Jaguar D-Type fahrend auf der Autobahn
Klassiker

So viel Laune macht der Jaguar D-Type Prototyp

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Jaguar D-Type


OCTANE#16

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 Text Mark Dixon // Fotos Matthew Howell

NORMAN DEWIS, DER DEN JAGUAR D-TYPE EINST MITENTWICKELT HAT, IST AM 8. JUNI 2019 IM ALTER VON FAST 100 JAHREN VERSTORBEN. OCTANE ERINNERT AN EINEN BESUCH im Jahr 2014 MIT DEM ORIGINAL-PROTOTYPEN BEI DIESER LEGENDE.

Wer sich unter Coventry ein romantisches englisches Städtchen vorstellt, der irrt gewaltig. Keine königlichen Parkanlagen oder mittelalterliche Kolonnaden, und durchs Zentrum windet sich auch kein majestätischer Fluss. Stattdessen überall Grau, wo man auch hinschaut: überall in Zement gegossene Spuren des Zweiten Weltkriegs.

Doch wenn man Autos mag, ist Coventry durchaus beeindruckend. Einst beherbergte die Stadt mehr als hundert Autobauer. Um die Geschichte stilgerecht zu erfassen, sollte man sie mit einem Jaguar erfahren, dem wohl bekanntesten Produkt aus Coventry. Wenn es dann noch ein D-Type ist, dann ist der emotionale Overload enorm. Die Ringstraße mag noch so hässlich sein, ihre grauen Betonmauern bilden die perfekte Widerhallfläche für einen Le Mans-Rennmotor aus den 1950er-Jahren.

Der Jaguar D-Type war der typische Low-Budget-Weltmeister und das Auto, das den beiden Le Mans-Siegen des C-Type noch ein paar weitere hinzugefügt hat. Das Fahrzeug auf unseren Fotos ist der Werksprototyp mit der Chassisnummer XKC 401. Das C deutet darauf hin, dass sich zum Zeitpunkt seiner Entwicklung noch niemand über einen neuen Namen Gedanken gemacht hatte. Der Wert dieses Autos beträgt heute – vorsichtig geschätzt – neun bis vierzehn Millionen Euro. Und damit fahren wir durch den Berufsverkehr und über Englands meistbefahrene Autobahn!

OCTANE zu Besuch bei Norman Dewis, der den D-Type einst mitentwickelt hat
So sehen sich Mann und Auto wieder: OCTANE mit dem Original-Prototypen des Jaguar D-Type zu Besuch bei Norman Dewis, der die Raubkatze einst mitentwickelt hat.

Der Grund für unseren Trip durch die Midlands ist, dass der Mann, der einst geholfen hat, diesen Wagen zu entwickeln, und der Mitte der 50er-Jahre viele Tausend Meilen damit gefahren ist, heute noch genauso gesund und munter ist wie das Auto. Der Mann heißt Norman Dewis und war in den goldenen Zeiten der C-, D- und E-Typen oberster Entwicklungsingenieur bei Jaguar. Er ist 94, sieht aber zwanzig Jahre jünger aus, von seinem Verhalten ganz zu schweigen. Er flirtet unentwegt, aber das macht er so charmant, dass er stets ungestraft davonkommt. Wen stört da der eine oder andere Fleck auf seinem Sakko?

MIT DEM JAGUAR D-TYPE ÜBER DIE AUTOBAHN BRETTERN IST SURREAL! MAN SPÜRT, DASS ER AUS EINER ANDEREN ÄRA STAMMT.

Seit seiner Pensionierung 1985 lebt Dewis in Shropshire. Er ist allerdings eher auf Veranstaltungen anzutreffen als zu Hause, denn in der Jaguar- Szene ist er immer noch ein sehr gefragter Mann. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs steckt er in den letzten Vorbereitungen auf eine Reise nach Arizona, wo er bei der jährlichen C- und D-Type-Tour teilnehmen wird. Unsere Fahrt von Coventry zu ihm verspricht eine aufregende Mischung aus Stadtstrecke, Schnellstraße, Autobahn und kurvenreichen Landstraßen. Und all das in einem echten Le-Mans-Renner. Wollen wir hoffen, dass es trocken bleibt.

