Klassiker

Eine Partie Golf gefällig?

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45 Jahre und 190 PS trennen den ersten VW Golf GTI von der neuesten Entwicklung. Es ist also an der Zeit, alle acht Generationen zu feiern – und den roten Faden zu beleuchten, der sie verbindet.

Die Frage, ob eine der Generationen des Golf GTI der beste Schrägheckwagen aller Zeiten ist, soll hier nicht beantwortet werden. Sicherlich würden mehrere von ihnen für diesen Titel in Frage kommen und auch der eng verwandte Golf VII R der letzten Jahre war eines der besten Autos seiner Ära.

Auch Frankreich hätte einige Anwärter auf die Krone vorzuweisen (Peugeot 205 GTI, Renault 5 GT Turbo, Clio Williams, Renault Sport Mégane R26.R …), doch deren Feuer brannte nur kurz. Eines ist sicher: Kein Schrägheck hat über so viele Generationen hinweg – acht, um genau zu sein – in einer derartigen Stärke überlebt wie der Golf GTI. OCTANE hat sie alle zusammengetrommelt.

Eines der ersten Autos, die ich je gefahren bin, war ein Golf I GTI. Das war vor drei Jahrzehnten, ich war 17, und obwohl ich kaum Vergleichsmöglichkeiten hatte, wusste ich, dass er etwas Besonderes war. Manche bezeichnen ihn als den ersten Schrägheckwagen überhaupt; andere (weniger zahlreich) meinen, dies könnte der Simca 1100ti von 1973 gewesen sein: 1297 ccm, zwei Weber-Vergaser, 82 PS, verbesserte Dämpfer und Bremsen. Und 1976 spendierte Renault dem R5 einen 1,4-Liter-Motor mit 92 PS, Rennstreifen und Leichtmetallfelgen, die wie überdimensionale Tonbandspulen von Scotch aussahen.

Der R5 Gordini kam nur wenige Monate vor dem Golf GTI auf den Markt, aber der VW – nennen wir ihn den ersten vollwertigen Schrägheckwagen – war wohl das Vorbild, dem alle anderen folgten: Selbst der Peugeot 205 GTI von 1984 war in seiner Ausstattung praktisch ein Faksimile. Und es gab noch sieben weitere Golf GTI.

Die GTI-Story begann als Hinterzimmerprojekt kurz nach der Markteinführung des Golf im Jahr 1974, wobei lediglich 5000 Exemplare des leistungsstarken Kompaktsportlers für den Clubmotorsport gebaut werden sollten. Das Marketingteam von VW witterte Morgenluft und verpasste dem neuen Wagen bis zur Frankfurter IAA 1975 das Label GTI. Er kam 1976 auf den Markt und bis 1983 wurden 461.690 Einheiten gebaut.

Die ersten beiden Generationen sind lediglich mit 112 PS unterwegs – und fühlen sich trotzdem schnell an.

Unser Exemplar stammt von 1983 und verfügt über den 112 PS starken 1781-ccm-Motor, der 1982 das ursprüngliche 110-PS-Triebwerk mit 1588 ccm ersetzte. Man sitzt hoch, die Türen fallen klappernd ins Schloss, er ist einfach – viel lackiertes Metall, nur zwei Belüftungsdüsen – und klein. Nach heutigen Maßstäben superklein.

Und folglich auch leicht: 860 Kilogramm. Der Vierzylinder mit Einspritzung ist drehfreudig, sprudelt vor Energie und macht so viel Lärm, dass man meinen könnte, er sitze mit im Cockpit. Seine rasiermesserscharfe Gasannahme führt die Zutatenliste eines perfekten Kompaktsportlers an. Gefolgt von einer ausgewogenen Lenkung, die trotz der dreieinhalb Umdrehungen der nicht unterstützten Zahnstange ein ultrascharfes Einlenken ermöglicht, und einer blitzschnellen Schaltung, auch wenn diese sich zu Beginn etwas ungenau anfühlt.

Auf engen, kurvigen Landstraßen ist der Wagen voll in seinem Element und das satte Drehmoment zaubert jedem Fahrer, der es krachen lässt, eine Grinsen ins Gesicht. Und was auf den Unebenheiten der schmalen britischen Straßen besonders auffällt, ist die Geschmeidigkeit: Kein Springen von Bodenwelle zu Bodenwelle, alle Unwägbarkeiten des Untergrunds werden absorbiert und anders als so manches dahinwackelnde, alte französische Gefährt bleibt der GTI hundertprozentig in der Spur. Das ist ziemlich erstaunlich für ein so leichtes und relativ einfaches Auto.

Apropos alt und französisch. Der Peugeot 205 GTI hat die Idee ganz klar geklaut: Frontantrieb, geringes Gewicht, ein heißer 1,6 Liter großer Einnockenwellenmotor mit Einspritzung, ja sogar die schnelle, aber recht dürftige Schaltung und die etwas miesen Brem- sen. Daher wohl auch die ganzen alten Asphaltschlachten. Aber die begannen eigentlich erst, als die Produktion des Golf I bereits aus- lief, und so ging’s stattdessen gegen den Golf II.

1983 wuchs der Golf ein wenig. Zwar war Giugiaros Grunddesign noch erkennbar, aber VW-Designchef Herbert Schäfer gab ihm rundlichere Formen. Das Mehr an Größe bedeutete allerdings eine Gewichtszunahme von knapp 100 Kilo. Im Golf II sitzt man noch höher, auf ähnlich umklammernden, tiefen Sitzen. Auf dem Schaltknauf sitzt ein fast identischer Golfball und das Lenkrad kommt mit Kunststoff statt Leder daher. Er sieht irgendwie erwachsener aus, das Sitzmuster ist dezenter, das Armaturenbrett mit den vier Belüftungsdüsen mutet vollständiger an und die Türen sind mit stoffbezogenen Formteilen verkleidet.

Der Eindruck von Raffinesse ist viel größer, vor allem dank eines kompletten Hilfsrahmens für den Antriebsstrang, der den Motor etwas weiter nach hinten in Richtung Vorderachse platziert. Aber im Wesentlichen ist es dasselbe Layout: Federbeine und Querlenker vorn, Verbundlenkerachse hinten, Fünfgang-Schaltgetriebe, derselbe 112 PS starke Vierzylinder, die Lenkung dagegen bei diesem Exemplar servounterstützt.

Text: Glen Waddington // Fotos: Dean Smith für VW // Bearbeitung: Christel Flexney

In OCTANE #62 lesen Sie, wie sich der Kompaktsportler über die Jahrzehnte entwickelt hat.

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