Klassiker

Die Geburt der Legende

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Die Ursprünge von Bugatti liegen in diesem winzigen Rennwagen. Eine »Voiturette«, klein von Statur, aber mit gigantischem Ehrgeiz. Massimo Delbò unternahm eine Reise in die Vergangenheit.

Nur 8000 Autos. Das ist mehr oder weniger die Gesamtproduktion von Bugatti zwischen 1909 und 1947. Ein überschaubarer Output, aber er reichte, um die Marke für immer zur Legende zu machen. Ettore Arco Isidoro Bugatti wurde 1881 in Mailand geboren und etablierte sich im Alter von 20 Jahren als Innovator, als er seine eigene Version eines Prinetti & Stucchi auf der Mailänder Mostra nazionale dello Sport präsentierte. Dies verschaffte ihm 1902 eine Anstellung bei der Firma De Dietrich & Cie. im damals noch zum deutschen Kaiserreich gehörenden Niederbronn im Elsass. 1909 begann Bugatti mit dem heimlichen Bau seines ersten eigenen Autos (Typ 10), obwohl er zu diesem Zeitpunkt offiziell noch Chefingenieur der Gasmotorenfabrik Deutz in Köln war. Als das ans Licht kam, trennte man sich recht schnell.

Mit dem Geld seiner Abfindung und vermittelt von dem Bankier Augustin de Vizcaya gründete Bugatti am 1. Januar 1910 in Molsheim und damit erneut im Elsass »Automobiles Ettore Bugatti«. Am 21. August stellte er dort das erste Modell mit seinem Namen vor: den in vielerlei Hinsicht vom Prototypen Typ 10 abgeleiteten Bugatti Typ 13. Anfangs mit eckigem, ab 1912 mit ovalem Kühlergrill. Bis 1926 lieferte Bugatti laut den meisten Quellen 435 Fahrzeuge mit Achtventil-Motoren (T13, 15 und 17) und etwa 2000 mit 16-Ventil-Triebwerken (T13, 22, 23 und 27) aus. All diese T13-Derivate repräsentierten Bugattis Idee eines kleinen und leichten Sportwagens. Dessen Erfolge im Motorsport und an der Verkaufsfront dann die Richtigkeit des Konzepts bewiesen.

Der Sieg beim ersten GP von Italien 1921 verlieh dem T13 den Beinamen »Brescia«.

Der Hubraum des anfangs 1327 ccm großen Vierzylindermotors mit 15 PS stieg ab 1912 auf 1368 ccm (erst mit zwei, ab 1919 mit vier Ventilen pro Zylinder), 1921 auf 1453 ccm und schließlich 1923 auf 1496 ccm für die Rennausführung an. Die Ventilsteuerung des OHC-Motors übernahm eine Königswelle mit doppelten Kegelrädern; der Grauguss-Motorblock und der Zylinderkopf bestanden aus einem einzigen Gussstück und das Getriebe war durch eine kurze Welle mit dem Motor verbunden. Weitere und im Verlauf der kontinuierlichen Weiterentwicklung eingeführte Feinheiten waren eine Magnet-Doppelzündung für zwei Zündkerzen pro Brennraum, ein Dual-Zenith-Vergaser, Kugellager für einen leichteren Lauf der Kurbelwelle, Weißmetall für die Kurbelwellenlager und eine Pumpe, die gezielt Öl auf ausgewählte Bauteile spritzte. Leichte Drahtspeichen- statt schwerer Holzräder reduzierten die ungefederten Massen.

Zum späteren Ruhm von Bugatti trugen von Anfang an Rennerfolge bei. Schon 1911 setzte Bugatti mit dem Start des Werksfahrers und Teilhabers Ernest Friderich beim GP de France in Le Mans ein Ausrufezeichen: Der kleine T13, damals noch in der deutschen Rennfarbe weiß, lief als Zweiter hinter dem 10.084 ccm großen F.I.A.T. von Victor Hémery ein. Der Erste Weltkrieg unterbrach dann die Produktion; im nun französischen Elsass lief sie Ende 1919 wieder an. Für die Zeit des Krieges hatte Ettore Bugatti zwei fertige T13 mit nach Mailand genommen, Teile für drei weitere ließ er in der Nähe seiner elsässischen Fabrik vergraben. Nach dem Friedenschluss kehrte er zurück und fertigte daraus fünf Rennwagen.

