Die Anfänge von Ferraris Straßensportwagen sind eng verknüpft mit einem ebenso raren wie wunderschönen Coupé – dem Ferrari 212 Vignale.
Diesen Ferrari 212 Vignale als ,Straßenwagen‘ zu bezeichnen, wäre irreführend. Zugegeben, schick sieht es aus mit all den kunstvollen Details der traditionellen Handwerkskunst von Vignale. Auch der Komfortquotient ist für die damaligen GT-Standards ziemlich hoch: jede Menge Leder und glänzendes Metall, Kartentaschen und Gepäcknetze, eine Uhr, sogar eine Heizung, und niedliche klappbare Knöpfe an den Fensterkurbeln zur Vermeidung von Blutergüssen an den Ellenbogen. Gleitet er über die eleganten Wege herrschaftlicher Villen dahin, ist der Ferrari 212 Europa so zivilisiert wie der nachmittägliche Tee bei der Queen.
Aber egal, wie Enzo Ferrari ihn bezeichnete: Wenn man mit dem 212 in die richtige Welt rausfährt, zeigt er eine andere, erdigere Seite – eine Lenkung wie bei einem alten Traktor samt entsprechender Federsteifigkeit. Ein heulendes, halbsynchronisiertes Getriebe, das einen festen Zugriff verlangt. Kaum genug Pedalraum selbst für kleine Füße. Ein Kühlsystem mit einer Abneigung gegen heutige Verkehrsverhältnisse – aber ein kraftvoller 2,6-Liter-V12, für den es sich zu sterben lohnt. Der Grat zwischen einem Ferrari-Straßenwagen und einem Ferrari-Rennwagen war in jenen frühen Tagen äußerst schmal.
Was natürlich der Grund ist, warum die Leute damals straßentaugliche Ferraris kauften und weshalb diese Autos heute so besonders sind. Bis 1951 hatte Enzo Ferrari kaum zivile Autos gebaut – eigentlich hatte er überhaupt noch nicht viele Autos gebaut. Als er es endlich tat, erkannte man den Unterschied zu den Rennwagen nur daran, dass der Karosseriebauer mit dem Blendwerk nicht gegeizt hatte und die Nockenwellen und Vergaser weniger heiß waren.
Jeder, der Wert auf Finessen legte, kaufte damals einen Alfa 6C oder Delahaye. Ferraris waren nur für diejenigen, die allenfalls einen Aschenbecher im Rennsieger vom letzten Wochenende haben wollten.
Der 212 Europa ist genau das. Wie seine beiden Vorgänger, der 166 und der 195, wurde auch der Tipo 212 in Export-Konfiguration für den Renneinsatz und als Inter für den Straßengebrauch angeboten. Die späteren 212 Inter trugen sogar schon den Namen Europa als Vorgeschmack auf einen Ferrari, der ausschließlich für die Straße gedacht war, den 250 Europa. Aber es war der 212 Inter mit Straßenspezifikation und langem Radstand, der entscheidend zum Mythos der Marke beitragen sollte: mit einem Doppelsieg bei der Carrera Panamericana 1951, Mexikos mörderischem 2000-Meilen-Rennen.
Die Verkaufszahlen waren entsprechend hoch. Ferrari verkaufte 80 Exemplare, nachdem der Wagen 1951 in Brüssel präsentiert worden war, mehr als vom 166 und 195 zusammen. In Sachen Mechanik erbte der 212 den existierenden Starrachsen-Rohrrahmen und den Colombo V12.
Die Aufträge für die Gestaltung der Karosserie gingen an die üblichen Verdächtigen. Die meisten Exemplare wurden von Vignale gestaltet, bei dem auch die 1951er Carrera-Autos gebaut worden waren. Davon wiesen die sechs Coupés mit dem niedrigen Dach, die auf Basis der letzten Einheiten entstanden, wohl das markanteste Design auf.
Dieser Wagen mit dem Fahrgestell 0267 EU war das zweite der sechs Coupés. Er wurde im Februar 1953 fertiggestellt und hatte damals dasselbe grün-schwarze Farbschema wie heute. Er wurde im Frühjahr des Jahres auf dem Turiner Autosalon vorgestellt und an den Franzosen Jean-Louis Lafourcade verkauft. Der veräußerte ihn 1959 an einen Engländer, den ersten von mehreren Briten, die in den folgenden 18 Jahren Eigentümer von 0267 EU werden sollten. Während dieser Zeit erhielt er irgendwann eine wohl unvermeidbare Neulackierung in italienischem Rennwagenrot.
Text Dale Drinnon // Fotos Martyn Goddard // Übersetzung Christel Flexney