Ein angegrauter Iso Rivolta GT 340 aus den 1960er-Jahren ist für die meisten Menschen nicht die logischste Wahl als Alltagsklassiker für die Familie. Doch der Ingenieur Peter Fareham ist nicht wie die meisten Menschen.
Wird ein Auto als »Ratte« bereichnet, zucke ich immer zusammen. Ich stelle mir dann jemanden vor, der viel Geld ausgibt, um ein Auto mechanisch topfit zu machen und es gleichzeitig äußerlich so verschandelt, als wäre einem irre grinsenden Hinterhofschrauber der Autogenbrenner ausgerutscht. Dabei mag ich sichtbar gealterte »Ratten« eigentlich ganz gern – es gefällt mir bloß nicht, wenn sie künstlich auf vergammelt machen. Deshalb bin ich froh, dass die Beschreibung »Patina-Restarierung« entstanden ist. Das erklärt den entscheidenden Unterschied zwischen der sorgfältigen Konservierung eines alten Autos und seiner absichtlichen Verunstaltung, selbst wenn beides gleich aussieht. Der seltene Iso Rivolta GT in dieser Story gehört in die erste Kategorie und ist ein Paradebeispiel dafür, warum die Unterscheidung wichtig ist.
Er ist mechanisch tadellos, trägt aber stolz alle Narben seiner früheren Stationen. Iso ist eine Aufsteigergeschichte. Renzo Rivolta kaufte 1939 die Firma Isothermos, einen Hersteller von Haushaltsgeräten, die Dinge kühlten oder erhitzten. Gleich nach dem Krieg beschloss er, sich zu vergrößern. Die Reise führte von weißer Ware über Mikrofahrzeuge bis hin zu Supersportwagen. Im Alter von 66 Jahren verstarb Renzo Rivolta unerwartet und sein Sohn Piero führte die Firma noch ein Jahrzehnt bis zur Schließung weiter.
Zwei herausragende Geschäftsideen machten das Unternehmen aus Bresso bei Mailand bekannt: zunächst der Isomoto-Roller, ein ernsthafter Konkurrent von Lambretta und Vespa, und dann die Isetta, die unter anderem BMW in Lizenz baute. Der Plan, als nächstes einen vollwertigen viersitzigen Luxus-GT zu bauen, war, vorsichtig ausgedrückt, gewagt.
Der Iso Rivolta GT300 erblickte 1962 das Licht der Welt, gestaltet von dem damals bei Bertone angestellten Giorgetto Giugiaro, größtenteils konstruiert von Giotto Bizzarrini. Das italienische Design erhielt einen praktisch unzerstörbaren Small-Block-Motor und Antriebsstrang von Chevrolet. Bis dahin erinnert die Story stark an die von Gordon-Keeble. Und tatsächlich gibt es Wechselwirkungen mit der kaum bekannten und früh untergegangenen britischen Marke. Der Wagen aus Eastleigh kam zwar erst 1964 auf den Markt, aber das Projekt begann schon Ende der 1950er und die Herren Gordon und Keeble dachten darüber nach, ihren GT vielleicht bei Iso bauen zu lassen. Der Legende nach schickten sie ein Chassis zu Iso und erhielten es voller Kreidemarkierungen zurück. War der spätere italienische GT also nur eine Kopie des britischen? Eher nein, denn wenn Renzo Rivolta und sein Team irgendetwas vom Gordon-Keeble gelernt hatten, dann vor allem, was sie bei ihrem Auto anders machen wollten.
So wurde 1962 in Turin der Iso Rivolta GT300 vorgestellt. Es handelte sich um einen GT mit Frontmotor und Hinterradantrieb, der von einem 327er Chevy-V8 mit 5359 ccm Hubraum angetrieben wurde und wahlweise über Dreigang-Automatik, Vier- oder Fünfgang-Schaltgetriebe verfügte. Er wog etwas mehr als 1,5 Tonnen. Während der Gordon-Keeble einen Rohrrahmen besaß, erhielt der Iso ein Plattformchassis, statt der Glasfaserkarosserie des GK bestand die Haut des Iso aus Stahl. Das Fahrwerk kombinierte doppelte, unterschiedlich lange Dreieckslenker plus Querstabilisator vorn mit einer de-Dion-Hinterachse, die über ein Wattgestänge und ein Salisbury Power-Lok-Sperrdifferenzial verfügte.