Wir starten beim Jaguar-Entwicklungszentrum in Whitley im Süden von Coventry. Der Jaguar D-Type – immer noch mit dem Original-Kennzeichen OVC 501 – zieht zahlreiche Schreibtischtäter in nicht immer ganz perfekt sitzenden Anzügen geradezu magnetisch an. Viele von ihnen wissen vermutlich eher wenig über das Auto und seine Bedeutung, aber diese Form, diese von Malcolm Sayer gestylten Kurven sind einfach unschlagbar. Ja, das kann man ganz nüchtern so sagen: der Sexappeal des Jaguar D-Type ist wie am ersten Tag. Mit der kurzen, aggressiv wirkenden Nase sieht der Wagen kompakt und leistungsstark aus – eben wie ein echter Racer. »Sind Sie schon einmal D-Type gefahren?«, fragt der zuständige Techniker von Jaguar Heritage. »Nicht in jüngster Zeit«, antworte ich.

Jaguar D-Type Heck, fahrend auf Autobahn
Nach wie vor ist der Jaguar D-Type mit seinem Original-Kennzeichen OVG 501 unterwegs.

»Okay. Die Kupplung ist eine Rennkupplung. Wenn Sie mit dem Gaspedal achtlos umgehen, werden die Vergaser geflutet und der Motor kommt ins Stocken«, sagt er. Dann schließt er die hauchdünne Fahrertür. Und hinterlässt mich mit dem Gefühl, in einer viktorianischen Badewanne zu sitzen. Jetzt muss ich den Jaguar D-Type also nur noch ohne Abwürgen von der uns umgebenden Menschenmenge wegbewegen und mich in den Verkehr des 21. Jahrhunderts begeben.

Was könnte da schon schiefgehen? Ehrlich gesagt: nicht viel. Der Jaguar D-Type entpuppt sich als ein Auto, das von Anfang an mitspielt. Kurz an dem stark nach vorne geneigten Schalthebel wackeln, um sicherzustellen, dass er im Leerlauf ist, dann das Kupplungspedal kräftig durchtreten, Gaspedal drei, vier Zentimeter nach unten und Starterknopf drücken: Der Jaguar springt ohne zu zögern an und während die Tourenzählernadel hochschnellt, stößt der Auspuff seinen grimmigsten Laut aus.

SEINE SCHARFEN KURVEN VERDANKT DER D-TYPE MALCOLM SAYER – ER BESCHERTE DEM SPORTWAGEN DAMIT EINEN FAST UNSCHLAGBAREN SEXAPPEAL

Die Kupplung ist also etwas scharf, aber auch nicht zu schwierig. Das maßvolle Gasgeben, das Dave angemahnt hat, um kein Motorstottern zu erzeugen, ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Die gelegentlich hohen Drehzahlen bringen den Reihensechszylinder wenigstens ordentlich zum Singen. Der seitliche Auspuff stößt ein scharfes Schnauben aus, das aber weit weniger störend ist als erwartet. Bei innerstädtischen Geschwindigkeiten knurrt er mit einer Lautstärke, die niemanden belästigt. Da entwickelt selbst ein aufgemotzter Corsa ganz andere Dezibelwerte.

Die Kennenlernphase ist bei jedem Auto kritisch, erst recht, wenn beim Steuern eines zehn Millionen Pfund teuren Aluminiumkunstwerks über hundsnormale Verkehrsstraßen. Zum Glück ist der D-Type so klein, dass man sich fast nach draußen lehnen und die üppigen Kurven der seitlichen Kotflügel berühren möchte – ‚streicheln‘ wäre vielleicht das passendere Wort. Ohne die Heckflosse vieler D-Types (sie wurden 1954 für das Rennen in Le Mans angenietet) ist bei diesem Auto die Sicht nach hinten erstaunlich gut.

Motor des Jaguar D-Type
Der rund 3,4 Liter große Reihensechszylinder leistet 245 PS bei 5750 U/min. In 4,7 Sekunden erreicht er Tempo 100, seine Höchstgeschwindigkeit liegt bei circa 225 km/h.

Mit jedem Lenkradeinschlag wächst das Vertrauen in den Wagen, denn die Lenkung ist ausgesprochen weich und exakt, auch aufgrund des geringen Gewichts von 870 kg – was mehr oder minder einem Polo von vor der Jahrhundertwende entspricht. Und die Bremsen sind perfekt: Ein kurzer Pedalweg sorgt für ein sofortiges, progressives Greifen, was bedeutet, dass man sich blindlings auf sie verlassen kann. Jedenfalls auf normalen Straßen. Beim Abbremsen vor der Mulsanne-Geraden von 230 km/h sieht man das vielleicht anders – aber nicht bei unserer kleinen Ausfahrt unter Alltagsbedingungen.