Ein bescheidener 1,4-Liter-Vierzylinder mit Königswelle, 36 PS bei nur 450 Kilo Gewicht bedeuten aber 125 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Am 29. August 1920 nahm Bugatti mit vier Typ 13 am Coupe des Voiturettes von Le Mans teil. Ausgetragen wurde das Rennen auf einem 17 Kilometer langen Kurs, der als »Circuit de la Sarthe« ab 1923 auch für das 24-Stunden-Rennen genutzt werden sollte. Startberechtigt waren Fahrzeuge bis 1,4 Liter Hubraum. Als Piloten griffen Pierre de Vizcaya, Michele Baccoli, Fernand de Vizcaya und Ernest Friderich ins Lenkrad ihrer erstmals in französisch Racing Blue lackierten T13. Am Ende gewann Friderich mit einem Schnitt von 91,96 km/h vor zwei Bignan.

Im Jahr 1921 trumpfte Bugatti bei der Brescia-Rennwoche – zu der auch der erste GP von Italien gehörte – dann richtig auf: Beim am 8. September auf dem 17,3 Kilometer langen Straßenkurs von Montichiari bei Brescia ausgetragenen »Gran Premio della Vetturrette«, landeten die Bugattisten in der Reihenfolge Friderich, (mit einem Rekordschnitt von 118 km/h), Fernando de Vizcaya, Baccoli und Piero Marco einen Vierfachsieg. Diese Autos (T22) hatte Bugatti mit stärkeren vorderen Dämpfern, dem größeren Motor mit Doppelmagneten und zwei Zündkerzen pro Zylinder sowie einem verstärkten Chassis aufgerüstet. Es war dieser Renntriumph, der dem T13 den Beinamen »Brescia« verlieh.

Der Begriff »Voiturette« scheint völlig angemessen, wenn man die Größe dieses winzigen Autos sieht – und unser Autor Massimo ist kein Riese!

»Das war der Moment, der Bugatti auf die Landkarte brachte«, sagt der italienische Sammler Franco Majno, langjähriger Bugatti-Fan und seit 1994 Besitzer dieses Bugatti Typ 13-27 von 1920 mit Fahrgestellnummer 950. Ausgestattet mit einem 16-Ventil-Motor (Nr. 524) wurde der T13 im Dezember 1919 bestellt und im darauffolgenden August in Paris ausgeliefert. Wie immer bei Bugatti, vor allem bei den ganz frühen Modellen, ist es sehr schwierig, für alles Belege zu haben. » Aber in diesem Fall hatten wir großes Glück, denn der Wagen war über mehrere Jahrzehnte immer auf dem Radar der bekannten Bugatti-Historiker Norbert Steinhauser, David Sewell und Pierre Laugier«, sagt Franco. »Denn es handelt sich vermutlich um einen der allerersten 16-Ventiler, möglicherweise sogar um einen Prototyp, aus dem dann das Rennmodell ›Brescia‹ hervorgehen sollte.«

In der Tat beträgt der Radstand dieses Wagens 1,950 Meter wie bei den Achtventilern, ist aber 50 Millimeter kürzer als bei den anderen 16-Ventilern. Was bedeutet, dass das Chassis, das aus vier statt fünf Millimeter starkem Stahl wie beim »Brescia« besteht, aus der Vorkriegszeit stammen könnte. Der originale Motor hat einen abgerundeten Block, wie ihn Bugatti schon bei der Konzeption des 16-Ventil-Motors vor Kriegsausbruch entwickelt hatte – ehe er ihn ab 1920 in der späteren rechteckigen Form herstellte. Es gibt Gerüchte über eine Reihe von 16V-Motoren, die kurz vor dem Krieg hergestellt wurden und einsatzbereit waren, jedoch dann ebenfalls im Garten der Fabrik vergraben wurden. Sie hatten einen abgerundeten Motorblock, und dieses Exemplar könnte durchaus eines aus dieser Charge sein.

Fotos Max Serra // Bearbeitung Thomas Imhof

Lesen Sie in OCTANE #70, warum es sich beim diesem T13 um einen der ersten Le-Mans-Bugatti handeln könnte.

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