Der lebenslange Bugatti Liebhaber Ray Jones besaß einen für Weltrekordfahrten genutzten Bugatti-Motor und den Rahmen eines Werks-Typ 59. Also baute ihm sein Sohn die dazu passende Karosserie für die Wiederbelebung des Bugatti Typ 59/50S …
Europa war im Jahre 1935 noch relativ friedlich. Doch die Spannungen nahmen schon zu: Italiens Mussolini streckte seine Hand nach Territorien in Afrika aus, auch Hitler-Deutschland trat immer dominanter auf, während England den zum Ende des Ersten Weltkriegs geschlossenen Vertrag von Versailles verteidigte. Doch noch gab es ein Thema, auf das sich alle führenden Nationen verständigen konnten: den Motorsport.
Der noch immer mit als bestes Schaufenster galt, um technischen Fortschritt zu demonstrieren. Am 23. Juni jenes Jahres fand der 29. GP des Automobilclubs von Frankreich in Montlhéry statt. Er führte als Lauf zur Europameisterschaft über 500 Kilometer. Rudolf Caracciola siegte auf Mercedes-Benz W25, dem speziell für die 1934 neu eingeführte 750-Kilogramm-Formel entwickelten »Silberpfeil«. Zusammen mit den Modellen der Auto Union gewannen die von den braunen Machthabern massiv unterstützten Rennteams aus Stuttgart und Zwickau bis 1939 alle Grands Prix; nur 1935 gelang Tazio Nuvolari auf dem schon veralteten Alfa P3 der Sieg beim deutschen GP auf dem Nürburgring. Ohne staatliche Unterstützung führten die französischen Hersteller einen ungleichen Kampf. Ettore Bugatti, dessen T35 in weniger als zwei Jahren 500 Siege eingefahren hatte, sah sich in der Defensive. Einer der letzten großen Erfolge gelang ihm 1933 auf der Berliner Avus. Dort fuhr der seit vielen Jahren in Frankreich lebende polnische Graf Stanislaus Czaykowski am 5. Mai auf einem mit einem 4972 ccm großen Achtzylinder-Kompressor bestückten T54 Geschwindigkeitsrekorde über 100 Kilometer (212,19 km/h), 200 Kilometer (213,75 km/h) und eine Stunde (213,78 km/h). Am 21. Mai unterlag er trotz einer schnellsten Runde mit 221,72 km/h (!) dann im Avus- Rennen Achille Varzi, ebenfalls auf Bugatti T54, um 0,2 Sekunden. Leider verstarb der Aristokrat 1935 beim GP von Italien – sein Bugatti überschlug sich und brannte aus.
Für die 750-Kilo-Formel von 1934 hatte Bugatti den Typ 59 aufgebaut. Der optisch noch an die Vorgänger T51 und T54 angelehnte Neuling debütierte mit 2,8-Liter-Motor beim GP von Spanien 1933. Es endete mit Platz vier für Varzi. Nach dem GP von Monaco von 1935 stieg der Hubraum auf 3257 ccm. Die neuen Modelle blieben zunächst nur den Werksfahrern vorbehalten, doch schon bald wurden sie auch Privatiers zum Kauf angeboten. Für 1935 behielt das Werk nur noch zwei, die von Robert Benoist und Jean-Pierre Wimille pilotiert wurden.
Nach dem Krieg zunächst Testfahrer bei De Marcay, wechselte er 1921 zu Salmson und schließlich 1924 zu Delage. 1927 war der Mann mit dem markanten Adler-Gesicht unschlagbar und gewann mit dem von Albert Lory konstruierten 1,5-Liter-Achtzylinder alle vier europäischen Grands Prix. Leider musste Louis Delage Ende 1927 die teure Rennerei aufgeben, womit Benoist zunächst auf der Straße stand. Es dauerte nicht lange, dann heuerte er als Verkaufsleiter bei der Pariser Banville Garage an.
Als die Molsheimer 1934 in den Rennsport zurückkehrten, wurde Benoist erneut Mitglied des Werksteams und zugleich dessen Leiter. 1935 sah man ihn beim GP von Frankreich in einem speziellen T59/50S. Das Auto mit Rahmennummer #6 wurde vom jenem nur einmal in dieser Spezifikation gebauten 4972 ccm-Motor (#8) angetrieben, mit dem Czaykowski 1933 die Avus-Rekorde gefahren hatte. Beim einzigen Einsatz des Modells erwies sich das Auto zwar als schnell, aber defektanfällig. Als Benoist sogar die Motorhaube wegzufliegen drohte, musste er zurück zur Box. Dabei hielt er das, was von der Haube übriggeblieben war, mit einer Hand fest. Er ging mit nun völlig frei liegendem Motor zurück ins Rennen, gab aber nach 16 Runden auf. Seitdem war über das weitere Schicksal des Autos so gut wie nichts mehr bekannt.
Zeitsprung ins Jahr 1968: Bei einem seiner Besuche in Molsheim erfuhr der amerikanische Bugatti-Liebhaber Greg Jones, dass auf Weisung der französischen Regierung alles im Werk verbliebene Material zum Einschmelzen in die Gießerei transportiert werden sollte. Die Arbeiter füllten Wagon nach Wagon mit Chassis, Motorblöcken, Zylinderköpfen, Karosserieteilen, mechanischen Teilen und vielem mehr. Doch Jones hatte genug Geld, um 40 Tonnen an Material aufzukaufen, die zu seinem bereits zuvor erworbenen Typ 59-Chassis passten.
Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #41
Text Massimo Delbò // Fotos Jamie Lipman // Bearbeitung Thomas Imhof