Ob Mobiltelefon, vernetztes Haushaltsgerät oder der Fernseher: Überall gibt es die digitale Stunde, Minute und Sekunde. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Liebhaber hochwertiger Armbanduhren. Um diese Leidenschaft für mechanische Zeitmesser zu verstehen, gilt es einen Blick unter die »Motorhaube« dieser Uhren zu werfen.
ES IST SCHON SONDERBAR. Je digitaler unsere Welt wird, desto mehr faszinieren mechanische Armbanduhren. Wobei es weniger die Zeitanzeige selbst ist, die Uhrenliebhaber und Uhrensammler weltweit begeistert. Es sind eher der mechanische Prozess und das reibungslose Zusammenspiel der Werkkomponenten auf kleinstem Raum, die den besonderen Reiz ausmachen. Insbesondere dann, wenn diese Uhrwerke aufwendig gearbeitet und verziert sind.
Um die bemerkenswerte Leistung eines mechanischen Uhrwerks zu verstehen, genügt ein Blick auf die Zahlen. Ein modernes Uhrwerk vollzieht am Tag 691.200 Halbschwingungen. Das sind 28.800 pro Stunde, 480 pro Minute und immerhin 8 Halbschwingungen pro Sekunde. Dies geschieht in jeder Lage und egal, ob Ihr Arm dabei ruhig bleibt oder Sie eine Tätigkeit verrichten. Dabei steckt eine Armbanduhr in aller Regel Temperaturen von 40 Grad plus bis 20 Grad minus klaglos weg. Sie müssen nicht einmal viel dafür tun. Bei den von uns vorgestellten Automatikwerken reicht die durch Bewegung erzeugte kinetische Energie des Rotors aus, um die Uhr im getragenen Zustand ständig am Laufen zu halten. Je nach Gangreserve können sie diese sogar für die in der Gangreserve angegebene Anzahl von Stunden ausziehen, ohne dass sie stehenbleibt.
Es ist also paradoxerweise genau dises anachronistische perfekte Zusammenspiel der Komponenten in Verbidung mit handwerklichen Tugenden, möglichst unter einem Saphirglas gut einsehbar, das Uhrenliebhaber begeistert. Dabei meinen wir nicht einmal Armbanduhren mit großer Komplikation wie etwa Tourbillon, Repetition oder ewigem Kalender. Vielmehr genügen bereits die Leistungswerte eines Werks von ETA, Sellita oder Miyota, um das perfekte Zusammenwirken von Feder, Unruh, Unruhspirale oder Hemmung zu bewundern. Denn selbst hochauflagige Werke wie das Kaliber ETA 2824-2 der Swatch Group, sein baugleiches Pendant SW200 oder auch das Kaliber Miyota 8315 der Citizen Group beeindrucken durch Konstanz und Präzision.
Die Aufgabe ist für alle Werke gleich. Es geht letztlich »nur« um eine gleichbleibende, kontinuierliche Kraftabgabe der Feder an die schwingende Unruh, die wiederum dafür sorgen muss, dass Anker und Ankerrad stetig voranschreiten und doch so gehemmt werden, dass die in kleine Zeitintervalle »gehackte« Zeit über Zahnräder und Wellen zu einem gleichmäßigen Voranschreiten von Sekundenzeiger, Minutenzeiger und Stundenzeiger führen.
Allerdings sind dies nicht nur 86.400 Vorwärtsbewegungen oder exakt 31.449.600 Sekundenschritte pro Jahr. Da bei den heute üblichen 4-Hz-Werken die Unruh acht Ausschläge vollzieht, wandert der Sekundenzeiger in Wirklichkeit vier Mal pro Sekunde nach vorne. Was übrigens auch der Grund ist, warum manche Armbanduhren wie etwa die von uns vorgestellten Union Glashütte, B.R.M und Richard Mille eine zusätzliche Viertelsekunden-Skala auf dem Ziferblatt aufweisen. Wenn Sie nun davonausgehen, dass eine Uhr bei entsprechender Pflege und Wartung leicht auf eine Lebensdauer von 30 Jahren kommt, ist die Anzahl von knapp 4 Milliarden Zeigerbewegungen durchaus beeindruckend. Ermöglicht werden diese beeindruckenden Leistungswerte durch ausnehmend präzise Herstellungsprozesse und moderne, extrem leichte wie widerstandsfähige Werkstoffe und Legierugen aus Silizium, Nickel, Chrom, Kobalt und Stahl.
Im wahrsten Sinne des Wortes »den letzten Schliff« erhalten Uhrwerke dann durch besondere Oberflächenbehandlungen wie Rhodinieren oder ultraharte Diamond-like-Carbon-Beschichtungen (DLC) sowie das Glätten von Kanten und die Finissage, also das Verzieren der Uhr durch Gravuren, gebläute Zeiger wie das Einschleifen besonderer Muster wie Sonnenschliff, Genfer Streifen oder Kreisschliff. Da immer mehr Uhren mit Glasböden ausgestattet werden, ergeben diese für die Funktion unwichtigen, jedoch wunderbar anzusehenden Verzierungen Sinn und erhöhen die Freude bei den Trägern hochwertiger Armbanduhren. Denn wie bereits erwähnt – die reine Zeit gibt es gratis auf dem Handy. Die Kunst der Zeitmessung und der feinen Mechanik stattdessen trägt man am Handgelenk.
Text Wolfgang Winter // Fotos Uhrenkosmos
Uhrenkosmos in OCTANE #68 – ein Blick unter die »Motorhaube« einiger der schönsten mechanischen Zeitmesser der Gegenwart.
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