Ein halbes Jahrhundert ist der Rennsportfilm »Le Mans« als. Hauptdarsteller und Co- Produzent: Steve McQueen. Die Produktion war chaotisch, der Erfolg mäßig, der Kult- faktor – hoch. Der Wiener Erich Glavitza war als Stuntman dabei und erinnert sich ...
Steve McQueens legendärer Auto-Renn-Opus »24 Stunden von Le Mans« polarisiert bis heute. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Schwerpunkt aber deutlich in Richtung positiver Rezension bewegt. Das war vorher nicht der Fall. Das Schafott war schon während der Premiere in den angesehenen Kinos in Hollywood gefallen: Nachdem eine der berühmtesten US-Filmkritikerinnen vorzeitig die Premiere verlassen hatte und in ihrem Feuilleton schrieb: »Zwei Stunden Lärm, Kopfweh und lächerliche elf gesprochene ‚Lines‘ – das tue ich mir nicht an!«, war der Streifen so gut wie tot. Wahrscheinlich war aber das nicht der einzige Grund, warum McQueens Film so gnadenlos durchgefallen war. Es war auch der Zeitgeist, der zugeschlagen hatte.
Autorennen hatte damals sogar die Fußballer hinter die Outlinie gerückt. Es war die Generation »Anything goes« (Zitat Feyerabend gegen den Methodenzwang), die sich einen Dreck um das Brave, Anständige und Folgsame scherte. Der US-Schauspieler Steve McQueen war in den Sechzigern der zweite Rebell nach Marlon Brando, der sich gegen die etablierten Riten quergelegt hatte. Nach »Thomas Crown« und »Bullitt« war seine Hausmacht in Hollywood »skyhigh« – im Klartext: Er hatte volle Narrenfreiheit.
Er konnte machen was er wollte! Wie bei allen verrückten Machos der Sechziger steckte die Nadel »Benzin und Vollgas« auch bei ihm tief in den Venen. In Los Angeles und Umgebung hatte er den Ruf des »Wilden auf seiner Maschine«. Nahezu jedes Wochenende störte er mit seiner das Trommelfell zerfetzenden Husky-Motocross-Maschine die Sonntagsruhe seiner Nachbarn. Nach dem »Bullitt«-Erfolg genoss er in Filmkreisen nahezu Gott-Status. Die wichtigsten Financiers der Branche signalisierten, auch seine abwegigsten Drehbuchideen zu unterstützen.
Es folgte der Ankauf eines Porsche 908 und vor allem, und das war wahrscheinlich das Ausschlaggebende an der Realisierung des Films, die Bekanntschaft mit Ferdinand Piëch. Der wiederum sah in dem Paket Le Mans mit Supersuperstar Steve McQueen eine Unterstützung in der problematischen Finanzierung des 917er-Projekts. Man darf nicht vergessen dass, gegen Piech im eigenen Haus nicht Gegenwind, sondern ein Gegentornado tobte. Sogar Ferry Porsche höchstpersönlich intervenierte bei seiner Schwester Louise (damals Chefin von Porsche Salzburg), sie möge ihren Herrn Sohn »zurückpfeifen«, sonst drohe die Insolvenz. Aber das ist auch eine andere Geschichte.
Als McQueen anlässlich eines Besuchs im Porsche-Werk in Stuttgart von seinen Filmplänen berichtete, zeigte sich auf Piëchs Gesicht ein breites Strahlen – Steve benötigte kein gesprochenes Ja-Wort mehr vom obersten Porsche- Chef, sondern wusste, dass seine Idee »gebongt« war. Obwohl die üblich Verdächtigen der Hollywood- Finanzwelt mit Autorennen wenig bis nichts anzufangen wussten willigten sie ein. Steve war für sie ein »Rotzbub«, dessen Ideen grundsätzlich dem Zeitgeist entsprachen und vor allem jüngere Zielgruppen erreichten und somit neue Märkte öffneten. Steve MvcQueen nützte seine Starrolle geschickt aus und verhandelte Verträge für seine »Solar«- Filmproduktionsgesellschaft in Bezug auf Gewinnbeteiligungen, natürlich bei Risikominimierung.
