Diese beiden Rolls-Royce haben eine Verbindung zu einem Landgeschwindigkeitsrekordhalter, dem britischen Königshaus und Brooklands. Dort waren sie jetzt nach mehr als 90 Jahren wieder zu sehen. Und OCTANE durfte einsteigen.
Überzeugung und Selbstvertrauen sind bewundernswerte Eigenschaften, solange sie nicht in Arroganz und Hybris abgleiten. Aber es war schwierig, als Hersteller bescheiden zu bleiben, wenn das neue Modell von der britischen Zeitschrift “Autocar” gerade als “das beste Auto der Welt” gelobt wurde.
Das erste Auto mit der Bezeichnung Rolls-Royce war der 1904 auf dem Pariser Salon vorgestellte Rolls- Royce 10 hp – vermarktet von Charles Rolls und konstruiert von Henry Royce. 1906 gründeten diese beiden das neue Unternehmen Rolls-Royce Limited und ließen sich von ihrem kaufmännischen Leiter Claude Johnson überreden, sich auf ein einziges Auto zu konzentrieren: das Modell 40/50 hp, ausgestattet mit einem “angemessenen” 7,4-Liter-Reihensechszylinder.
Schon bald nach der Auszeichnung durch “Autocar” verlieh die britische Presse diesem Auto den Beinamen “Silver Ghost”, nach dem berühmten silbernen Rolls-Royce-Vorführwagen mit dem Kennzeichen AX 201, dem dieser Name ursprünglich vorbehalten war. Vermutlich war es damals tatsächlich das beste Auto der Welt – und vielleicht hielt Rolls-Royce deshalb an seiner Überzeugung fest, dass die Herstellung eines einzigen Modells über 20 Jahre hinweg eine tragfähige Verkaufsstrategie darstellte.
Von 1906 bis 1926 verkaufte Rolls-Royce 7874 Exemplare, von denen 1701 in der Fabrik in Springfield in den USA hergestellt wurden. Eine ganze Menge “Ghosts”! Der Vorführwagen AX 201 mit der Fahrgestellnummer 60551, der ursprüngliche Silver Ghost also, nahm 1907 am “Scottish Reliability Trial” teil.
Er legte die geforderten 15.000 Meilen (24.140 km) zurück, stellte Weltrekorde auf und festigte den Ruf von Rolls-Royce für kompromisslose Qualität und Zuverlässigkeit. Im Jahr 1911 absolvierte der Cheftestfahrer Ernest W. Hives die Strecke von London nach Edinburgh in einem Ghost, ausschließlich im obersten Gang – woraufhin sich die Auftragsbücher noch schneller füllten.
Der Silver Ghost war nicht als Sportwagen konzipiert, doch einige begeisterte Besitzer wollten das nicht wahrhaben. 1914 meldete ein James Radley seinen Ghost privat für die österreichische Alpenfahrt an, nur um festzustellen, dass das Dreiganggetriebe es ihm nicht erlaubte, den steilen Katschbergpass zu erklimmen. Doch das machte nichts: Rolls-Royce hatte vier Autos für die Veranstaltung vorbereitet, mit Vierganggetriebe und stärkerem Motor. Diese Werkswagen gewannen sechs Preise, darunter der prestigeträchtige Erzherzog-Leopold-Pokal.
Von diesem Erfolg inspiriert, begann das Werk mit der Produktion von Fahrzeugen mit ähnlichen Spezifikationen für Kunden. Offiziell handelte es sich dabei um “Continental”-Modelle, besser bekannt waren sie jedoch unter der aussagekräftigen Bezeichnung “Alpine Eagle”. Während des Ersten Weltkriegs wurden einige Silver Ghost zu gepanzerten Fahrzeugen umgebaut, an deren Steuer auch Boulevardheld Lawrence von Arabien saß – ein Umstand, der dem Auto zu noch größerer Mystik verhalf.
Erst 1925 hielt Rolls-Royce den Silver Ghost für überholungsbedürftig. Als “New Phantom” blieb der neue Wagen auf Basis des Fahrgestells des Silver Ghost dem mittlerweile beliebten Namensthema des Unternehmens treu. Ausgestattet war er mit einem verbesserten 7,6-Liter-Motor. Zwar behauptete Rolls- Royce nach wie vor, keine Sportwagen zu bauen, aber die Kunden freuten sich über die zusätzliche Leistung.
Die Entwicklung gipfelte schließlich in dem vollkommen neuen 40/50-hp-Modell von 1929, dem Phantom II – dem letzten der 40/50er-Baureihe –, von dem hier zwei zu sehen sind. “Der beste Rolls-Royce, der je gebaut wurde”, schrieb der Landgeschwindigkeitsrekordhalter Sir Malcolm Campbell. Er sollte es wissen, denn er war einst Besitzer des metallicblauen Wagens auf diesen Seiten.
Text: Robert Coucher // Fotos: Paul Harmer // Bearbeitung: Christel Flexney
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