NORMAN DEWIS MACHT ERST MAL EINE TASSE TEE FÜR JEDEN, DANN REDEN WIR NUR NOCH ÜBER EINS: DEN JAGUAR D-TYPE

Unter anderen Bedingungen – beispielsweise mit dem D-Type bei Le Mans Classic – fühlt man sich im D-Type wie in einem Flugzeug, kein Wunder bei den sichtbaren Nieten und dem blanken Aluminium. An den Vergleich denkt fast jeder, der zum ersten Mal einen D-Type fährt. Die gefalzten Aluminiumbleche, das schnörkellose Armaturenbrett, die schwarz hinterlegten Instrumente und die mattschwarze Lackierung erinnern wirklich an ein Kampfflugzeug. Andererseits ist das auch nicht so überraschend, war doch der Zweite Weltkrieg erst seit neun Jahren vorbei, als XKC 401 gebaut wurde.

Zwar fanden die Rennerfolge des C- und D-Type innerhalb von wenigen Jahren statt, doch zwischen dem Styling der beiden Typen, auch den Fähigkeiten liegen Welten. Der C-Type hatte einen Gitterrohrrahmen, im Jaguar D-Type war ein zentrales Monocoque mit angeschweißtem Hilfsrahmen verbaut. Der C-Type war mit altmodischen Speichenrädern ausgestattet, der D-Type lief auf seinerzeit modernen Dunlop-Aluminiumfelgen. Den Motor des D-Type übernahm Jaguar mit minimalen Veränderungen wie größeren Einlassventilen und einer geänderten Nockenwelle vom C-Type.

»WENN WIR EINE LUFTHUTZE AUSPROBIEREN WOLLTEN, WURDE DIE SCHNELL ANGEFERTIGT – DANN HABEN WIR SIE ANGENIETET UND GETESTET.«

Ein weiterer Unterschied ist die Trockensumpfschmierung, die nicht nur ein Ansteigen des Öls in den Kurven verhindert, zudem kann der große Reihensechszylinder dadurch auch ganze sieben Zentimeter tiefer sitzen als im C-Type. Das hatte unter anderem auch den Nebenffekt, dass Sayer eine niedrigere, schlankere Karosserie entwerfen konnte. Der XKC 401 wurde im März 1954 gebaut, dicht gefolgt von den drei Werkswagen für Le Mans, Chassisnummern 402 bis 404. Jaguar schickte ein erlesenes Rennfahrerteam ins Rennen – Hamilton, Rolt, Moss, Walker, Whitehead und Wharton –, doch mechanische Probleme bescherten Froilán Gonzáles im 4,9-Liter-Ferrari einen hauchdünnen Sieg.

Jaguar D-Type stehend im Seitenprofil
Er ist und bleibt ein Siegertyp. Bis heute erzeugt der Jaguar D-Type Gänsehaut-Feeling – vor allem bei unserem Testfahrer, der ein zehn Millionen Pfund teures Kunstwerk durch den normalen Straßenverkehr führen sollte …

Duncan Hamilton erinnerte sich später, dass »meine Räder bei 270 km/h im obersten Gang durchdrehten «, als er versuchte, Gonzales auf nasser Strecke zu überholen. Er tat das einzig Sinnvolle, indem er leicht vom Gas ging, um Jaguar einen Podiumsplatz zu sichern. Die Erfolge des D-Type über die folgenden zwölf Monate waren durchwachsen – nicht schlecht aber auch nicht außergewöhnlich. Das Design musste nicht nur für Le Mans 1955 weiterentwickelt werden.

Die größte Veränderung betraf den Hilfsrahmen vorn, der nun nicht mehr an die Spritzwand angeschweißt war, sondern – zur Erleichterung laufender Reparaturen – angeschraubt. Außerdem wurden die Rohre jetzt aus Nickelstahl statt aus einer Magnesiumlegierung hergestellt. Trotz des Materials waren sie leichter, da sie dünner gefertigt werden konnten. Auch von außen sichtbar: im Interesse einer besseren Aerodynamik und eines höheren Topspeeds wurde die Nase um 19 Zentimeter verlängert. Die Motorleistung wurde – unter anderem – durch Vergrößerung der Ein- und Auslassventile um 30 auf 270 PS angehoben.

IM FEBRUAR 1957 ZERSTÖRTE EIN FEUER IN DER FABRIK NEUN IM BAU BEFINDLICHE D-TYPES – EIN ZEICHEN, DASS DIE TAGE DES SPORTWAGENS GEZÄHLT WAREN?

