Dieser makellos restaurierte Alfa Romeo 1900C Super Sprint – seinerzeit von Touring gestylt – hat einen Hauch von Aston Martin. Was nicht verwunderlich ist, wenn man seinen Besitzer kennt …
Zum ersten Mal sah ich dieses Auto Ende 2019 beim Aston-Martin-Spezialisten Pugsley & Lewis in Beckenham. In seinem Versteck in einem Nebengebäude an der Seite eines monströsen 7,3-Liter-V8-Vantage wirkte er herzzerreißend schön. Der frisch restaurierte Wagen war das persönliche Eigentum des Firmenmitbegründers Tim Lewis. Aber da ich dort war, um eine Aston-Martin-Geschichte für Vantage, das Schwestermagazin von OCTANE, zu recherchieren, vereinbarten wir ein Wiedersehen. Um dann über den Alfa zu sprechen.
Und so trafen wir uns schließlich wieder, zwischen zwei Covid-Wellen, an einem trüben und regnerischen Tag im beschaulichen Marktstädtchen Westerham in Kent. Nicht die günstigsten Umstände, um ein seltenes und exotisches italienisches Coupé zu testen, dachte ich bei mir. Aber als der Alfa an unserem Treffpunkt vorfuhr, verliebte ich mich sofort wieder in ihn.
Es gab viele Varianten der 1950 eingeführten Alfa-1900-Serie, die lange auf dem Markt war. Familienlimousinen auf der einen Seite, die surrealen, von Bertone entworfenen BAT-Wagen auf der anderen. Aber wenn es um verspielte, unaufdringliche Schönheit geht, kann keine Form den vollendeten Coupés mit Touring-Karosserie das Wasser reichen.
Der 1900 war ein Meilenstein für Alfa: die erste Baureihe, die am Fließband entstand, und die erste ohne separates Fahrgestell. Er war als Limousine, Coupé und Cabriolet erhältlich und führte das Unternehmen in ein neues Zeitalter: das der beginnenden Massenproduktion.
Aber nicht alle Autos wurden in Serie produziert. Während die Einheitsfertigung für viele Spezialkarosserien das Ende bedeutete, war Alfa-Romeo-Generaldirektor Iginio Alessio sehr daran interessiert, die italienische Karosseriebauerbranche weiterhin zu unterstützen. Zu diesem Zweck stellte Alfa einigen bevorzugten Unternehmen, darunter Touring aus Mailand für die Coupé-Versionen, nackte Fahrgestelle zur Verfügung.
Von den Touring-Karosserien war die dritte und letzte Serie, die ab 1955 vier Jahre lang produziert wurde, wohl die schönste. Der sportlichste von ihnen war der 1900C Super Sprint mit seiner leichteren Karosserie und einer getunten 115-PS-Version des Vierzylinders mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der inzwischen auf fast zwei Liter Hubraum gewachsen war. Das C im Namen steht übrigens für Corto, Italienisch für kurz. Es deutet auf einen im Vergleich zur Limousine verkürzten Radstand hin.
Diese Coupés mit Aluminiumkarosserie waren die Krönung der Alfa-Palette. Es wurden nur 854 Super Sprint gebaut und viele von ihnen landeten im Rennsport, wo ihr geringes Gewicht von unter 1000 Kilo und ihre starke Motorleistung mit bis zu 190 km/h aus nur 1975 ccm Hubraum sie zu einer ernstzunehmenden Größe machten. In Großbritannien waren sie eine absolut seltene und wahrlich exotische Erscheinung, denn der offizielle britische Alfa-Importeur Thomson & Taylor mit Sitz in Brooklands brachte nur drei Exemplare auf den Markt. Und eines davon – dieses Auto – nur aufgrund eines tragischen Ereignisses.
“Der erste Besitzer, ein Mister Scott, hatte bereits einen anderen 1900C SS gehabt”, erklärt Tim Lewis. “Er hatte den ersten Wagen 1956 gekauft, aber als er zur Wartung bei Thomson & Taylor war, fuhren ein paar junge Lehrlinge unerlaubt damit herum, verursachten einen Unfall und kamen dabei ums Leben. Also kaufte die Firma ihm dieses Auto als Ersatz. Es kam im März 1957 in England an. Bald darauf setzte Scott es bei der Tulpenrallye ein, wo er allerdings von der Straße abkam und 20 Meter tief eine Böschung hinunterstürzte. Es war in der Nacht, die Scheinwerfer gingen plötzlich aus und sie kamen einfach von der Straße ab … Aber sie hatten Glück im Unglück. Alles war schneebedeckt und sie glitten ein Feld hinunter und kamen zum Stehen. Als sie das Auto am nächsten Morgen bergen wollten, fanden sie eine vollkommen unbeschädigte Karosserie vor.”
Text: Peter Tomalin // Fotos: Drew Gibson // Bearbeitung: Thomas Imhof
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