E-Type und 911: Sie sind so unterschiedlich und haben doch jeder für sich die größten Fanlager der Klassikerszene im Rücken. Unsere Autoren vergleichen das Design, die Konzepte und das Fahrerlebnis: Wer setzt sich am Ende die Krone auf?
Niemand hat den Porsche 911 jemals im engeren Sinne als »schön« beschrieben. Doch scheint es, als wäre er für immer ein Quell der Freude, wie es schöne Dinge so an sich haben. Das Ende der Produktion ist nicht annährend in Sicht, im Gegenteil eignet sich der Originalentwurf für eine kontinuierliche Evolution – Beleg für konzeptionelle Exzellenz.
Der Jaguar E-Type hingegen wurde mehr als einmal als das schönste jemals auf die Räder gestellte Auto gepriesen. Unter anderem von keinem Geringeren als Enzo Ferrari, der nie selbst Designer war und für den bekanntlich mechanische Schönheit vor allem anderen stand. Ein E-Type Roadster steht sogar in der permanenten Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art. Derweil gibt es Wartelisten für den jüngsten 911 der Serie »992«. Im Vergleich selbst zu Porsches aus seiner Ära wirkt der Jaguar wie eine Antiquität, ein King’s Road Triumphwagen der 60er-Jahre, für Männer mit Schlaghosen und Frauen ohne BH. Und doch hat seine betörende Schönheit jeden danach amtierenden Jaguar Designer verfolgt, ohne dass einer von ihnen jemals auch nur annährend dem Meisterwerk nahegekommen wäre. Ich schätze, dass es für den aktuellen F-TYPE keine Wartelisten gibt. Stephen Bailey
Der E-Type war mehr als nur eine betörend schöne Modeerscheinung. Sondern vielmehr das Baby eines Teams talentierter Männer, die nicht weniger als den besten britischen Sportwagen bauen wollten. Man muss nicht viel geben auf Schmähungen, die von einem unausgegorenen Fahrwerk mit nur hübsch kaschierter Starrachse sprachen. Der E-Type war keineswegs ein Blender, sondern technisch durchaus wegweisend.
Der anfängliche Einfluss des 911 mag zunächst weniger augenfällig gewesen sein. Doch war er in Wirklichkeit größer. Jeder Hersteller, der einen Oberklasse-Sportwagen bauen wollte, nahm schon bald den 911 als Richtmarke. Doch während viele dieser Konkurrenten kamen und wie- der gingen – inklusive des E-Type – hat sich der 911 immer evolutionär weiterentwickelt. Er bleibt relevant, sei es im Originalformat (kompakt, leicht, praktisch und auch aufregend) oder als Neuwagen. Dank eines Stylings, einer Technik und eines technologischen Ethos mit linearer Verbindung bis ins Jahr 1963. Nur sitzt heute kein luftgekühlter Zweiliter mit minimal 110 PS mehr im Heck, sondern ein Dreiliter-Sechszylinder mit Wasserkühlung, Bi-Turbo-Anlage und 385 PS. In der Basis wohlgemerkt. Keine Welt entfernt vom Technologieträger 959 aus dem Jahr 1986.
Wenn der E-Type den vorlauten Schmollmund und die Prahlerei von Mick Jagger verkörpert, so steht der 911 für die Musik von Paul McCartney: wohlüberlegt, durchkomponiert, mehr Genie als Showman. Inwieweit das den 911 zu einem besseren Auto macht, ist eine andere Frage. Sicher auch abhängig von der Art, wie sich beide bewegen lassen. Was uns nun Robert Coucher hoffentlich genauer erklären wird.
Text: Stephen Bailey, Glen Waddington, Robert Croucher; Bearbeitung: Thomas Imhof
Fotos: Tim Andrew