Klassiker

Fords fantastische Vier

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Der GT40 ist so gut, dass Ford ihn nicht nur einmal, sondern zweimal neu erfunden hat. Doch wieviel von der DNA der ursprünglichen Ford GT und GT40 ist in den Neuinterpretationen des 21. Jahrhunderts erhalten geblieben? Zeit, das herauszufinden.

Wer hätte gedacht, dass ein Austin Seven das perfekte Auto ist, um zu lernen, wie man einen rennsporttauglichen Ford GT fährt? Als ich das erste Mal die Kupplung kommen lasse und vorsichtig versuche, Philip Walkers wunderschönen offenen GT mit Borrani-Rädern in der Boxengasse der Rennstrecke von Thruxton in Fahrt zu bringen, würge ich ihn ab. Und noch ein zweites und vielleicht sogar noch ein drittes Mal.

Doch ich befinde mich in guter Gesellschaft. Beim Start zu den 24 Stunden von Le Mans des Jahres 1964, dem allerersten Anlauf von Ford, um Ferrari mit seinem GT bei diesem wichtigsten Langstreckenrennen der Welt die Krone zu entreißen, blieb Phil Hill mit Chassis 102 in der Startaufstellung zunächst stehen. Das Problem besteht bis heute darin, dass die Kupplung entweder ganz zu oder ganz offen ist. 

Der kultivierte V8 der 2005er-Modells gibt ein Knurren von sich, das im Vergleich zum rohen, ungezügelten, gutturalen Brüllen des MkI-Motors fast zahm anmutet. 

Zwischen April 1964 und Mai 1965 wurden bei Ford Advanced Vehicles in Slough (England) zwölf GT-Prototypen gebaut, sieben davon als Coupé und fünf als Roadster. Daraus entwickelt wurden dann die GT40, mit denen Ford zwischen 1966 bis 1969 dreimal in Folge Ferrari und 1969 dann auch noch Porsche in Le Mans besiegte. Vorangegangen war der gescheiterte Versuch der Detroiter Oberen, Ferrari zu kaufen – was Henry Ford II so erzürnte, dass er das GT-Projekt ins Leben rief, um damit die Italiener in ihrem eigenen Hinterhof zu schlagen und zu demütigen.

Seit 1967 eine Handvoll GT40-MkIII-Modelle mit Straßenzulassung auf den Markt kam, tauchte der Name GT an zwei weiteren Ford- Sportwagen auf: Im Jahr 2004 feierte ein Ford GT im Retrostil sein Debüt und 2016 erfand ein völlig neuer Ford GT die Formel komplett neu. Die Frage ist: Können wir bei diesem Vierervergleich irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen dem allerersten Ford GT und dem (bis heute) allerletzten entdecken?

Die GT von 2005 und 2020 könnten kaum unterschiedlicher sein. Der Innenraum des 2020ers hat nach Formel-1-Manier ein Lenkrad voller Knöpfe und Tasten – die seine Rennsport-Ambitionen unterstreichen.

Um das herauszufinden, lerne ich an diesem ausnahmsweise trockenen Wintertag in Thruxton wieder, wie man eine Kupplung richtig bedient. Philip Walker gehören alle vier Autos: der weiße GT Roadster von 1964, der silberne GT40 MkI (Chassis 1041) von 1966, der rote GT von 2005 und der silberne GT von 2020. Walker ist ein sehr erfahrener Rennfahrer und hat im 1041 schon viele Erfolge eingefahren. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass nur wenige Leute bezüglich des gesamten GT-Spektrums über so viel Erfahrung und Wissen verfügen wie er.

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Modell von 1964 ist in Wirklichkeit eine Replika, wenn auch von einem Original nicht zu unterscheiden. Walker ließ sie anfertigen, weil er zuvor die Überreste eines echten offenen GT, Chassis GT/111, gefunden, restauriert und verkauft hatte. Und dann feststellte, dass er das Auto vermisste!

Obwohl die Roadster-Replica etwas zierlicher aussieht als ein geschlossener GT40, ist sie auf einer Rennstrecke potenziell genauso schnell.

Nach den Erfolgen in Le Mans setzte Ford seine Prioritäten anderswo und erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde der Name GT in Gestalt eines »Halo«-Sportwagens wiederbelebt. Der Ford GT von 2004 entstand unter Leitung von J. Mays, ab 1997 neuer Vice President Design der Ford Motor Company. Für das Design verantwortlich war Camilo Pardo, damaliger Leiter des »Living Legends«-Studios von Ford, das unter anderem auch eine moderne Version des Ford Thunderbird herausbrachte. Doch warum belebte Ford für diese Hommage an die glorreichen Vorgänger der 1960er-Jahre nicht auch die Bezeichnung GT40? Kaum zu glauben, aber man hatte sich die Namensrechte an GT40, die 1985 vom britischen Replika-Hersteller Safir erworben worden waren, nie schützen lassen. Diese Nachlässigkeit rächte sich 2002.

Als die Verhandlungen über den Rückkauf scheiterten – Ford wollte die von Safir geforderten 40 Millionen Dollar nicht zahlen –, brachten die Detroiter den neuen Imageträger einfach als Ford GT auf den Markt. Im Endeffekt dennoch kein großes Malheur, wurden doch auch die Autos aus den 1960er-Jahren offiziell als Ford GT verkauft – vermutlich, um etwas Marketing-Glamour auf den Cortina und den Mustang zu streuen. Nur intern lief das Projekt von Beginn an unter dem Codenamen GT40.

Trotz der Sensation, die der GT bei seiner Markteinführung auslöste, als die ersten Exemplare weit über dem Aufkleberpreis von 139.995 Dollar verkauft wurden, kühlte die Nachfrage schnell ab. Die Verkaufszahlen lagen etwa 500 unter den geplanten 4500 Einheiten, als die Produktion 2007 auslief. Heute sind die besten Exemplare mit niedrigem Kilometerstand eine halbe Million Dollar wert, da Sammler das Fahrzeug aufkaufen, das als einer der letzten großen analogen US-Supersportwagen gilt.

Text Mark Dixon // Fotos Dean Smith // Bearbeitung Thomas Imhof

Lesen Sie in OCTANE #59, wie sich die vier GT-Versionen im Vergleich fahren.

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