Seit 60 Jahren verbindet die Corvette den Reiz amerikanischer V8-Maschinen mit europäischen Sportwagen-Träumen. Mark Hales fuhr die ersten drei Generationen
Über die Jahre habe ich schon einige Corvette besessen. Man kann wohl sagen, ich bin ein Fan, denn ich habe die Idee eines großen Motors in einem relativ kleinen Auto immer gemocht. Darüber hinaus ist die Corvette so ganz anders als alle europäischen Sportwagen, auch wenn sie auf dem Papier ähnlich scheinen. Wenn man sie parkt, bilden sich schnell Menschentrauben.
Vor langer Zeit habe ich einem Mann namens Malcolm 500 Pfund für ein 59er Modell bezahlt, das viele Jahre in den hinteren Räumen seiner Lackiererei gestanden hatte. Einen Motor gab es nicht, und zu meiner Enttäuschung auch kein »Four on the floor«-Vierganggetriebe, sondern eine Dreigangautomatik – immerhin besser als die Standardversion mit zwei Gängen. Dazu fand Malcolm noch einen 5,4 Liter-V8 (327 ci) unter einer Werkbank, den er mir umsonst dazugab – daraus kann man erkennen, welche Bedeutung er solchen Dingen beimaß.
Ein Dach gab es zwar nicht, aber irgendwie war das auch egal. Das Armaturenbrett erinnerte an eine Musikbox, alles irgendwie schräg und aus Plastik. Aber mit Stil. Das ganze Cockpit hatte etwas von einem Kommandostand in einem Motorboot. Der Regen der vergangenen Jahrzehnte schien der Karosserie nichts ausgemacht zu haben. Bei all den E-Types, den Jensens und wie sie alle heißen, hätte man da schon durch die Karosserie Zeitung lesen können, und innen hätte es wie im Schweinestall gestunken. Aber unter dem ausgeblichenen Lack präsentierte sich die Karosserie, als wäre sie erst ein paar Jahre alt. Ich hab sie damals abgeschliffen, und Malcolm sie mit einer Schicht oranger Farbe übergossen – schon hatte ich einen Oldtimer, auch wenn mir das damals nicht so vorkam.
Besonders schnell war die Corvette nicht, aber das Handling war ordentlich. Es war auf jeden Fall etwas anderes. Ich kann mich nicht mehr erinnern, warum ich sie verkauft habe oder für wieviel. Heute bereue ich es. Das älteste Auto in unserem Trio steht in England für 60.000 Pfund zum Verkauf …
Danach habe ich noch einige Corvettes besessen, darunter eine 67er, die mal dem Schauspieler Peter Sellers gehört hatte. Die hab ich am Tag als Elvis starb gegen einen 12-Zylinder E-Type eingetauscht. 1987 war ich Stellvertreter in der Chefredaktion bei Fast Lane, einem Magazin für schnelle Autos. Damals kauften die Verlage noch ihre Dauertestwagen, damit ihre Tests nicht von den Herstellern beeinflusst werden konnten. Unseren Parkplatz bevölkerten Integrales, ein Sierra Cosworth, Renault Turbo oder ein aufgemotzter BMW. Aber ich fand, wir sollten uns mehr trauen und eine brandneue Corvette kaufen.
In Großbritannien gab es keinen offiziellen Händler, aber eine Firma in London erbot sich, eine Corvette direkt aus den USA zu importieren und gleich den Papierkram und die Umrüstung zu erledigen. Wir mussten unsere Chefs ein bisschen überreden, aber schließlich kriegten wir das Okay. Die Corvette kam wie bestellt in einem wunderschön glänzenden Schwarz, mit 5,7 Liter-V8 und Benzineinspritzung, Sechsgang-Handschalter und riesigen Rädern. Alles für 14.000 Pfund, dem gleichen Preis wie ein gut ausgestatteter Ford Escort. Stellte man beide nebeneinander, war schnell klar, wo es mehr fürs Geld gab.
Mann, wie ich das Auto geliebt habe. Es war schnell, auf eine kraftvolle und doch wieder gelassene Art (110 km/h im 6. Gang entsprachen 1700/min). Auch das Handling war so, wie man es von einem GT mit Frontmotor erwarten würde. Jede Menge Kurvenspaß ohne gefährlich zu sein. Der beste Trick war, an Kreuzungen irrsinnig schnell wegzubeschleunigen und nur ganz leicht einzulenken. Wenn man dann abrupt vom Gas ging, drehte sich die Kiste fast auf der Stelle. Wieviel Rauch dabei aufkommen sollte, hatte man als Fahrer völlig selbst in der Hand, aber das Auto nahm das alles völlig gelassen, so als wäre es für solche Mätzchen entwickelt worden. Das war eine ganz andere Art der Fortbewegung, vor allem wegen der amerikanischen Neigung, mehr Leistung einfach durch einen noch größeren Motor zu erzielen statt durch einen kleineren und komplizierteren. Außerdem ließen sich unter der Glaskuppel einer, manchmal sogar zwei Leute seitwärts transportieren. Nachdem die Zeitschrift eingestellt worden war, hatte ich den Kontakt zu dem Auto verloren. Aber Tom Falconer, Vette-Guru beim Spezialisten Claremont Corvette, der die drei Autos in unserem Trio bereitgestellt hat, kennt meine alte Flamme sehr gut. Er hat das Auto von einem Händler gekauft, der angab, es hätte nur 56.000 km gelaufen. Besonders eigenartig vor dem Hintergrund der enormen Berichterstattung, die das Gegenteil belegt. War aber auch egal, denn Falconer fand einen zufriedenen Kunden, dem das nicht wichtig war. Und ich kann mir vorstellen, warum.
Fotos Paul Harmer // Bearbeitung Axel E. Catton