Der Rallye-Champion Mohammed Bin Sulayem hat Ende 2021 die FIA-Präsidentschaft von Jean Todt übernommen und ein Herz für den Mercedes 600 Pullman.
Wenn man zu Besuch bei einem Mann ist, der aus einer einflussreichen emiratischen Familie stammt und zwischen 1986 und 2002 vierzehnmal den Titel der FIA Middle East Rally Championship gewonnen hat, dann ist es sicher keine Überraschung, dort eine Sammlung außergewöhnlicher Automobile vorzufinden. Darunter einige der Rallye-Autos, mit denen er in seiner aktiven Zeit selbst fuhr. Was man eher nicht erwartet, ist eine Privatwerkstatt, in der neben vielen anderen Klassikern 21 Exemplare eines zu seiner Zeit technisch herausforderndsten Automobile der Welt gewartet und restauriert werden. Und einem Mann zu begegnen, dem man seine Passion für klassische Automobile nicht nur anmerkt – sondern die man förmlich mit den Händen greifen kann.
Draußen, im geschäftigen Gewusel der arabischen Metropole, hat es 45 Grad. In der Werkstatt in einem Außenbezirk von Dubai ist es dagegen angenehm kühl – und aufgeräumt. Mohammed Bin Sulayem empfängt uns mit einem einladenden Lachen: “Alles, was von Menschen gemacht wurde, kann auch von Menschen repariert werden. Oder verbessert!” Ganz klar, der Mann strahlt eine “can do”-Mentalität aus, die ansteckend ist. Dabei ist es schon in Europa nicht ganz einfach, einen Mercedes-Benz 600 fachgerecht am Laufen zu halten. Welche Herausforderung muss das hier sein?
Warum hat er gerade mit dem Sammeln von 600er-Mercedes angefangen? Und nicht mit einem Modell, das einfacher zu unterhalten und zu restaurieren wäre? “Wenn es keine Herausforderung ist, dann ist es nichts für mich. Der 600er war zu seiner Zeit das fortschrittlichste Auto überhaupt – aber man kann nicht gerade behaupten, dass es auch das zuverlässigste war. Nach 1972, als sie aufhörten, den 600er in den USA zu verkaufen, war hier der wichtigste Markt. Ich glaube, 80 Prozent der Produktion ging in diesen Jahren nach Saudi Arabien. Als ich elf, zwölf Jahre alt war, also in der Zeit, wo jeder Junge einen Traumwagen hat, da waren diese Autos hier überall – und ich bewunderte sie. Aber irgendwann wollte niemand mehr die 600er haben.
Alle wollten neuere Autos. Und er war ja auch wirklich nicht zuverlässig. Außerdem gab es bei uns hier nicht diese Classic-Car-Kultur, bei der man sich um ein Auto und seinen Erhalt kümmerte. Man überließ sie einfach ihrem Schicksal. Zum Teil mit ganz wenigen Kilometern auf der Uhr. Und so kam es, dass ich Anfang 1979 selbst einen gebrauchten 600er erwarb. Aber es war kein gutes Exemplar. Mein Onkel hatte auch einen; also versuchte ich, mit seiner Hilfe das Auto zum Laufen zu bekommen. Aber es funktionierte nicht und ich kaufte mir stattdessen einen neuen 450 SEL 6.9. Ein tolles Auto – aber er besaß nicht das Charisma des 600ers.”
Fast ehrfürchtig spricht Bin Sulayem vom 600er in Deutsch vom “Großen”: “Die Faszination des “Großen” hat mich trotzdem nie losgelassen. Vor acht Jahren sah ich einen, praktisch wie neu, mit originalen 3800 Kilometern. Ich habe ihn noch immer. Aber das Auto ist kompliziert. Die Ingenieurskunst der Mercedes-Konstrukteure damals war unglaublich. Aber die Materialien, die sie zur Verfügung hatten, waren oft nicht gut genug. Der 600er hat ungefähr 500 Dichtungen in der Hydraulik und der Luftfederung, die immer wieder leckten. Ich habe sie nachfertigen lassen aus einem moderneren Material, das es damals noch nicht gab. Oder diese Ventile der Luftfederung hier. Die verlangen eine unglaubliche Präzision, wie wir sie nicht bekommen konnten.
Es dauerte ein Jahr, bis wir einen Lieferanten gefunden hatten, der in der Lage war, sie mit der nötigen Präzision nachzufertigen: ein Kamera-Hersteller aus Japan. Bevor sie die Produktion begannen, wollten sie wissen, um was für ein Teil es sich handelt. Als ich ihnen sagte, dass es aus einem 50 Jahre alten Mercedes stammt, hielten sie mich für verrückt. Vor 50 Jahren, sagten Sie, konnte niemand auf der Welt dieses Maß an Präzision fertigen. Das gibt eine Vorstellung davon, wie fortschrittlich dieses Auto damals schon war.”
Warum hat er angefangen, 600er-Mercedes selbst zu restaurieren? Wäre es nicht einfacher gewesen, sie einem professionellen Restaurator zu überlassen? “Schon in meiner Jugend habe ich an Autos geschraubt. Ich genieße die Zeit mit meinen Mechanikern hier in der Werkstatt und wünschte, ich hätte mehr Zeit dafür. Es wäre einfach, die Autos zu einer Werkstatt zu geben. Aber das hier ist mein Platz. Wo ich mit meinen Jungs arbeiten kann, ihnen die Möglichkeit gebe, etwas zu schaffen, als Team.”
Dabei ist er kein Techniker, kein Ingenieur. “Das meiste, was ich technisch weiß, habe ich in meiner Rallyezeit gelernt. Um als Rallyefahrer gewinnen zu können, musst du natürlich schnell sein und du musst die Möglichkeiten bekommen, auf einem schnellen Auto zu sein. Aber du brauchst auch Verständnis für die Technik und musst mit deinen Mechanikern ein eingespieltes Team sein. Vor allem musst du in der Lage sein, deinen Mechanikern eine gute Fehleranalyse zu liefern. So sparst du wichtige Zeit – und gewinnst am Schluss.”
Text: Berthold Dörrich // Fotos: Klaus Schwaiger
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