Mercedes-Benz stellte Anfang 2018 die neu konzipierte G-Klasse vor. Ein guter Grund, seinen Urahnen, den Mercedes-Benz G230 unter die Lupe zu nehmen.
Der Unterschied hätte größer kaum sein können. Bevor ich mit dem Mercedes-Benz G230 von 1982 mit 90 PS starkem 2,3-Liter- Motor losfuhr, hatte ich im brandneuen und monströs leistungsstarken AMG G63 mit 585 PS gesessen. Der sowohl auf der Straße als auch abseits davon zu Paradestücken imstande ist. Was aber die Fähigkeiten des Originals nicht schmälern soll. Das originale G-Modell war kein SUV, denn so etwas gab es damals noch nicht. Er war einfach nur ein Geländewagen, dessen Entstehung und Weiterentwicklung aber bemerkenswert waren.
Bei dem 2018er-Modell handelt es sich um die erste komplette Neuentwicklung seit der Einführung der G-Klasse 1979. Vom »Ur-G« blieb der Leiterrahmen erhalten, jedoch mit um 55 Prozent gestiegener Verwindungssteifigkeit. Aber der G ist jetzt das einzige straßenzugelassene Serien- fahrzeug mit drei Differenzialsperren und Untersetzungsgetriebe. Die Wattiefe des neuen G wurde um zehn auf 70 Zentimeter erhöht, und er bewältigt Steigungen bis 45 Grad. Die Unbekümmertheit im Gelände, sei es auf felsigem, sandigem oder eisigem Untergrund, spielt also auch beim neuen Offroader eine zentrale Rolle. Auch macht der neue G Dinge, zu denen unser Mercedes-Benz G230 von 1982 nicht fähig wäre, aber das sind vorwiegend Sachen, für die der alte nicht konzipiert wurde, wie beispielsweise bei 200 km/h sanft und leise über die Autobahn zu preschen: Wer die echte Herausforderung sucht, greift zum Original-G.
Der hat seinen Ursprung in einem in den frühen 1970er-Jahren initiierten Projekt. Damals hatte eine Marktstudie einen Anstieg in der Nachfrage nach allradgetriebenen privaten Nutzfahrzeugen prognostiziert. Mercedes-Benz konnte auf diesem Gebiet mit dem dreiachsigen Geländewagen G4 aus den Vorkriegsjahren und größeren, robusteren Geländefahrzeugen, die zur Entwicklung des kommerzielleren Unimogs führten, bereits eine gewisse Historie vorweisen. Und trotzdem hielten die Stuttgarter damals Ausschau nach einem Entwicklungspartner für das neue Fahrzeug. Sie fanden ihn bei Steyr-Daimler-Puch in Graz. Die Österreicher hatten mit dem kompakten Haflinger ebenfalls bereits Erfahrung im Offroadsegment gesammelt und verfügten zudem mit Hans Ledwinka und Ferdinand Porsche über zwei hochkarätige Ingenieure.
Anfang 1977 gründeten Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch ein Joint-Venture, die Geländefahrzeug Gesellschaft mbH (GfG). Als Folge wurden die Produktionskapazitäten in Graz ausgebaut, und es entstanden erste Pläne für den Geländewagen W460, einem Auto, das auf der Straße genauso zu Hause sein sollte wie im Gelände.
Die GfG erkor den Range Rover zu ihrem größten Konkurrenten, aber der Wagen sollte auch einfach herzustellen sein – um einen Zusammenbau außerhalb des Werks zu ermöglichen – und die Robustheit und Reparaturfreundlichkeit besitzen, die für den militärischen Einsatz notwendig waren. Der bedeutendste Interessent für ein solches Auto war Mohammad Reza Pahlavi, der als Schah von Persien einen nicht unerheblichen Teil der Daimler-Benz-Aktien besaß. Außerdem zählte man in Graz auf die deutsche Bundeswehr als Großabnehmer.
Text Glen Waddington Fotos Dieter Rebmann