Um diesen völlig verrotteten Prototypen der Giulietta SZ zu erhalten, griff man auf Restaurierungstechniken aus der Kunstwelt zurück
Manche Autos werden gebaut, verkauft und gefahren, ohne die geringste Emotion auszulösen. Am Ende treten sie den Weg zum Verschrotter an und verschwinden für immer aus unserem Gedächtnis. Andere Autos führen dagegen ein so buntes Dasein, dass Bücher über sie geschrieben werden. Sie tauchen immer wieder auf und schlagen ein neues Kapitel auf, das für ihre Lebensgeschichte oder sogar für die aller Automobilklassiker von Bedeutung ist.
Ein Paradebeispiel dafür ist dieser Alfa Romeo Giulietta SZ Zagato mit der Chassisnummer 101.26*00170. Er wurde 1960 als eines der letzten Autos mit Rundheck gebaut und später zum ersten Coda Tronca mit abgeschnittenem Heck, auch als Fastback bekannt. In offiziellen Alfa- Romeo-Unterlagen vom 1. September 1961 wird er als weißer Giulietta SZ (tipo abbassato) geführt, der als Testauto diente, bevor er als Gebrauchtwagen verkauft wurde.
Das Dokument ist erklärungsbedürftig: Als tipo abbassato (tiefergelegter Typ) bezeichnete Alfa Romeo den Coda Tronca, während er sich in der Testphase befand und noch keinen offiziellen Namen hatte. Das Dokument wurde nicht bei Fertigstellung des Wagens verfasst, sondern erst, als er den Besitzer wechselte. »Die Wahrheit«, sagt Paolo Di Taranto, Heritage-Berater von Zagato, »ist, dass dieses Dokument die frühe Historie des Autos belegt, das von Elio Zagato, Ercole Spada und den Brüdern Carlo und Giuliano Facetti entwickelt worden war. Es wurde von Alfa Romeo und der Technischen Hochschule Mailand finanziert, um dem Lotus Elite im Tourenwagenrennsport Einhalt zu gebieten. Denn der Lotus war das einzige Auto, das den Coda Tronca bei Rennen schlagen konnte.«
Im Jahr 2002 war Di Taranto Praktikant bei Zagato, wo er sein Büro mit dem pensionierten Elio Zagato teilte. »Ich habe seinen Erinnerungen mit Begeisterung gelauscht, und ich weiß, wie er über dieses Auto in der Versuchsphase gesprochen hat. Er hat viele Details erwähnt, an denen ich das Auto identifizieren konnte, als es entdeckt wurde.«
Als Alfa Romeo auf einen schnelleren SZ Coda Tonda drängte, wurde Elio Zagato und Ercole Spada schnell klar, dass sie an der Karosserie arbeiten mussten, denn der 1,3-Liter-Motor gab einfach nicht mehr her. Bei Zagato hatte man schon Erfahrung mit der Frontverlängerung des ehemaligen Maserati 450S von Stirling Moss gesammelt. Es war nicht viel Arbeit, die Nase des Giulietta SZ mit einer einfachen Aluminiumhaut ohne Stützstruktur um 20 cm zu verlängern. Am Heck setzte Zagato Wunibald Kamms Konzept von einem abgeschnittenen Heck um, darunter ein verlängerter, modifizierter Rohrrahmen. Es folgten Hochgeschwindigkeitstests auf der Autobahn zwischen Mailand und Bergamo.
»Der Prozess war einfach, aber effizient«, erinnert sich Ercole Spada. »Wir haben die genaue Geschwindigkeit der Ursprungskonfiguration mithilfe der Entfernungspfosten und einer Stoppuhr ermittelt und außerdem die Drehzahlen aufgezeichnet. Dann sind wir zurück in die Fabrik gefahren, haben die neuen Bleche angebaut und den ganzen Prozess wiederholt. Für das Standardauto waren 200 km/h ein guter Wert, aber nach einigen Tests maßen wir plötzlich eine Zeit von 16 Sekunden für den Kilometer. Wir haben diesem Wert nicht vertraut, denn es bedeutete einen Speed von über 220 km/h. Elio hat aber das Ergebnis bestätigt, denn der Drehzahlmesser zeigte viel mehr an als normalerweise.«
Elio Zagato erinnert sich an die Entwicklung des Hecks aus ästhetischer Sicht: »Je länger wir das Heck machten, um es danach wieder vertikal abzuschneiden, desto schneller wurden wir. Ab einem gewissen Punkt haben wir dann aufgehört, mit einem noch längeren Heck hätte das Auto nicht mehr ausgewogen ausgesehen.«
Text Massimo Delbò // Fotos Archivio Zagato – Carrstudio
Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #25
Diese Story finden Sie in OCTANE Ausgabe 25