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Freunde am Fahren

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Nach dem Auto kommt das Fahren. Wer in der Manufaktur 964 den Elfer fürs und zum Leben gefunden hat, mit dem geht Michael Gerischer auf Tour und begleitet ihn bis auf die Rennstrecke. Natürlich auf eigener Achse und selbstverständlich im 911.

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Die Streckenführung steht, die Roadbooks der Manufaktur 964 liegen bereit. Von Gau-Algesheim nahe Mainz nach Ronda in der spanischen Provinz Málaga sind es rund 2300 Kilometer, eine Fahrt laut Routenplaner von etwas mehr als 21 Stunden. Aber so eilig ist es gar nicht, schnell wird es auf dem Circuito Ascari vor Ort sowieso werden. Schon die mehrtägige Anreise über bewusst gewählte Umwege, über gewundene, schön gelegene Straßen ist Teil des Programms – ein 964 ist zum Fahren, nicht zum Ankommen da.

Der Event-Teil des Geschäfts, wie Michael Gerischer die geführten Ausflüge über ausgewählte Strecken und die Fahrertrainings auf der Piste nennt, gehört bei der Manufaktur 964 zum Programm: »Eigentlich sind wir eher auf der Suche nach neuen Mitgliedern für unsere 964-Familie.« Überschaubar und vertraut soll es bleiben, wo Business und Privates ineinander übergehen.

Die Manufaktur sorgt nicht nur fürs passende Autos, sondern organisiert für ihre Kunden auch Touren und Trackdays, um das passende Auto auch artgerecht bewegen zu können.

In der Manufaktur 964 haben Michael Gerischer und Geschäftspartner Jochen Dronia, technischer Leiter mit Erfahrung im Rennsport, eine 911-Generation im Fokus, die lange im Schatten des klassischen Elfers der G-Serie und des modernen, letzten luftgekühlten 911 der Generation 993 stand und erst in den letzten zehn Jahren deutlich an Popularität zugelegt hat. Als gefühltes Interimsmodell, das zwischen Tradition und Moderne lag, war und ist der zwischen 1988 und 1994 gebaute 964 stets ein Auto für Überzeugungstäter und Liebhaber.

Technik-Workshops helfen beim Verstehen des eigenen Autos (OCTANE #58). Für ihre Kunden finden Gerischer und Dronia auf Wunsch das richtige Auto, reparieren und restaurieren es, bauen bei Bedarf sogar einen 964 nach individuellen Wünschen. »Und wenn er fertig ist, geht es damit auf Tour oder zu Trackdays. Auch wenn es mal kalt ist und in den Bergen noch Schnee liegt – ein 964 hält das aus und unsere Autos sind sowieso immer und unbedingt alltagstauglich. Der Anspruch ist, dass die Fahrzeuge funktionieren.«

Gentleman Driver steht auf dem Heck des weißen Elfers, der für den Einsatz auf der Rennstreck abgespeckten 964 Carrera 2, der gemeinsam mit dem roten Schwesterauto zum Start bereit steht.

»Gentlemen Driving« nennt Gerischer das Projekt, Gentleman Driver steht auf dem Heck des weißen Elfers, eines für den Einsatz auf der Rennstrecke vom Allradmodell zum abgespeckten 964 Carrera 2 umgewandelten Autos. Gemeinsam mit dem roten Schwesterauto ging es Ende letzten Jahres von Rheinhessen durch die Schweiz nach Grenoble, auf der Route Napoléon in Richtung Mittelmeer, nach Montpellier und von dort nach Almería zum Circuito Iberia, mit neun Kilometern die längste Rennstrecke Europas. 2900 Kilometer Gesamtdistanz: Autobahn, Berge, Landstraßen, alles dabei. Die beiden zu 964-Cup-Versionen umgebauten Elfer blieben für weitere Rennstreckeneinsätze über Winter in Spanien, im März 2022 ging es dann wieder zurück nach Gau-Algesheim – ein »endless summer« für Kunden des Hauses, die sich mal auf der Piste ausprobieren wollten.

So kompromisslos wie die Cup-Racer der Neunzigerjahre sei das weiß-rote Paar aber nicht, »die haben immerhin eine Straßenzulassung, sind außerdem besser gedämmt und leichter fahrbar als pure Rennwagen«, sagt Gerischer. »Bei unseren Trackdays steht immer der Spaß im Vordergrund, nicht das Aufstellen von Bestzeiten. Konkurrenzdruck wollen wir nicht, es soll bloß keiner auf die Uhr gucken und versuchen, schneller zu sein als die anderen. Die Angst, hier Leistung abliefern zu müssen, will ich den Teilnehmern nehmen. Und Rennfahrer werden wir alle sowieso nicht mehr!«

Auf dem Circuito Ascari darf sich die 964-Familie so richtig austoben – zum Spaß, nicht gegen die Uhr.

Es brauche auch kein Cup-Modell, um mit einem 964 auf der Piste schnell zu sein und den eigenen Stil zu verbessern. Auf der Rennstrecke seien Reifen und Fahrwerk wichtig, für den Alltag sei bereits ein serienmäßiger 964 C4 das ideale Auto. »Der beste 964 ist ganz klar der Carrera 4. Schon weil der C4 das Ur-Modell der 964-Entwicklung ist, von dem alle anderen Modelle abgeleitet wurden. Der Allradantrieb des 964 stammt vom 959 ab, der Wagen hat damit immer optimale Traktion und auf der Autobahn einen viel besseren Geradeauslauf als die Version mit Heckantrieb.

Außerdem hält die Allradtechnik ewig, höchstens die Zylinder der Sperren müssen mal revidiert werden. Die elektro-hydraulische Bremse beim C4 ist besser und an der Hinterachse sitzen die Bremssättel des 964 Turbo. Die Tendenz zum Untersteuern lässt sich über die Einstellung des Fahrwerks ändern und ob ein Amateur die 100 Kilogramm Mehrgewicht in Relation zum Carrera 2 wirklich spürt, kann ich kaum glauben.«

Der 964 Turbo sei ein wildes, schnelles Stück Porsche, aber eben auch in jeder Hinsicht teuer. »Für schnelle Autobahn-Etappen ist ein Turbo perfekt, aber auf kurvigen Straßen oder in Serpentinen, wo ein 911 sein Potenzial ausspielen kann, ist ein 964 mit Saugmotor das viel besser zu fahrende Auto«, so die Analyse von Gerischer.

Text Jan-Henrik Muche // Fotos David zu Elfe

Lesen Sie in OCTANE #59 alles zur Ausfahrt der Manufaktur 964.

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