Der Ford Mustang war in Amerika ein Riesenerfolg, anderswo weniger. Deshalb beschloss ein Italiener, sich ein ganz individuelles Pony Car bauen zu lassen.
Als Ford 1964 den Mustang auf den Markt brachte, war Amerika aus dem Häuschen. In den ersten zwölf Monaten nach seiner Markteinführung übertraf der neue Sportwagen alle Verkaufsprognosen – aus geschätzten 100.000 wurden am Ende mehr als 400.000 Exemplare. Das ist umso erstaunlicher, als die Männer hinter dem Mustang, der Projektleiter Lee Iacocca und der Ingenieur Donald N. Frey, den Wagen innerhalb von nur 18 Monaten von der Idee bis zur Verwirklichung brachten.
Da die amerikanischen Straßen von wendigen, kompakten Sportwagen aus Europa überschwemmt wurden, sah Iacocca die Zeit gekommen, als großer amerikanischer Hersteller in diesen Markt einzusteigen. Der Mustang war für US-Verhältnisse klein, sah sexy und sportlich aus und verfügte dank seines 4,7-Liter-V8 über eine enorme Leistung – wobei ein Teil des Marketings darin bestand, viele Optionen anzubieten: von der Farbe und der Ausstattung bis hin zu einer Reihe von Motoren, darunter ein preisgünstiger Reihensechszylinder. Der Mustang gab den Anstoß für die amerikanische »Pony Car«-Bewegung und definierte so eine neue Fahrzeugklasse.
Die Vorstellung, ein Auto mit einer anderen als der Standardkarosserie zu besitzen oder ein Auto zu kaufen, das in einer Kleinserie von einem Karosseriebauer unter der Schirmherrschaft des Herstellers, der das Fahr- werk lieferte, hergestellt wurde, war zumindest unter italienischen Kunden noch recht verbreitet. Heute gilt diese Ära als eine der schönsten im italienischen Automobilbau der Nachkriegszeit. Der kommerzielle Erfolg des Mustang auf dem heimischen Markt bedeutete, dass Ford – über so notwendige Änderungen wie europäische Rückleuchten und einen Wegstreckenzähler in Kilometern statt Meilen hinaus – kein Interesse daran hatte, eine spezielle Version für ausländische Märkte zu entwickeln. Der Gedanke, den Mustang von Karosseriebauern modifizieren zu lassen, lag den Verantwortlichen bei Ford fern, obwohl das Unternehmen schon 1973 Eigentümer der beiden italienischen Karosseriebaufirmen Carrozzeria Ghia und Vignale werden sollte.
In Anbetracht dessen ist es schwer vorstellbar, dass ein italienischer Karosseriebauer an einem Mustang der ersten Generation beteiligt war – doch das hieße, die Bestrebungen von Silvio Bucco außer Acht zu lassen. Bucco stammte aus einer bedeutenden Familie in Pescara im Zentrum der Abruzzen und besaß ein Straßenbauunternehmen. Er wollte sich einen Traum erfüllen und kaufte einen neuen Ford Mustang V8 Fastback in »Wimbledon White« mit schwarzer Vinylcockpitverkleidung, Klimaanlage und Viergang-Schaltgetriebe.
Das Chassis mit der Nummer 7T02A201813 wurde am 21. Februar 1967 im Werk Metuchen, New Jersey, hergestellt. Bucco, der an der Universität Mailand studiert hatte, leitete mehrere Unternehmen und schickte einen seiner Mitarbeiter im Oktober 1966 zum Turiner Automobilsalon mit dem Auftrag, Informationen über den neuen Ford Mustang einzuholen und mit einer Verkaufsbroschüre im Gepäck zurückzukehren.
Nachdem Bucco sein Auto mithilfe des Prospekts konfiguriert hatte, gab er es beim offiziellen Ford-Importeur für Italien in Auftrag – und plante da bereits, es von einem Karosseriebauer individuell einkleiden zu lassen. Ursprünglich hatte er dabei an Pininfarina in Turin gedacht, doch seine damalige Freundin (die aus Mailand stammende Witwe eines Pirelli-Managers) brachte ihn mit der Carrozzeria Zagato in Terrazzano di Rho in Kontakt.
Die Carrozzeria – damals geleitet von den Söhnen des Firmengründers Ugo Zagato, Gianni und Elio – erlebte gerade einen Boom und war an der Produktion mehrerer Modelle beteiligt, von denen viele im Rennsport eingesetzt wurden, darunter der heute legendäre Alfa Romeo TZ. Der Karosseriebauer galt als moderner und dynamischer als seine Turiner Kollegen und bereitete 1968 unter dem Logo »Zagato Elaborazione« den Mustang mit einigen Veränderungen auf.
Bucco benutzte den Wagen gern, um seine Freundin in Mailand zu besuchen, doch hielt er ihn für zu wertvoll, um ihn täglich zu fahren. In 15 Jahren legte das gepflegte Einzelstück gerade einmal 46.000 Kilometer zurück. Erbost über die steigenden Kraftstoffpreise meldete Bucco den Mustang Anfang 1983 ab und mottete ihn in einem seiner Lagerhäuser ein. Die einzige Zuwendung, die er dort erfuhr, war ein trockener Platz und das gelegentliche Starten des Motors durch einen Angestellten. Es sollte zwölf Jahre dauern, bis der Mustang wieder zum Vorschein kam.
»Mein Vater Donato kaufte das Auto 1995«, erinnert sich der heutige Besitzer Fabio di Pasquale. »Er schenkte es mir zu meinem nächsten Geburtstag, im März 1996, als ich 22 Jahre alt wurde. Er hatte den verstorbenen Signore Bucco gekannt, da meine Familie in einer ähnlichen Branche tätig ist, und er wusste von dem Mustang, seit er ihn lange Zeit zuvor in einem von Buccos Lagerhäusern gesehen hatte. Der zuständige Mitarbeiter wusste nicht, was er tun sollte, denn es schien unmöglich, das Auto wieder anzumelden, und eigentlich sollte es verschrottet werden. Mein Vater fragte nach und es kam zu einer Einigung. Als der Wagen zu Hause ankam, trug er noch seine ‚originale nicht-originale‘ grüne Lackierung, aber aufgrund unserer Nachforschungen, ohne den Zagato-Teil der Geschichte bestätigt bekommen zu haben, gingen wir auf Nummer sicher und lackierten den Wagen wieder in dem ursprünglichen Weiß mit der Farbnummer 1619A.«
Text Massimo Delb`o // Fotos Max Serra // Bearbeitung Christel Flexney
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