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Jaguar XJR-15: Ein bahnbrechendes britisches Hypercar

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Als Flaggschiff der XJ-Serie verbindet der XJR die klassische Ästhetik und handwerkliche Qualität von Jaguar mit modernster Technologie und kraftvoller Motorisierung. Der Prototyp des Fahrzeugs basiert auf dem Rennsport-Prototypen XJR-9. Der XJR-15 wurde ursprünglich nur für die Rennstrecke gebaut – später wurden aber noch einmal 20 Fahrzeuge mit Straßenzulassung gefertigt.  

Wie aus einem reinen Rennfahrzeug ein Hypersportwagen wurde

Das Projekt XJR-15 geht auf den Schotten Tom Walkinshaw, Chef und Gründer von TWR zurück, der mit einem Jaguar 1984 Tourenwagen-Europameister sowie als Teamboss Le-Mans-Sieger von 1988 wurde. Auf Basis des von Tony Southgate entworfenen XJR-9 und unter Ausnutzung der öffentlichen Euphorie rund um sein Team schmiedete er den Plan, einen eigenen Hypersportwagen zu bauen.

Die ursprüngliche Idee, vom XJR-9 eine Straßenversion abzuleiten, stammte von Peter Stevens, der kurz darauf auch den McLaren F1 zeichnen sollte. Der zuvor für Lotus tätige Freelancer wollte beim XJR-15 so viele Rennwagen-Gene wie möglich ins Straßenauto herüberretten. Allen voran das Kohlefaser/Kevlar-Chassis, eine Premiere für einen, wenn auch in kleiner Serie gebauten Straßensportwagen.

Das Ergebnis: Der Jaguar XJR-15 ist etwas höher mit einem kürzeren Radstand. Doch das Herz ist ein von 7,0 auf 6,0 Liter verkleinerter und auf 450 PS gedrosselter V12-Sauger mit Trockensumpfschmierung, Kurbelwelle und Pleuel von Cosworth aus geschmiedetem Stahl sowie Aluminiumkolben. Damit war der Jaguar bestens gerüstet für High-Performance-Einsätze.

Die Vermarktung erfolgte ausschließlich über die JaguarSport Intercontinental Challenge

Jaguar hatte 1991 andere Präferenzen als die Vermarktung des Jaguar XJR-15. Daher wurde der immerhin 450.000 Pfund teure und in einem eigenen Werk in Bloxham (Oxfordshire) beim Joint Venture JaguarSport gebaute XJR-15 ausschließlich über die JaguarSport Intercontinental Challenge vermarktet. Dabei handelt es sich um einen Wettbewerb mit drei Rennen, der das ganze Jahr über als Begleitveranstaltung zum Formel-1-Grand-Prix 1991 in Monaco, Silverstone und Spa-Francorchamps ausgetragen wird.

Bei jeder Veranstaltung waren 16 nach Rennspezifikationen gebaute Autos gemeldet. Der Gewinner des dritten und letzten Rennens, Armin Hahne, wurde mit einem Geldpreis von 1 Million US-Dollar ausgezeichnet.

Die meisten XJR-15-Besitzer, die an der Intercontinental Challenge teilnehmen wollten, mussten fast eine Million US-Dollar für ihre Autos ausgeben und bekamen professionelle Fahrer, die die Autos fuhren. Die Vorbereitung und Wartung durch Jaguar Sport war im Kaufpreis der Rennwagen enthalten.

In der öffentlichen Wahrnehmung war der XJR-15 damit als Rennwagen etabliert.

Fotoshooting eines der „road cars“ für das Octane Magazin

Für das aktuelle Octane Magazin durfte Chassis 21 posieren, das 1991 im Neuzustand nach Japan geliefert und im „Car Graphic“ Magazin in einem Atemzug mit dem Ferrari F40 und dem Jaguar XJ220 genannt wurde. Das Auto kam 2014 nach Großbritannien zurück und wurde ab 2017 von einem Markenexperten ein Jahr lang umfassend aufgefrischt. Nachdem dieser XJR-15 von JLR Classic gründlich überprüft und neu zugelassen worden war, wurde er kurzzeitig eingelagert, ehe er nach einem kompletten Service und mit einem Jahr Garantie neu zum Verkauf ausgeschrieben wurde.

Der Jaguar XJR-15 hat optisch etwas von einem Flieger – mit der kuppelartigen Cockpitkanzel, die in ein lang gestrecktes Heck mit dezentem Heckspoiler übergeht. In der Seitenansicht fällt die sanft geschwungene und fließende Schulterlinie ins Auge.

Der etwas schwierige Einstieg in den XJR-15 lohnt sich

Wer ins Cockpit des Jaguar XJR-15 gelangen möchte, muss zunächst kleinere Hürden überwinden. Um den Sitz zu erreichen, muss man nach dem Öffnen der konventionell angeschlagenen Tür über den Schweller aus Carbon steigen.