Doch die 1955er Ausgabe von Le Mans wurde von dem schweren Unfall von Pierre Levegh überschattet, bei dem der Mercedes-Fahrer selbst und zahlreiche Zuschauer ums Leben kamen. Mercedes hatte das Rennen bis dahin angeführt, zog sein Team aber nach dem Unfall zurück, und so ging ein mehr als fader Sieg an Hawthorn und Bueb im Werks-D-Type mit der Chassisnummer XKD 505. Auf der Strecke wären Fangio und Moss im 300 SLR wohl kaum zu besiegen gewesen. Für Le Mans 1956 wurden zwei der drei Werkswagen mit einer Benzineinspritzung von Lucas ausgestattet. Das Rennen lief jedoch nicht gut für Jaguar. Zwei Autos fielen durch Unfall aus, Hawthorns XKD 605 mit Einspritzung blieb mit einem Haarriss in der Benzinleitung liegen. Es waren Flockhart und Sanderson, die mit einem Sieg im Jaguar D-Type der Ecurie Ecosse die Jaguar-Ehre retteten.

1957 wiederholte der schottische Rennstall den Erfolg mit einem Doppelsieg (unter den ersten sechs waren fünf D-Type), doch Jaguar hatte sich bereits lange zuvor vom Motorsport abgewendet, um sich auf das zu konzentrieren, was einmal der E-Type werden sollte. Der Abschied kam nicht von irgendwo, ein Feuer in der Fabrik hatte im Februar 1957 neun im Bau befindliche D-Type zerstört. Weitere 42 der insgesamt 67 auf dem Chassis von 1955/56 basierenden Autos wurden verkauft, 16 verließen die Fabrik als XKSS-Modell, das den Abwärtstrend der Verkaufszahlen stoppen sollte. Doch die Tage des D-Type neigten sich ihrem Ende.

Jaguar D-Type fahrend vom vorne
Die Lenkung ist angenehm weich, die Bremsen greifen perfekt. Und erst dieser Sound – Fahrspaß pur!

Mit einem Jaguar D-Type über die Autobahn zu knattern, bei moderaten 3400 U/min, ist surreal! Man spürt, dass der Wagen aus einer anderen Ära ist, trotzdem fühlen sich Fahrer und Auto pudelwohl. Meine Sonnenbrille und die Schiebermütze sehen vielleicht etwas affektiert aus, aber sie halten die Augen frei und den Kopf warm, während die Luft effizient über die niedrige Windschutzscheibe strömt. Den Innenraum wärmt der Motor gut auf – bei jeder Bewegung des Gaspedals wirbelt einem ein warmer Luftstrom um die Beine. Die erwähnte Drehzahl von 3400 U/min hat eine besondere Bedeutung, denn genau an diesem Punkt offenbart der D-Type seine wahre Natur als Hochgeschwindigkeitsrenner. Der Auspuffton wird schärfer und intensiver, ganz, als würde der D-Type aus einem Dämmerschlaf erwachen.

NORMAN DEWIS HAUS IST LEICHT ZU FINDEN: AUF SEINEM GARAGENTOR BRÜLLT DEM BESUCHER EINE WILDKATZE ENTGEGEN

Als ich vor zwei Jahren mit dem Le Mans-Sieger Andy Wallace in einem D-Type nach Genf gefahren bin, konnte dieser es sich nicht verkneifen, den Wagen in jedem Tunnel hochzudrehen, nur weil er den Sound so mochte. Und dieser Mann war von Beruf Testfahrer für den Bugatti Veyron! Auf meinem Weg nach Shropshire befinden sich leider keine Tunnel, stattdessen ist der Verkehr auf der Schnellstraße zähfließend. Die Suche nach Dewis’ Haus ist dafür umso einfacher: Man muss gar nicht nach der Hausnummer suchen, ein das Garagentor zierender Kopf einer Wildkatze … brüllt Besuchern dezent entgegen.

In Ermangelung eines ordentlichen Parkplatzes stelle ich den Jaguar D-Type vor dem Haus ab – halb auf der Straße – und versuche zu vergessen, dass das Fahrzeug so viel wert ist wie alle Häuser dieser Straße zusammen. In den 1950er-Jahren hätte man das Auto auch so geparkt, versuche ich mich zu beruhigen. Dewis macht erst mal eine Tasse Tee für jeden, dann reden wir nur noch über eins: den D-Type. »Der da draußen war der Prototyp. Damit habe ich Tausende von Meilen abgespult; auf der MIRA war das, der Teststrecke der Motor Industry Research Association. Das Auto war damals noch nicht lackiert, weil dafür keine Zeit war. Ich habe nie ausgerechnet, wie viele Meilen ich damit gefahren bin, aber ich könnte es in meinen Logbüchern nachsehen, die habe ich auf dem Speicher. Eines Tages werde ich sie mir mal vornehmen – wenn ich die Zeit dafür habe.«

