Das Schicksal des ewig Unterschätzten teilt Turin ein wenig mit der Automarke, die hier zuhause ist: So wie die Fabbrica Italiana Automobili Torino (»Italieni sche Automobilfabrik Turin«) zwar jeder kennt, sieht es mit detaillierten Kenntnissen über oder sogar Sympathie für die Stadt und die Firma, oder gar Museen wie das Fiat Centro Storico Turin eher schlecht aus.
Der Italienfahrer hat als Reiseziele Mailand, Neapel, Venedig oder Rom im Navi stehen, vielleicht sogar Palermo und kann referieren, was diese Städte kennzeichnet. Ebenso geht mit Klassikerfahrern bei Nennung der Namen Alfa Romeo, Lancia, Ferrari, Maserati und Lamborghini sofort die Leidenschaft durch. Aber bei Turin und FIAT fällt den meisten Menschen gar nichts oder bestenfalls der Film »The Italian Job« ein. Das wollen wir mit den folgenden Beschreibungen der beiden Automobilmuseen und einigen Hinweisen zur Stadt etwas korrigieren.
Als wahre Schätze der Stadt gelten ihre Palazzi, die jahrzehntelang Herz des Hauses Savoyen und Bühne der Einigung Italiens waren. Und genau deshalb beginnt die Fahrt zum Centro Storico von Fiat und dem nur wenige Kilometer davon entfernten Museo Nazionale dell’Automobile »Avv. Giovanni Agnelli« sonntags an der Piazza Castello, dem historischen Zentrum von Turin. Wir fahren vorbei am Palazzo Reale (Königs palast), dem Palazzo Madama und dem Palazzo Carignano und haben die Pracht der Stadt am frühen Morgen für uns allein. Schließlich streifen wir den zauberhaften »Corona delle Delizie«, eine Ansammlung beeindruckender Residenzen, die den Stadt kern umgeben und die einst als Jagdhütten und Sommerresidenzen genutzt wurden und erreichen das Ufer des Flusses, der hier seinen Anfang unter diesem Namen nimmt, den Po, denn hier liegen unsere Ziele.
Zuerst stehen wir vor einem unscheinbaren ehemaligen Jugendstilfabrikgebäude gegenüber dem »Grünen Haus«, in dem die Geschichte der Marke Fiat bewahrt wird. Für das Publikum ist dieser Tempel der italienischen Industrialisierung nur sonntags geöffnet, dann allerdings kostenfrei und ohne Bookshops, Eventflächen und Restaurants. Neben einer Auswahl der wichtigsten Modelle der zivilen Autoproduktion von FIAT, wie die Kleinwagen 600 und Nuova 500, finden sich Teile der ehemaligen Produktions bänder, zahlreiche Dokumente zur LogoEntwicklung und sehr viele Werbeplakate von 1920 bis 1980. Zahlreiche Modelle von Autos, Schiffsmotoren und Flugzeugen ergänzen neben 1:1 Exponaten wie dem Militärjet Fiat G91, Lastwagen, Lokomotiven, Flugzeug motoren und Traktoren die Ausstellung. Zu den automobilen Meilensteinen gehört der Geschwindigkeitsweltrekordwagen von 1923 Fiat Mefistofele – der mit einem Motor von Aviazione Fiat ausgerüstete Rennwagen.
Text Sven Schrader Fotos Thomas Staeck