Klassiker

LANCIA TRIFFT ZAGATO

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Dieser von Zagato eingekleidete Lancia Flaminia Sport Zagato hatte von 1963 bis 2018 denselben Besitzer. OCTANE traf den Mann, der ihn besaß, Rennen mit ihm fuhr, ihn liebte und – misshandelte.

Wenn heute jemand ein brandneues Supercar kauft, passiert es nur allzu oft, dass er es abholt, nach Hause fährt, das Batterieladegerät anschließt und es stehen lässt, bis er es wieder verkauft mit Auslieferungskilometerstand und natürlich mit Gewinn. Der amerikanische Sammler Jim Glickenhaus, ein Mann, der seine Autos liebend gern fährt, beschreibt dieses Verhalten mit den Worten: »Mit der schönsten Frau der Welt liiert sein, aber nicht mit ihr schlafen, um ihren künftigen Ehemann glücklicher zu machen.«

In den 1960er-Jahren war Lebenslust noch anders definiert und weit weniger von dem Wunsch geprägt, aus einem Hobby Kapital zu schlagen. Damals nahmen viele GT-Besitzer lange und herausfordernde Reisen über Kontinente hinweg auf sich, um ihr Leben mit Vollgas auszukosten. Für sie waren Autos dazu da, gefahren zu werden, natürlich auch im Renneinsatz.

Wenn man genau hinsieht erkennt man das typische Zagato-Dach mit zwei Wölbungen.

Toly Aruntunoff – mit vollem Namen Anatoly Armaisevich Aruntunoff – ist ein Paradebeispiel für diese Lebenseinstellung. Er wurde als Erster seiner aus Russland stammenden Familie in den USA geboren, in Tulsa (Oklahoma). Schon 1957, als er während einer Reise nach Italien bei der letzten Mille Miglia assistierte, verliebte er sich in Autos und den Motorsport, und da war er gerade mal 20. Er fuhr Rennen und erzielte Geschwindigkeitsrekorde mit einer ganzen Reihe von Autos, darunter Ferrari, Cooper-MG, Abarth, ein Bristol 407 Zagato, eine Corvette, ein Porsche 356 Carrera Speedster und ein Lancia Stratos. Er war sogar einer der wenigen, die mit einem Lamborghini Miura Rennen fuhren.

Anfang 1963 bestellte der 26-jährige Aruntunoff beim amerikanischen Importeur und Lancia-Händler Max Hoffman einen Lancia Flaminia 2.5 Sport 3C Zagato – Chassisnummer 824.13.3731. Der Wagen war in Graumetallic lackiert und hatte ein rot-schwarzes Interieur. Aber was genau hatte er gekauft? Die Flaminia- Limousine, 1956 auf dem Turiner Autosalon als Prototyp vorgestellt, wurde in den Jahren danach durch drei Coupé-Varianten ergänzt – ein Umstand, der die Modellreihe zu einer der weni- gen macht, bei denen die Coupé-Verkäufe den Absatz von Limousinen übertrafen. Die Coupés gab es am Anfang mit einem 2,5-Liter-V6-Motor, den Ende 1963 eine 2,8-Liter-Version ablöste.

Der GT wirkt nicht unbedingt wie ein Rennwagen, aber genauso wurde er einige Jahre lang eingesetzt.

1963 meldete Aruntunoff seine Flaminia Sport für das Ende März stattfindende 12-Stunden-Rennen von Sebring. Der Wagen trug die Farben des Auto Racing Club of Oklahoma und erzielte im Qualifying verblüffende Ergebnisse: Er war ganze 30 Sekunden schneller als die Ferrari GT und die Corvette, konnte aber wegen eines Verteilerdefekts am Rennen selbst nicht teilnehmen. Aber wie konnte der Lancia so schnell sein? Aruntunoff glaubt die Antwort zu kennen: »Ich denke, dass dieses verblüffende Resultat durch einen Ablesefehler der Zeitnehmer zustande kam. Wahrscheinlich haben sie den 30-Sekunden-Zeiger der Stoppuhr für den 60-Sekunden-Zeiger gehalten.«

Volle 55 Jahre lang war der Lancia in erster Hand und wurde bei Rennen und später bei Concours eingesetzt.

Mit ihrer Leichtfüßigkeit und der guten Federung ist die Flaminia noch immer ein beeindruckender Straßenwagen. Die Lenkung gibt gutes Feedback und die durch die hervorragende Gewichtsverteilung bedingte exzellente Balance ist in jeder Kurve spürbar. »Die Lackfarbe ist sehr nah am Originalton«, sagt Aruntunoff. Ursprünglich war es ein sehr helles Graumetallic, dann war der Wagen weiß mit blauen Schwellern, dann rot, dann dunkelgrau und nun ist es wieder dieses hellere Grau.

Und dann ist da noch dieses kleine Loch im Boden hinter dem Fahrersitz. Aus gutem Grund: In den bis zu 40 Grad heißen Sommern in Oklahoma fielen die mit Teer festgehaltenen hölzernen Dichtungsstücke unter dem Armaturenbrett heraus. Die Mechaniker beim Händler warfen sie einfach weg, und so gelangte bei Regen Wasser ins Cockpit. »Ich wollte immer neue Dichtungsstücke einbauen, aber mittlerweile habe ich ein Loch gebohrt, durch das das Wasser abfließen kann. Es funktioniert gut bis zu einer gewissen Geschwindigkeit, aber dann dringt Wasser ein und macht meinen Allerwertesten nass«, lacht Aruntunoff.

Beim Amelia Island Concours 2007 gewann Aruntunoff die »Chairman’s Trophy«, weil er den Wagen von Oklahoma bis zur Show selbst gefahren hatte. Die Fahrt weckte Erinnerungen an vergangene Renntage: »Diese Zeiten sind lange vorbei«, sagt er. »Heutzutage kann man nicht einfach einen Mazda Miata (MX-5) kaufen und damit ohne Modifikationen an Rennen in Europa neben den ganz Großen teilnehmen. Damals ging das. Es war so, als würde man einen Baseballhandschuh kaufen und bei den New York Yankees mitspielen.« Ja, und wahrscheinlich sind nicht nur die Autos anders, sondern auch der Sportsgeist und der Humor der Fahrer.

Text Massimo Delbò // Fotos Thomas Macabelli // Bearbeitung Christel Flexney

Lesen Sie in OCTANE #51 die großartige Geschichte des Lancia Flaminia Sport Zagato.

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