BMW E30 M3 frontal
Klassiker

Schönheit, die von innen kommt

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AUF DEN ERSTEN BLICK SIEHT ER AUS WIE EIN ÜBERBLEIBSEL DER 1980ER-JAHRE. IN WAHRHEIT HAT DER BMW E30 M3 EINE RENNSEELE, WIE MAN SIE HEUTE NICHT MEHR KAUFEN KANN

Es gab eine Zeit, da war für mich der erste BMW M3 das beste Hochleistungsauto auf der ganzen Welt. Nicht einfach das schnellste, nicht das mit dem meisten Grip, auch nicht das schillerndste oder das herausforderndste Auto, und auch nicht das eine Auto mit der schönsten Akustik oder das mit dem besten Aussehen … Der M3 war einfach das beste Auto. In jeder Hinsicht. Der E30 M3 kombinierte, was man von einem Auto im täglichen Gebrauch erwartet mit viel Fahrspaß. Das machte er so gut wie kein anderes Auto. Zu diesem Urteil kam ich im März 1987. Ich kann mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Auf der Rennstrecke von Estoril in Portugal.

Modelle mit leistungsstarkem Motor tendierten zum plötzlichen Übersteuern, wenn man sie etwas draufgängerisch herannahm. Um das Untersteuern in den Griff zu bekommen, konnte man vom Gas gehen, oder, wenn man etwas mutiger war, mit mehr Gas mehr Abtrieb erzeugen und damit den kritischen Punkt überwinden – wobei man dann allerdings Mühe mit dem Heck hatte.

BMW E30 M3 aus der Vogelperspektive
Wer hier einsteigt, will wahrscheinlich nicht mehr aussteigen. Dieser M3 ist der beste E30 – in jeglicher Hinsicht.

Allerdings nicht beim M3. Der hatte nämlich eine sehr direkte, reaktionsfreudige Lenkung, eine ordentlich gebaute Frontpartie, eine herrlich lange Phase neutralen Fahrverhaltens – die Kurvenkräfte wurden gleichmäßig auf Vorder- und Hinterachse verteilt – und schließlich einen absolut vorhersehbaren Übergang in ein Übersteuern, das leicht zu kontrollieren war. Ein gutmütigeres Auto konnte man kaum finden. Aber wie konnte das sein? Wie konnte sich der M3 – obwohl mit gleicher Hinterradaufhängung ausgestattet – so drastisch von einem normalen E30 unterscheiden?

Vielleicht war der M3 einfach von Anfang an richtig konzipiert worden, und vielleicht zielte er auf besonders versierte und ambitionierte Fahrer ab, die BMW unter der Käuferschaft normaler E30 eher nicht vermutete. Der schnellste, leistungsstärkste und schmissigste E30 ist gleichzeitig der am besten zu fahrende und der sicherste von allen. Warum konnten nicht alle E30 so sein? Andererseits wäre dann der M3 nichts Besonderes mehr gewesen.

PROBLEMATISCH IST EIGENTLICH GAR NICHT MAL DER PREIS – MAN MUSS NUR ERST MAL EIN EXEMPLAR FINDEN, DAS NICHT VÖLLIG ZERBASTELT UND VERBAUT IST

Ein Auto, das auf der Rennstrecke brilliert, ist auf der Straße oft weniger gut. Der M3 beherrscht aber beide Szenarien. Er fährt sich mit einer Geschmeidigkeit, die man heutzutage in schnellen Autos selten antrifft, und seine Servolenkung ist so fein austariert, dass sie auf der Rennstrecke – wo Bodenhaftung, Balance und Vorhersehbarkeit die wichtigsten Faktoren sind – kaum zur Geltung kommt. Auf der Straße sagt einem diese Lenkung genau, was gerade passiert, und reagiert unmittelbar und präzise auf jede noch so leichte Lenkradbewegung.

Motor des BMW E30 M3
Der BMW E30 M3 Roberto Ravaglia verfügt über einen 2,3 Liter großen Reihenvierzylinder, der 215 PS bei 6750 U/min leistet. Der Wagen erreicht Tempo 100 nach 6,7 Sekunden. Bei 230 km/h ist Schluss.

Schade, dass den normalen E30-Modellen diese Fähigkeit fehlte, denn genau sie ist es, die Vertrauen vermittelt. Und sie blieb dem M3 durch alle Evolutionsstufen hindurch erhalten. Unser Auto in Nogarosilber ist eine dieser Evolutionsstufen, gemeinhin bekannt als Evolution II, doch die Farbgebung der Innenausstattung und ein kleines Schild mit der Fertigungsnummer 65 weisen es als eine Roberto Ravaglia Special Edition aus. Spätere M3 sind oft »nur« Veredelungen der Serie, von der sie eher minimal abweichen – beim E30 ist das anders. Die Konstruktion des Serien-Zweitürers wurde deutlich überarbeitet, um den M3 für den Rennsport fit zu machen.

DEM M3 MACHT DAS FAHREN GENAUSO VIEL SPASS WIE DEM FAHRER

Im Gegensatz dazu ist der Innenraum von der Serie kaum zu unterscheiden. Billige Knöpfchen, schlicht oder funktional, sehr auf den Fahrer ausgerichtet. Der E30 M3 kostete 1987 neu um die 50.000 Mark, er lag damit oberhalb der besten 5er Modelle und in etwa auf Augenhöhe mit den ersten Modellen der 7er Reihe.

Mit Zustandsnote 1 ist er auch heute bei über € 30.000 angesiedelt. Problematisch ist eigentlich gar nicht mal der Preis – man muss nur erst mal ein Exemplar finden, das nicht völlig zerbastelt und verbaut ist. Vom Sport Evo existieren etwa 400 Exemplare im Originalzustand – und der Preis dürfte auch von Nostalgie hochgepumpt werden: Das Modell mit 2,5-Liter-Motor und 238 PS ist zwar nicht unbedingt besser als das Standardauto mit 200 PS ohne Katalysator, aber es ist eben rar.

Die 195-PS-Katalysatorwagen sind dagegen oftmals viel besser, als man denkt. Wer sich nun trotzdem auf die Jagd nach einem M3 begibt, der sollte einiges beherzigen: Sie sind jetzt alle alt. Die meisten haben draußen gestanden. Um zu inspizieren, ob sie verrostet sind, kommt man an die Schweller trotz der Verkleidungen gut ran. Dieser M3 hat einen Katalysator. Und er ist aus einer Zeit, als ein Katalysator noch zu Lasten der Geschwindigkeit ging. Ich muss zugeben, dass er auch wirklich nicht so schnell ist, wie ich den M3 in Erinnerung hatte. Die Tatsache, dass es sich hier mechanisch um einen Evo II mit Kat handelt, könnte dies teilweise erklären, aber das Gaspedal ist am Anfang einfach zu weich und indirekt.

Die anderen Attribute sind so, wie ich sie in Erinnerung habe: die leichte Schaltung, der Fahrkomfort, das haptische Gefühl des Einsseins mit der Lenkung, das Handling, die Gutmütigkeit. Das Gefühl, dass man dem M3 vertrauen kann, egal was kommt, und dass ihm das Fahren – selbst auf vereister Strecke – genauso viel Spaß macht wie dem Fahrer. Immer noch phänomenal!


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