Zurück in Hollywood scharte er seine alten Kumpane um sich: Robert Relyea (Produzent), Jack Reddish (Special Effect Regisseur und früherer US-Skiabfahrtsrennfahrer), John Sturges (Regisseur »Die glorreichen Sieben« u. a.) und Ken Purdy (Schriftsteller und Autor »All but my Life«).Als Chef der Produktion erinnerte er sich des gebürtigen Hamburgers Hubert Fröhlich, der sich schon bei »Gesprengte Ketten« mit McQueen als Motorradspringer bestens bewährt hatte. Nun folgt die Querverbindung zu mir: Ich hatte unter Huberts strengem Kommando bei »007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät« Autos gecrasht und seinen hohen Ansprüchen bezüglich Pünktlichkeit und »nicht zurückreden und blöde Fragen stellen« entsprochen und deshalb fragte er mich im Sommer 1969: »Est ́reicha, haste Zeit?«
Ich hatte naturgemäß und siedelte ab Frühsommer an die Sarthe. Während des »echten« 24-Stunden-Rennens 1970 standen wir an den Boxen von McQueens eigenem 908er, der vom deutschen Porsche-Urgestein Herbert Linge und dem jungen Briten »Babyface« Jonathan Williams als Kamerawagen gefahren wurde. Damit wurden vorab Rennaufnahmen für den späteren Film gemacht.
Es war eine merkwürdige Atmosphäre – und während dieses Nichtstuns begannen die Franzosen einen durch- aus entbehrlichen Streik: Die Gewerkschaft forderte eine französische Kameracrew! Das ganze Projekt stand kurz vor dem Zusammenbruch. Dazu kam noch die Tatsache, dass sich Steve beharrlich weigerte, ein »Drehbuch« zu akzeptieren. Während einer gemeinsamen Fahrt in seinem 911er hinaus zum Mulsanne-Eck (Rechtsknick nach der langen Hunaudières-Geraden), sagt er mir, dass er mit diesem Projekt »the real thing« machen wollte.
Mittlerweile war zwischen McQueen und John Sturges klirrende Eiszeit ausgebrochen. Die Warterei nervte den Erfolgsregisseur. Sturges wollte ein klar strukturiertes Drehbuch, mit Story, Plots, Emotionen, Dialogen, Liebe, Küsse … eben volles Programm für einen erfolgreichen Film. Der dafür engagierte Autor Ken Purdy hatte zwar ein Drehbuch, das lehnte jedoch Steve McQueen brüsk ab. Purdy hatte in Anlehnung an die farbige Geschichte des Multimilliardärs und Rennfahrers Alfonso Antonio Vicente (es fehlen noch zwölf Vornamen) de Portago und der verrückten US-Schauspielerin Linda Christian eine Filmstory geschrieben.
Das alles wollte Purdy in die Filmstory packen. Steve legte sich sofort quer – und als »Überdrüberstar« ging ohne seine Einwilligung nichts. Im Gegenteil, manchmal hatte er diese Rolle nicht nur übertrieben. Als einer sei- ner ständig um ihn schwirrenden Gehilfen einmal nicht gezählte fünfzig Ray Ban-Brillen parat hatte war er seinen Job los. Dann kam der erste Blitzschlag: John Sturges hatte genug von McQueens Allüren und noch immer fehlendem Script, knallte einen 100.000 Dollar Scheck auf Fröhlichs Schreibtisch und ging …
Text Erich Glavitza // Fotos Don Nunley/Dalton Watson Fine Books, Porsche AG, Lion André de Lourmel/GPO, E. Glavitza, TAG Heuer
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