Der fünfmalige Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio begann seine Karriere Ende der 1930er-Jahre auf einem Chevrolet Coupé. OCTANE hatte die Chance, eine Rallye-erprobte Replica zu fahren.
Das 39er Fangio Chevrolet Coupé nach einer weiteren Drei-Punkte-Wendung an unserem Fotografen Tim Andrew vorbeibrausen zu lassen, ist ein Mordsspaß. Auch wenn wir hier nur in Oxfordshire sind und nicht in der Wüste Gobi, der natürlichen Umgebung für dieses Schlachtross. Die anfangs schwergängige Lenkung wird mit zunehmender Geschwindigkeit leichter, verbunden mit reichlich Spiel zum Korrigieren. Vielleicht reagierten die Fahrer in diesen alten schwarz-weißen B-Movies damals doch nicht über, wenn sie wild am Lenkrad sägten?
Was hat es nun mit diesem Fangio Coupé auf sich? Das von 1933 bis 1942 gebaute Chevrolet Master Coupé war wegen seiner kompakten Größe und der im Vergleich hohen Agilität beliebt bei Ganoven, die schwarz gebrannten Schnaps aus dem Hinterland in die Städte schmuggeln wollten. Anders als dieses Exemplar, das auf Langstreckentauglichkeit und Robustheit ausgelegt ist, wurden die Schmugglermobile nach allen Regeln der Kunst getunt, um den Zollbeamten davonfahren zu können. Dazu die Aufhängungen verstärkt, um das zusätzliche Gewicht des in einem zweiten Tank verborgenen Whiskeys abzufedern.
Für den jungen Juan Manuel Fangio war solch ein Chevy der Startpunkt seiner traumhaften Karriere. Er bestritt mit einem dieser anfangs 85 und in der Endausbaustufe gut 130 PS starken US-Stockcars 1939 seine ersten Rennen in der argentinischen Carretera Turismo-Klasse. Das waren brutale Langstreckenfahrten auf zum überwiegenden Teil groben Schotterpisten, ausgetragen in ganz Südamerika. 1940 feierte der damals 29-jährige »El Chueco« (Der Krummbeinige) mit dem Sieg beim über 9445 Kilometer langen und von Buenos Aires nach Lima (und zurück!) führenden Gran Premio Internacional del Norte den größten Erfolg seiner »wilden Jahre«. Die ihm 1940 und 1941 den Titel »Campeón Argentino de Carretera« einbrachten. Erst zum Ende der Saison 1949 nahm der Mann aus Balcarce endgültig Abschied von dieser Szene und ging ganz nach Europa, wo er bis 1957 fünfmal Weltmeister auf Alfa Romeo, Ferrari, Mercedes und Maserati wurde.
Der Held unserer Story ist eine Replica des Fangio Chevy aus dem Jahr 1940, makellos präpariert von Rally Preparation Services aus Witney in England. Es ist ein irres Teil zum Fahren: ruppig, rau und kompromisslos hart abgestimmt. Darauf ausgelegt, Langstrecken-Rallyes wie die 14.500 Kilometer lange Peking- Paris Motor Challenge durchzustehen.
Der Nachbau eines 1939/1940er Chevrolet zieht sich über zwölf bis 18 Monate und kostet umgerechnet rund 170.000 Euro. »Oder noch mehr, kommt drauf an, was man will«, präzisiert Ayris, der Geschäftsführer von RPS. »Los geht es mit einem Spenderfahrzeug, und es lohnt sich, gleich etwas Geeignetes auszuwählen. Alle haben eine hintere Starrachse, manche einen hinteren Notsitz und es gibt drei Vorderachskonstruktionen, darunter eine mit Blattfedern. Am besten ist die mit Blattfedern.«
Der Chevrolet von 1939 wurde von der zweiten Generation des »Stovebolt-Motors« angetrieben – ein 1937 eingeführter Reihensechszylinder mit 85 PS aus 3,2 Litern Hubraum. Dieses Modell hat die spätere 235-Version mit 3,9 Liter Volumen unter der Haube. Ursprünglich 1941 für Lkw eingeführt, trieb sie ab 1950 alle Pkw mit Powerglide-Automatikgetriebe an und fand 1953 sogar den Weg in die erste Corvette. Die Stovebolt 235er brachten es auf 123 PS – mit hydraulischen Ventilstößeln sogar auf bis zu 136 PS.
Text: Jesse Crosse
Fotos: Tim Andrew, Gerard Brown
Bearbeitung: Thomas Imhof