Die Fahrleistungen waren für die damalige Zeit recht flott: 15,9 Sekunden für die Viertelmeile, Topspeed 146 km/h. Die ab 1964 gebaute Highperformance-Version 340 schaffte den Spurt auf 100 km/h in weniger als acht Sekunden, ihre Höchstgeschwindigkeit lag bei über 140 km/h – exakte Angaben gelten in der GT-Welt als vulgär. Jedenfalls lag die Performance auf dem Niveau des Jensen C-V8, immerhin wildester und berüchtigtster GT jener Zeit.
Trotz der positiven Resonanz verlief die Eroberung der GT-Welt schwieriger, als Renzo Rivolta erwartet hatte. Bis 1970 verkaufte Iso 797 Exemplare seines ersten vollwertigen Automodells, darunter 167 in 340er-Version. Das Iso-Register geht davon aus, dass von all diesen Fahrzeugen etwa 400 überlebt haben, und unser Testwagen, die Nummer 713, ist eines der faszinierendsten. Er wurde vor kurzem einer umfassenden Restaurierung unterzogen, bei der alles, was man nicht sehen kann, »neu« gemacht wurde, alles Sichtbare blieb »so wie es war«.
Als einer der letzten 340er wurde er mit Instrumenten des Iso Grifo, lederbezogenem Armaturenbrett, Viergang-Schaltgetriebe, 2,88er-Allradantrieb (3,07 und 3,31 waren ebenfalls erhältlich) und Klimaanlage ausgeliefert. Als erster Halter steht ab April 1968 der italienische Ingegnere Gearo in den Papieren, 1985 tauchte der Iso Rivolta in Alabama wieder auf. Bald nach der Ankunft in den USA zog der Wagen nach Kalifornien um. Da er dort nie ein Nummernschild für 1988 erhielt, dürfte der GT340 in jenem Jahr stillgelegt worden sein.
Von unten wirkt der GT340 wie neu; auf der Bahn zeigt der GT gern, was er kann; kaum zu glauben, dass der GT einfach so abgestellt und vergessen wurde; heute rollt er mit Altersspuren davon.
Nach 30 Jahren Dornröschenschlaf bot der Händler Ray Adams ihn in der San Francisco Bay Area zum Verkauf an. Ein Brite, der einen Klassiker als Familienfahrzeug suchte, griff zu und verschiffte ihn nach Großbritannien. Dieser Brite ist Peter Fareham, ein Maschinenbauingenieur mit umfangreicher Erfahrung in der Luft- und Raumfahrt, der jetzt Espressomaschinen entwickelt und mit seiner Frau die neun, sieben und zwei Jahre jungen Söhne großzieht.
Schon mit 15 besaß Fareham sein erstes Auto: einen Ovali-Käfer von 1955. Noch bevor er den auf der Straße fahren durfte, stöberte er auf Bestellung Brezelkäfer auf und restaurierte sie für Kunden. Dann wurde er zu gut darin: »Einen Scheunenfund von 1950 versetzte ich in einen so makellosen Zustand, dass ich ihn nicht genießen konnte. Also verkaufte ich ihn 1999 und holte mir für 8000 Pfund [heute rund 24.000 Euro] einen Porsche 356 – der fiel weniger auf. Später kam ein TR2 dazu, aber keiner von beiden passte zu meiner wachsenden Familie. Auf Langstrecken fühlte ich mich mit den Kids im 356 nie wohl. In den TR ließ ich Gurte für einen Kindersitz einbauen – das funktionierte gut, aber eben nur für ein Kind. Ich wollte einen Klassiker, in dem ich ohne Stress die ganze Familie mitnehmen kann.«
Text James Elliott || Fotos Oliver Brookwell // Bearbeitung Johannes Schnettler
Lesen Sie in OCTANE #68, wie der Iso Rivolta technisch gerettet wurde, ohne seine Patina in Mitleidenschaft zu ziehen. Oder in Frage zu stellen.
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