Hat man das geschafft, findet man sich in einem Kokon aus nacktem Kohlefasergewebe wieder. Nur die Oberseite des Instrumentenbretts ist mit grauem Leder bezogen. Die Fahrposition ist nicht zentral, fühlt sich aber ein wenig so an, weil der Fahrer leicht zur Mitte hin versetzt sitzt. Dadurch sitzen Fahrer und Beifahrer auch sehr eng beieinander.

Der XJR-15 erreicht weit über 240 km/h Spitze

Das Anlassen des XJR-15 ist einfach: Die vier Kippschalter für Zündung, Einspritzung, Benzinpumpen und Anlasser der Reihe nach drücken, 20 Prozent Gas geben, und schon springt er an. Man erwartet, dass der XJR-15 aus dem Stillstand brutal anzieht. Allerdings baut sich nur allmählich Geschwindigkeit auf und erst nach ein paar Runden und auf einer langen Gerade bringt es der Jaguar XJR-15 weit über 240 km/h.

In Kurven spürt man am deutlichsten, wo der XJR-15 an seine Grenzen stößt. Das Taumeln beim starken Bremsen und die Gewichtsverlagerung sind Beweise dafür, dass fast 1/3 des Gesamtgewichts auf den im Heck sitzenden Motor entfällt.

Ist der Jaguar XJR-15 nun ein Rennwagen, oder ein Straßenfahrzeug?

Mit dem beeindruckenden Motor, und dem Carbon-Mantel liegt der JaguarSport XJR-15 fast schon beunruhigend flach in den Kurven. Auch der Abrollkomfort ist bewusst etwas softer als in der puren Rennversion. Fast könnte man also meinen, dass es sich doch eher um ein Straßen- als um ein Rennauto handelt. Aber dazu passt nicht die Pedalbox mit dem Bremspedal, dessen rechte Seite abgefräst wurde. Vermutlich, um das Schalten mit »Spitze-Hacke«-Technik zu erleichtern. Dann ist da noch die Belüftung, oder das Fehlen einer solchen.

Schlussendlich muss auch das Dreispeichenlenkrad von Nardi erwähnt werden, das beim Anschauen, Fühlen und Bedienen den Eindruck von Rennwagenflair weiter verstärkt.

Erstes Straßenauto mit Carbonchassis und -karosserie, unmittelbares Le-Mans-Pedigree, bei 7000 Umdrehungen pro Minute noch kein roter Bereich auf dem Drehzahlmesser in Sicht. Fazit:  Dieses Auto ist ein Rennwagen.

Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Octane-Magazin mehr über den nachhaltigen Eindruck, den der Jaguar XJR-15 bei seiner Fahrt hinterlassen konnte und über die Frage: Kann es der XJR-15 eigentlich auch mit einem F1 von McLaren aufnehmen?

10 spannende Fakten über den Jaguar XJR-15

  1. Das Auto wurde von Jaguar Sport entwickelt, einem Joint Venture zwischen Jaguar und dem Rennwagenbauer Tom Walkinshaw Racing (TWR).
  2. Es gibt insgesamt nur 49 Exemplare des Jaguar XJR-15. Geplant waren ursprünglich lediglich 20Fahrzeuge. Es kamen dann noch einmal 30 Fahrzeuge mit Straßenzulassung dazu.
  3. Der XJR-15 war das erste straßenzugelassene Fahrzeuge mit einer vollständig aus Kohlefaser und Kevlar gefertigten Karosserie.
  4. 1991 wurde der Wagen für 500.000 britische Pfund verkauft.
  5. Der Jaguar XJR-15 bringt es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h.
  6. Dank seiner leichten Bauweise wiegt der XJR-15 nur etwa 1.050 kg.
  7. Beim Getriebe hatten Kunden die Wahl zwischen einem synchronisierten Fünfganggetriebe oder einer unsynchronisierten Sechsgang-Box von Hewland.
  8. RM Sotheby’s hat am 4. März 2023 in Florida einen XJR-15 mit der Chassisnummer 42 versteigert. Das Auto wurde für 1,2 Millionen Euro verkauft.
  9. Am Ende der Produktion des XJR-15 produzierte TWR in Zusammenarbeit mit dem britischen Automobilunternehmen XK Engineering eine begrenzte Auflage leistungsstärkerer Varianten mit der Bezeichnung XJR-15 LM für einen japanischen Kunden.
  10. Über die LM-Variante ist aufgrund fehlender Aufzeichnungen nur sehr wenig bekannt, obwohl es Fotos gibt, die darauf schließen lassen, dass mindestens fünf Autos produziert wurden (drei in Dunkelgrün, eines in Weiß und eines in demselben Blau wie das Standardauto).
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