BMW gehört heute zu den erfolgreichsten Automarken aller Zeiten. Doch bis die Münchener eine erfolgreiche Richtung gefunden hatte, war Geduld gefragt. Der Glaserati hätte das Aushängeschild werden können. Am Ende kam alles anders.
BMW entwickelte sich in der Vergangenheit maßgeblich durch die Arbeit anderer weiter. Es begann mit dem Austin Seven/Dixi und setzte sich nach dem Krieg mit dem von Iso entwickelten und in Lizenz gebauten Rollermobil Isetta fort. Selbst der 700 war vom Konzept keine BMW-Idee. Und dann zapfte man die Expertise von Glas an, übernahm 1967 das Familienunternehmen, nur um dessen Programm inklusive des bewunderten Topmodells BMW-Glas V8 nach und nach einzustampfen.
Über die Motive dafür lässt sich heute nur spekulieren. Vielleicht, weil BMW erst kurz zuvor sein eigenes V8-Coupé (den von Bertone gestylten 3200 CS) eingestellt und durch die eigenen und bei Karmann gebauten Vierzylinder-Coupés 2000 und 2000 CS ersetzt hatte. Die wiederum die Basis für die ikonischen E9-Coupés mit Reihensechszylinder bildeten, allen voran der 2800 CS mit M30-Motor. Weitere Motive für den Griff nach Glas mögen Patente wie das für den Nockenwellenantrieb per Zahnriemen und das Grundstück für das nur 100 Kilometer von München entfernte Werk Dingolfing gewesen sein – das später mit einem jährlichen Ausstoß von mehr als 250.000 Fahrzeugen zum größten europäischen BMW-Werk aufsteigen sollte.
Die Hans Glas GmbH: Von Landmaschinen über Motorroller bis zum Luxusfahrzeug
Die 1883 gegründete Hans Glas GmbH hatte ihre Wurzeln in der Landmaschinenproduktion. Als mit Kriegsende die Nachfrage nach diesen Gütern erst einmal zurückging, sah sich das Unternehmen zu einer Neuorientierung gezwungen. Diese bestand in der Entwicklung eines Pendants für die Vespa – der Goggo-Motorroller verkaufte sich fast 47.000 Mal und war die Inspiration für das Goggomobil, das ab 1955 zur Hauptstütze von Glas wurde.
Er war unter drei Meter lang, wog 415 kg (Limousine) und verbrauchte nur 6,0 bis 6,5 Liter/100 km. Die Höchstgeschwindigkeit pendelte je nach Motorisierung zwischen 80 und 95 km/h, das stärkste Coupé schaffte knapp 100 km/h. Glas baute das Goggomobil als Limousine, Coupé und Transporter, unter anderem für die Bundespost.
Dieser Erfolg gab Glas die nötige Größe und das Selbstvertrauen, um sich jetzt an »richtige« Autos zu wagen. Nicht zu erwachsen, wie es zunächst schien, denn der 1963 auf der IAA vorgestellte 1300 GT und eine ein Jahr später nachgeschobene 1,7-Liter-Variante (auch für eine Limousine) wogen immer noch deutlich unter einer Tonne.
Glas leistete Pionierarbeit mit dem Einsatz eines vom Ex-BMW-Motorenkonstrukteur Leonhard Ischinger entwickelten Zahnriemens aus Polyester-Urethan-Kautschuk mit Stahlcord-Einlagen (Vulkolan) – erstmals umgesetzt ab 1962 in der Vierzylinder-Baureihe 1004/1204/1304. Dann übernahm BMW das Ruder – angeblich durch die tatkräftige Vermittlung des mit der Glas-Familie gut befreundeten Glas- und BMW-Händlers »Schorsch« Meier.
Der „Glaserati“ entdeckt das Licht der Welt
Der GT erhielt den Motor des BMW 1600 ti lief aber schon im Sommer 1968 aus. Das Flaggschiff der Dingolfinger, der als zu schwach motorisiert eingestufte 2600 GT, sollte eine Kraftspritze erhalten. Ursprünglich als Reihen-Sechszylinder angedacht, hatte sich Glas-Chefingenieur Karl Dompert als kostengünstige Alternative für die Koppelung zweier hauseigener 1,3-Liter-Vierzylinder entschieden. So entstand der 2580 ccm große V8 mit einer pro Zylinderbank obenliegenden, zahnriemengetriebenen Nockenwelle und einer neuen, fünffach gelagerten Kurbelwelle. Mit diesem 150-PS-Motor debütierte der Oberklasse-GT 1965 auf der IAA, wo ihm der Volksmund wegen seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit zeitgenössischen Modena-Modellen spontan den Spitznamen »Glaserati« verpasste.
