Moderne Klassiker

Die jungen Wilden

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Sie sind die Heilige Dreifaltigkeit der Supersportwagen – drei Autos, die einst an der Sarthe antraten und als Straßenversion kaum zahmer waren. Henry Catchpole lässt es krachen im McLaren F1, Porsche 911 GT1 und Mercedes-AMG CLK GTR.

Einen Gang runterschalten. Nur zum Spaß. Nur, um den V12 zu hören. Denn das lässt das wahrscheinlich beste Ansauggeräusch entstehen, das je aus einem Straßenauto hervordrang. Fast gibt es eine Parallele zwischen der Luft, die vom Ansaugtrakt direkt über meinem Kopf zum Motor hinter mir strömt, und dem Kribbeln, das in meiner Kopfhaut entsteht und die komplette Wirbelsäule hinunterläuft. Das ist Supersportwagen-Feeling pur.

Ein Blick nach rechts durch die von einem schwarzen Bogen zweigeteilte Seitenscheibe und es zeigt sich mir die Dachhutze des verrücktesten Straßenwagens, der jemals die Bezeichnung 911 trug: des GT1. Ein Blick nach links und ich erspähe das Abbild des teuersten Mercedes-Straßenwagens, der je das Licht der Welt erblickte: des CLK GTR. Ich sitze im McLaren F1, dem mit Abstand am häufigsten gebauten Auto unseres Trios. Nicht zum ersten Mal muss ich über die Absurdität dessen, was hier passiert, schmunzeln.

McLaren vor Mercedes-AMG und Porsche – ein bisschen in dieser reihenfolge war auch die Siegesbilanz …

Dies sind drei der aufregendsten Straßenautos, die je gebaut wurden. Zwei davon basieren auf Le- Mans-Rennwagen, das dritte wurde als das beste Straßenauto aller Zeiten konzipiert und holte zufällig den Sieg in Le Mans. Den Gesamtsieg, und zwar auf Anhieb! Als James Cottingham von DK Engineering mich zum ersten Mal fragte, welches wohl das beste Trio von Straßensportwagen sei, nannte ich sofort diese drei. Aber diese drei Supersportwagen tatsächlich zusammenzubringen?

Na gut, ich wusste, dass sie den GTR hatten, aber trotzdem. Und dass sie alle in Silber lackiert sein sollten, machte das Unterfangen nicht gerade leichter. Diese drei stehen für eine goldene Ära des Langstreckensports. Und in der Tat versucht die FIA mit der neuen LMH-Kategorie, den Geist der GT1-Rennwagen und der unglaublichen Straßenfahrzeuge, die sie hervorbrachten, neu zu beleben.

Der McLaren war für die Straße gedacht und wurde zum Siegerauto, der Porsche wollte gewinnen, schaffte es aber nicht und der Mercedes-AMG kam schließlich böse um die Ecke.

Bekanntermaßen war der McLaren F1 nie für den Rennsport gedacht. Gordon Murray und sein Team schufen ein Straßenauto, und das spürt man, sobald man in den Wagen einsteigt. Zugegeben, es bedarf einer ausgeklügelten Technik (die ich noch nicht beherrsche), um in einen F1 so elegant einzusteigen wie in einen Ford Fiesta. Aber wenn man erst einmal drin ist, wird man von einem ebenso zielgerichteten wie geräumigen Cockpit verwöhnt. Und bequem ist es trotz des dünnen Sitzes auch. Man kann sich gut vorstellen, lange Strecken darin zurückzulegen, und da dieser Supersportwagen nur 4288 Millimeter lang und 1820 Millimeter breit ist, eignet es sich auch perfekt für die Stadt.

Doch trotz des offensichtlichen Komforts des F1 wurde er von einem Rennteam nach anspruchsvollen Standards entwickelt. Als leistungsfähiges Straßenauto war er zum Zeitpunkt seiner Markteinführung unübertroffen. So war es fast unvermeidlich, dass er auch in einer Rennserie, die auf Straßenautos basierte, ganz oben mitspielen würde. Nachdem die Kunden McLaren davon überzeugt hatten, ein Rennwagenprogramm zu starten, dominierte der F1 1995 und 1996 die BPR Global GT Series: In beiden Jahren gewann er sowohl die Fahrer- als auch die Teamwertung.

Auch das Heck macht die Wahl nicht leicht: Porsche, Mercedes-AMG oder McLaren – welchen nehmen?

Der Sieg des McLaren an der Sarthe im Jahr 1995 muss Porsche enorm geärgert haben, denn bis dahin war das 24-Stunden-Rennen die Spielwiese des 911 gewesen. Für 1996 wurde Projektleiter Norbert Singer daher beauftragt, ein Auto zu bauen, das auf einem 911er-Straßenwagen basierte, aber den übermächtigen F1 auf der Rennstrecke bezwingen konnte. Das Ergebnis war ein Mix aus dem 993 und dem 962. Nimmt man im GT1 Platz, gibt es kein Vertun: Man sitzt in einem 911er. Der Sitz stammt aus einem 964, das Armaturenbrett mit den fünf Instrumenten ist – abgesehen von der Wassertemperaturanzeige – exakt das, was einen im 993 erwartet. Doch hinter dem Fahrer, verdeckt durch die Schottwand, hinter der das klobige Schaltgestänge verschwindet, steckt reine Rennwagentechnologie.

Von der Straßenversion mit der 993er-Nase wurden lediglich zwei Stück gebaut, die meisten der etwa 20 Straßenexemplare basierten auf dem GT1 Evo mit der 996er-Nase von 1997 – den wir hier haben. Und die Tatsache, dass Porsche die volle Homologationsquote von 25 Straßenfahrzeugen nicht erfüllte, macht den GT1 zum seltensten Auto unseres Trios.

Ich habe noch nie einen CLK GTR gefahren und das lässt ihn auf Anhieb einschüchternder auf mich wirken als die anderen. Und auch der Einstieg macht es mir nicht leicht. Die Tür des Porsche lässt sich normal öffnen und man muss lediglich über die X-Rohre des Überrollkäfigs klettern.

Der McLaren ist etwas kniffliger, aber selbst das ist im Vergleich zum Mercedes ein Klacks. »Cool«, denkt man, als die winzige Tür nach oben schwingt, doch dann sieht man den breiten Schweller, den es zu überwinden gilt (groß genug für ein Gepäckfach darunter), und die winzige Öffnung, durch die man krabbeln muss. Am besten mit den Beinen voran, aber selbst wenn man nur mittelgroß ist, gibt es keinen eleganten Weg, um hineinzukommen. Oder wieder heraus.

Text Massimo Delbò  // Fotos Max Serra  // Bearbeitung Christel Flexney

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