmige, aerodynamische Form mit umschlossenen Rädern, um das Fahrzeug für Highspeed-Kurse wie Reims und Monza zu optimieren. Und eine offene Karosserie mit freistehenden Rädern, die ideal für kurvenreichere Strecken war. Obwohl die ersten Stromlinien-Modelle schon 1954 beim GP von Frankreich ihr Debüt gaben, tauchte Chassis 0009/55 zuerst als Monoposto beim GP von Buenos Aires im Januar 1955 auf. Ein formelfreies Rennen, bei dem statt des 2,5- ein 3,0-Liter-Motor zum Einsatz kam, der später im SLR berühmt wurde – ein Motorentest, der mit dem Sieg von Juan Manuel Fangio auf hei¬mischem Boden glorreich endete.
Erneuter Einsatz auf dem GP Italien in Monza
Erst zum GP Italien in Monza wurde der 0009/55 erneut eingesetzt. Zurückgerüstet auf den wettbewerbskonformen 2,5-Liter-Motor und auf eine Stromlinienkarosserie umgerüstet, die auf der neuen Hochgeschwindigkeitspiste mit ihren Steilkurven mehr Aussicht auf Erfolg versprach. Die Karosserie wurde im Windkanal der TH Stuttgart entwickelt und in Magnesiumblech – aus Aluminium war nur das erste Chassis – ausgeführt, traditionell über Hartholz geklopft. Zur leichteren und schnelleren Arbeit wurden größere Blechpartien mit dem Schweißbrenner erhitzt, wie historische Fotos belegen. Angesichts der Brennbarkeit von Magnesium ein fast tollkühnes Unterfangen. Als Design-Zitat wurden die Finnen über den vorderen Radausschnitten vom SL übernommen.
So gerüstet trat Chassis 0009/55 mit Stirling Moss am Steuer gegen einen Stromlinien-Wagen mit Fangio und einen Werks Monoposto mit Piero Taruffi am Steuer an. Fangio siegte zum dritten Mal in der 55er-Saison und sicherte sich damit seine zweite Weltmeisterschaft. Moss fuhr zwar die schnellste Runde des Rennens mit einem Schnitt von 215,7 km/h und hatte sich zuvor auch die Pole Position gesichert, schied aber durch technischen Defekt im Rennen aus. Trotzdem hatte er bereits genug Punkte für seine erste Vize-Weltmeisterschaft gesammelt. Danach wurde der Wagen mit der originalen Monza-Lackierung konserviert und eingelagert, bis er als Schenkung nach Indianapolis kam. Dort wurde er 60 Jahre ausgestellt, gepflegt und bewundert.
Der Silberpfeil konnte für sich große Rennerfolge verbuchen
Ende 1955 hatte der W 196 R seine Aufgabe erfüllt: In zwei Saisons waren der Modellfamilie, zu der auch die zweisitzige Rennsportwagen-Variante 300 SLR (W 196 S) gehörte, drei Meisterschaften in zwei Rennserien gelungen. Bei zwölf Einsätzen in der Formel 1 hatte das Rennauto volle neunmal gewonnen, dazu kamen zwei Siege bei nicht zur WM zählenden Wettbewerben – insgesamt also elf Siege bei 14 Starts. Von total 14 W 196-Modellen haben zehn komplett überlebt (sechs Monoposto, vier Stromlinien): sechs bei Mercedes, zwei in ausländischen Museen und zwei in Privatbesitz – einer davon mit Stromlinienkarosserie und exquisiter Rennhistorie, die ihn zu einer ganz besonderen Ikone des Motorsports macht. Und zu einer besonders teuren.






Das ganze Portrait über den Silberpfeil lesen Sie in OCTANE #76
10 spannende Fakten über den Silberpfeil W 196 R
- Comeback der Extraklasse: Mit dem W 196 R kehrte Mercedes-Benz 1954 nach 15 Jahren Pause in die Formel 1 zurück – und das mit einem Knall: Gleich im ersten Rennen (Reims-GP) gab es einen Doppelsieg.
- Zwei Karosserievarianten: Der W 196 R wurde mit Stromlinien-Karosserie für Hochgeschwindigkeitsstrecken und mit offenen Rädern (Monoposto) für kurvige Strecken gebaut. Beide Versionen waren revolutionär.
- Juan Manuel Fangio fuhr ihn zur WM: Der argentinische Ausnahmefahrer gewann 1954 und 1955 die Weltmeisterschaft mit dem W 196 R – und krönte damit seine Karriere mit zwei legendären Titeln.
- Hightech der 50er: Der Reihenvierzylinder war passé – stattdessen setzte Mercedes auf einen 2,5-Liter-Reihenachtzylinder mit Direkteinspritzung, abgeleitet vom Flugmotor DB 601 aus dem Zweiten Weltkrieg.
- Ein Novum: liegender Motor. Der Motor ist schräg eingebaut – fast liegend – um den Schwerpunkt zu senken und die Stirnfläche zu reduzieren. Ein Trick, der damals seiner Zeit weit voraus war.
- Innovative Federung: Statt der typischen Starrachse bekam der W 196 R eine Einzelradaufhängung mit Querblattfedern hinten, was das Fahrverhalten deutlich verbesserte.
- Silber statt Weiß: Ursprünglich waren deutsche Rennwagen weiß. Der Mythos sagt: Man schliff 1934 beim Vorgänger W 25 die weiße Farbe ab, um Gewicht zu sparen – zurück blieb blankes Aluminium. Das war die Geburt des Silberpfeils.
- Über 300 km/h Spitze: Auf schnellen Kursen wie Monza erreichte der W 196 R mit Stromlinienkarosserie Geschwindigkeiten über 300 km/h – in einer Zeit ohne Sicherheitsgurte oder Crashzonen.
- Nur 14 Exemplare gebaut: Der W 196 R wurde in sehr kleiner Stückzahl produziert – nur 14 Stück, von denen heute nur wenige erhalten sind. Sie sind unbezahlbare Sammlerstücke.
- Kultstatus für alle Zeiten: Obwohl er nur zwei Jahre im Einsatz war, gilt der W 196 R als einer der wichtigsten Grand-Prix-Wagen aller Zeiten – ein Symbol für technische Brillanz, sportlichen Erfolg und ikonisches Design.
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