Als ein Jahr später die ersten Autos vom Band liefen, waren gerade erst zwei Monate nach der BMW-Übernahme vergangen. Und nach nur 240 gebauten 2,6er-Coupés ersetzten die neuen Herren im Haus den 2,6 Liter durch einen V8 mit 2982 ccm Hubraum (zwei Vierzylinder à 1489 ccm). Gespeist von drei Solex-Vergasern kam er als BMW-Glas 3000 GT mit nun 160 PS ab September 1967 auf den Markt. Übrigens als erstes deutsches Auto mit einer kontaktgesteuerten Transistor-Spulenzündung (TSZ) von Bosch. Anstelle der 175er-Reifen rollte der 3000 GT nun auf 185er-Pneus, die Heckscheibe war jetzt beheizbar und Talbot-Spiegel (vom 2000 CS) plus ein BMW-Innenspiegel spendeten bessere Rücksicht.
Der Glas GT 3000 verschwand so schnell, wie er gekommen war
Doch nur sechs Monate später ließ BMW den Glaserati trotz eines für ein so glamouröses Nischenauto attraktiven Preises von 23.850 DM sang- und klanglos verschwinden. Im Mai 1968 liefen die letzten Glas V8 vom Band.
Frua hatte 718 Karosserien gebaut, im Auslieferungsbuch wurden jedoch nur 657 Fahrzeuge gelistet – die Differenz konnte nie geklärt werden, vermutlich wurden am Ende Autos als Ersatzteilspender verwendet. So oder so bleibt ein V8 Glas-BMW ein Exot, weltweit soll es nur noch um die 250 Exemplare geben.
Octane entdeckte ein besonderes Exemplar des Glas 3000 GT von Myron Vernis, der ihn
einer komplexen Restaurierung unterzog. Lesen Sie das ganze Portrait in der
aktuellen Ausgabe des Octane-Magazins
Das ganze Portrait über den Glas 3000 GT lesen Sie in OCTANE #73
10 spannende Fakten über den “Glaserati”
- Design von Frua: Das markante, elegante Design des Glas 3000 GT stammt von dem berühmten italienischen Karosseriedesigner Pietro Frua, der auch an anderen ikonischen Autos wie dem Maserati Mistral und dem AC Frua beteiligt war.
- Der Glas 3000 GT konkurrierte mit dem Porsche 911 und Mercedes SL, wurde aber aufgrund seiner geringen Produktionszahl nie so populär.
- Es gab zwei Varianten des Glas 3000 GT: Die ursprüngliche 3000 GT-Version und die etwas leistungsstärkere 3000 V8-Version, die nach der Übernahme durch BMW gebaut wurde.
- Trotz seines eleganten Erscheinungsbilds war der Glas 3000 GT für seine sportliche Straßenlage bekannt
- Zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung war der Glas 3000 GT ein sehr teures Auto. Der Neupreis lag bei etwa 25.000 D-Mark, was ihn für die meisten Autokäufer unerschwinglich machte.
- Die Glas GmbH war eines der ersten Unternehmen, das in der Serie zahnriemengetriebene Nockenwellen einsetzte, eine Technologie, die sich später in der Automobilindustrie weit verbreitete.
- Für BMW bedeutete die Übernahme den Zugang zu wertvollen Produktionsanlagen und einigen technischen Innovationen, wie dem Zahnriemen. In den frühen 1960er Jahren war BMW selbst in einer finanziell prekären Lage. Das Unternehmen produzierte teure Luxusautos, die sich schlecht verkauften, und kleine Fahrzeuge wie den BMW Isetta, die wenig Gewinn abwarfen.
- BMW ließ sich auf die Übernahme der Glas GmbH erst ein, nachdem der Freistaat Bayern eine Bürgschaft in Höhe von 50 Millionen Euro gebilligt hatte.
- Das ehemalige Werk von Glas in Dingolfing, wo der 3000 GT produziert wurde, ist heute eines der wichtigsten Werke von BMW. Hier werden viele der Luxusmodelle wie der BMW 7er und BMW 8er gefertigt.
- Der von Glas entwickelte 3,0-Liter-V8-Motor wurde nach der Übernahme von BMW als Basis für spätere BMW V8-Motoren verwendet und beeinflusste die Motorenentwicklung bei BMW in den kommenden Jahren.
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