Der Italdesign Brivido vereint mit seinem Mix aus aufregendem aber klaren Design, Showcar-Wahnsinn und cleveren Ideen all das, wofür der Name Giugiaro seit den 1960ern steht.
Die Nachricht, Giorgetto Giugiaro habe seine eigene Firma Italdesign verlassen, war noch nicht verklungen, da rollte das letzte vom Maestro persönlich gestaltete Concept-Car bei uns ins Büro. Fast. Tatsächlich stoppt es vor der Tür. Der hier abgebildete Italdesign Brivido, vermutlich der letzte Giugiaro, vereint mehr Qualitäten des Designers – und auch Gründe für seinen Ausstieg –, als man zunächst denkt.
Der Name Giugiaro fällt auf den Seiten von OCTANE nicht annähernd so häufig wie Bertone oder Pininfarina. Na ja, Golf? Panda? – ist das Erste, was einem dazu einfällt. Andererseits sind unter den mehr als hundert von Giugiaro entworfenen Autos etliche Meisterwerke – während seiner Zeit bei Bertone Alfa Romeos Giulia GT, der Iso Grifo, bei Ghia der Ghibli, De Tomaso Mangusta, später der M1 und parallel, wie nebenher, wahnwitzige Showcars à la BMW Spicup, Maserati Simun …
Kein Wunder, dass Giugiaro – als 30-Jähriger – 1968 Italdesign gründete. Sein erster Wurf, der Bizzarrini Manta, wurde nur einmal angefertigt, sehr flach, die Windschutzscheibe extrem geneigt (15°), relativ weit vorne drei Sitze, Fahrer in der Mitte. Sehr abwegig, fand man damals. So wie der Maserati Boomerang – Glas und Kanten ohne Ende, das Cockpit aus einer anderen Galaxie. Krass. Andererseits: Glasdach ist heute in der Mittelklasse fast Usus.
Mit eigener Firma ging es aber auch darum zu überleben, und dafür gestaltete Giugiaro ganz im Sinne der Auftraggeber den Golf, Fiat Uno, Lexus, Seat Ibiza und andere Millionenautos. Trotzdem: Bei den großen Skulpteuren der Automobilgeschichte ist sein Name selten der erste, der fällt. Nun steht aber der Brivido vor der Tür, Passanten ringen sich um ihn, sodass der Fotograf fast durchdreht. Glücklicherweise hat er schon einige Aufnahmen im Kasten.
In Turin hat sich Paolo Tumminelli, Design-Professor in Köln, in das Auto gesetzt und ist losgefahren. »TorinoBerlino: Mille Miglia in fünf Etappen durch Kulturstätten, Denkmäler, Berge und Täler. Mit einem Oldtimer«, so Tumminelli, »wird einem eine andere Aufmerksamkeit zuteil als mit einem offensichtlich neuen Auto. Das war beim Brivido anders: Auf der Autobahn verfolgten einen die Leute bis zur Tankstelle. Und wenn man anhält, egal wo, sind die Reaktionen immer positiv. Auf unserer Reise fiel wirklich nicht ein Mal ein kritisches Wort, nicht mal die Andeutung davon – was bei auffälligen Autos ja vorkommen kann. Als Nächstes fragten alle: Was ist das, was kostet der, wie schnell ist er?«
Kosten: schwer zu sagen, bei einer Studie sowieso, noch schwieriger bei einem fahrbereiten Unikat. Zwei bis drei Millionen Euro sollte man dafür schon einplanen. Motorisierung: streng geheim. Eine fahrbereite Studie mit CFK-Flügeltüren, etc. kann man auf die Räder stellen, wenn man – wie Italdesign seit 2010 – einem Konzern (in diesem Fall VW) gehört. Da hat man Zugriff auf alles, was im Regal liegt. Weil Giugiaro einen Hybrid wollte, kam das Chassis mitsamt Antrieb aus Zuffenhausen.
Text Matthias Penzel // Fotos Andrea Mazzon, Italdesign Giugiaro
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