Text Jo Clahsen // Fotos Deniz Saylan
EIN LETZTES MAL NOCH. NACH SLS, SLS GT, GT3, 45TH ANNIVERSARY GT3 UND BLACK SERIES KAM IM VERGANGENEN JAHR DER SUPERSPORTLER ALS FINALE EDITION DES NOCH AKTUELLEN SLS. DER SLS AMG GT FINAL EDITION. MIT 591 PS. ALS LETZTER SEINER ART. IN EINER AUFLAGE VON LEDIGLICH 350 STÜCK
Der Weg zum Inferno sollte eigentlich mit einem Hinweisschild ausgestattet sein: Mind Your Head! Denn die Möwen-Flügler der Abteilung AMG SLS bieten bei gefühlten 1,50 Metern Höhe durchaus Potenzial zum Head-Bang. Das gilt sowohl für die aktuellen Brenner aus Affalterbach als auch den ersten SL 300 mit dem internen Kürzel W198.
Der SLS des 21. Jahrhunderts wiegt etwa 1600 Kilogramm und erreicht nach 11,2 Sekunden die magische Grenze. Von 200 km/h! Erst bei 320 ist Schluss mit Vortrieb, auch nur, weil die Elektronik es befiehlt. Aber selbst der alte 300 SL war kein trauriger Stubenhocker. Er rauschte mit seinem Dreiliter-Motor bis zu 260 km/h schnell über Rennstrecken oder Rallyepisten. Angefangen hat die moderne Sport-Geschichte auf der IAA des Jahres 2009. 55 Jahre nach den ersten Erfolgen des SL 300 stellt Mercedes-AMG den SLS vor. Quasi als Zivilversion für die Straße, nachdem zuvor fünf Jahre lang mit dem SLR eine Hommage an das Uhlenhaut-Coupé gebaut worden war. Ein Brutalo-Kracher, der in Kooperation von Mercedes und McLaren in England gebaut wird. Mit Schmetterlingstüren wie beim Ahn der frühen Jahre. Die Historie des SL war über die Jahrzehnte stark verwässert worden. Aus dem puristischen Aluminium-Biest mit Gitterrohrrahmen entwickelte sich die SL-Baureihe hin zu gut kameradschaftlichen Modellen wie der Pagode. Kultfahrzeuge heutzutage.
Sie als Coupé oder Cabrio voranzutreiben, ließ und lässt nach wie vor die Handinnenflächen bei forcierter Fahrt so trocken wie die Wüste Gobi. Auch die Modelle mit den Kürzeln 107, 129 oder R 230 verweichlichten im Straßenbild zu Old School Sportlern, denen die Jahre nicht nur ulkige Gesichter wie das mit den vier Augen, sondern auch Jahresringe um den ehedem eleganten und schlanken Hüftschwung beschert hatten. Und wrrroooooooms fährt der SLS vor, ein Unikum und Unikat zugleich. Ein großer, puristischer, lauter und gewaltiger Bolide. Einer, der nicht nur eigenständig von der Sportschmiede AMG entwickelt wird, sondern in dem auch die Motoren noch im Manufakturbetrieb komponiert werden. Echte Trieb-Werke. Kraftpakete. Und so erscheint es auch nur konsequent, dass jedem SLS eine Plakette inne ist, die den Namenszug des Erbauers als Unterschrift umfasst. Des Mannes, der den Motor händisch zusammengefügt hat. Kein trendiges Sixpack, sondern ein Eight-Pack. Ein 571 PS starkes.
Und weil der M 159 E 63 mit Trockensumpfschmierung arbeitet, kann er im flachen Supersportler sehr tief eingebaut werden. Das ist exzellent für die Performance. So weit, so sportlich, leicht und super. Jetzt kommt es aber noch besser. Denn der SLS AMG GT Final Edition wird nicht nur der Letzte seiner Art und Baureihe werden. Er rundet das reiche und leistungsstarke Programm mit den drei Buchstaben für Sport, Leicht und Super ab. Zum Schwelgen in Erinnerungen: Nach dem Neo-Flügeltürer kommt im November 2011 der Roadster in den Handel. Natürlich ohne Gull Wings. Im Oktober 2012 werden Coupé und Roadster als GT noch einmal aufgefrischt und nachgeschärft für noch bessere Sportlichkeit und Performance.
Nach bereits vor Kraft strotzenden 571 PS folgt der V8-Boller mit 591 Pferden unter der Aluminiumhaube. Und im zweiten Halbjahr 2013 wird auch diese Marke noch einmal zu Makulatur erklärt. Als Highlight des technisch Machbaren legen die Ingenieure von AMG im Sommer 2013 auch noch eine rein elektrische Version des SLS auf. Der elektrische SLS beschleunigt so vehement, dass der freie Fall wie Kindergeburtstag wirkt. Und weil er elektronisch so fein gesteuert werden kann, schneidet er auch seine Linie wie mit dem Laser-Skalpell in den Asphalt. Chapeau für AMG und seine Ingenieure.
Dieser Rekord für Elektrosportler ist für die Ewigkeit in den Teer gestanzt. Und die Final Edition des GT? Sie macht mit viel Sichtcarbon zunächst stark auf Drama. Auf ausgefeilte Technik, die sich nicht unter Lack und Farbe versteckt, sondern so tekky aussieht, wie sie in Wirklichkeit auch ist. Den krönenden Heckabschluss am barocken Po des bärbeißigen Renners bilden die in Hochglanz-Schwarz lackierten Streben der Heckschürze. Aber: Der SLS GT als Final Edition und in den beiden Bauformen Coupé und Roadster ist kein Poser. Er ist authentisch und die autoritäre Inkarnation dessen, was die Jünger der schnellen Fortbewegung als Sportwagen bezeichnen. Die Haube ist bei der finalen Edition mit einem zentralen Luftauslass versehen, der die Vorderachse durch zusätzlichen Abtrieb noch stabiler in die Spur zwingt.
WER HÖLLISCH SCHNELL SEIN WILL, DER MUSS AUCH VERTEUFELT GUT FAHREN KÖNNEN, DASS DEM BOLIDEN MIT DER UNGESTÜMEN KRAFT UND DEM RASIERMESSERSCHARFEN HANDLING NICHT DIE STRASSE AUSGEHT
Technischer Feinschliff auf dem Niveau, wie er nur bei Supersportwagen sinnstiftend sein kann. Fazit: Ganz gleich ob im Race-Start, in Comort-, Sport-, Sport+ Modus oder gar im manuellen Betrieb, der SLS Final Edition fordert von seinem Piloten volle Aufmerksamkeit. Und wer höllisch schnell sein will, der muss auch verteufelt gut fahren können, dass dem Boliden mit der ungestümen Kraft und dem rasiermesserscharfen Handling nicht die Straße ausgeht. Schließlich möchte jeder, der in den Genuss des Letzten seiner Art kommt, immer wieder auf den exzellenten Sitzen Platz nehmen, das griffige und unten abgeflachte Lenkrad in die Hand nehmen, den fein durchgestylten Wählhebel in die Vorwärtsstufe rücken. Und man will mit den feinen, auf Maß gefertigten Rennhandschuhen über die auf der Carbon-Mittelkonsole montierte Plakette streichen, die besagt: FINAL EDITION – 1 OF 350.