Vor den Tests mit dem Jaguar D-Type war Dewis auch bei der Entwicklung des C-Type beteiligt. »Einige Jahre zuvor. Mit der Gewichtsverteilung des C-Type war ich zunächst sehr unzufrieden, denn der riesige, am Heck untergebrachte Tank verursachte oft starkes Übersteuern. Mein Hauptaugenmerk lag also darauf, das im neuen Auto zu verhindern. In dem Stadium hieß er noch nicht D-Type.« Getauft wurde das Auto später. »D-Type, weil das einfach logisch erschien«, sagt Dewis.

»Mein dramatischstes Erlebnis in einem Jaguar D-Type hatte ich genau in diesem Auto. Daimler baute damals gerade den SP 250 mit Glasfaserkarosserie und Bill Heynes – Chefingenieur bei Jaguar – fand, man könnte dem D-Type doch eine Motorhaube aus Glasfaser verpassen. Also stellten sie eine her und ich fuhr zum Testen auf die MIRA. Am selben Tag sollte ich einige Veränderungen am Getriebe testen. Dafür musste alles richtig heiß werden, deshalb sollte ich erst einmal zwei Stunden lang bei maximaler Drehzahl fahren, auf der Steilwandstrecke. Als ich von der Steilwand auf die Gerade runterfuhr, hatte sich das Getriebe festgefressen. Der Wagen überschlug sich und ich landete kopfüber im Infield. Zum Glück sahen das einige Bauarbeiter, die gerade die Teststrecke 2 neu asphaltierten. Zwei Typen kamen, um mir zu helfen. Alles, was ich hören konnte, war: ‚Sind Sie in Ordnung da unten, Sir?‘ Worauf ich antwortete: ‚Nein, verdammt, das bin ich nicht!‘

Dann haben sie das Auto ein wenig angehoben und ich konnte durch den Spalt hinauskriechen. Am Abend habe ich den beiden – Iren – so viel Guinness spendiert, wie sie trinken konnten. Von der kaputten Motorhaube habe ich später Heynes ein Stück gezeigt: ‚Hier, ich hab’s getestet.‘ Wir sind damals an alles anders rangegangen als andere Firmen. Wenn wir auf der MIRA waren und etwas brauchten, beispielsweise eine Lufthutze, dann hat unser Karosserieexperte Bob Blake auf die Schnelle eine angefertigt, wir haben sie angenietet und getestet. Dann haben wir das Ganze ins Zeichenstudio gegeben.«

HINTERHER IST MAN JA MEISTENS SCHLAUER – HÄTTE MAN ETWAS ANDERS MACHEN KÖNNEN? DEWIS VERNEINT: »DER D-TYPE WAR GENAU RICHTIG, VON ANFANG AN.«

Wir begeben uns nun wieder ins Auto, dann auf die B4371, eine jener typischen englischen Landstraßen, die mit ihren vielen geneigten Kurven eine perfekte Spielwiese für ein Auto wie den D-Type abgeben – auch wenn man hier an der Leistungsfähigkeit des Wagens nur ganz wenig kratzen kann. Als frühes Modell hat unser D-Type lediglich 245 PS, trotzdem ist er – aufgrund des geringen Gewichts – verdammt schnell. Er ist nicht nur schnell für sein Alter, sondern richtig schnell.

Obwohl der Jaguar D-Type für große, schnelle Rennstrecken gebaut wurde, bietet er ausgezeichneten Fahrkomfort. Alle dynamischen Komponenten – Lenkung, Aufhängung, Bremsen – greifen so gut ineinander, dass man das Gefühl hat, mit dem Wagen in einer Art improvisierten Choreografie zu tanzen. Er reagiert auf alle Bewegungen wie ein Partner, der instinktiv weiß, wo es langgeht. Und so landen wir denn auch noch einmal bei Dewis, um eine letzte Tasse Tee mit ihm zu trinken, bevor wir den Jaguar D-Type wieder nach Hause bringen. Ob es aus heutiger Sicht etwas gibt, was man hätte anders machen können, will ich noch von Dewis wissen. Er überlegt einen Moment und antwortet dann: »Nein, eigentlich nicht. Der D-Type war genau richtig, von Anfang an.«


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