Martin Cliffe hat diesen TVR Grantura dreimal gekauft – als fast neues Auto, als hoffnungsloses Wrack und als halbfertiges Projekt. Jetzt, endlich, ist er wieder wie neu. Vielleicht sogar besser, als er es jemals war.
Der Maschendraht sei ein Tiefpunkt gewesen, so Martin Cliffe. Wir betrachten alte Fotos auf seinem Schreibtisch in der von Eichen umgebenen Scheune seines Familienunternehmens Omicron Engineering Ltd., einem Spezialisten für klassische Lancia mit Sitz in Mulbarton (Norwich). Und da, in dem Album, findet sich tatsächlich das Bild eines TVR Mk II, dessen rechte Pobacke aus Spachtelmasse, Glasfaser und Maschendraht besteht.
»Das war ungefähr 1998«, sagt Cliffe. »Ich hatte das Auto gerade zurückgekauft und entdeckte das Ausmaß des Schadens. Und auch die gescheiterten Reparaturversuche. Sehen Sie, da sind sogar noch Holzstücke drin.« Obwohl das nun fast 25 Jahre her ist, müssen wir bis in die 1960er-Jahre zurückgehen, um herauszufinden, wie diese Geschichte einmal begann. Und stoßen dabei auf einen Mann namens Carl Smith.
Smith arbeitete im TVR-Werk in Blackpool. Cliffe glaubt, dass er um 1963 mit dem Bau des Wagens begann, ihn aber erst 1966 anmeldete. Die ungewöhnliche Mischung von Merkmalen – eine Griffith-Motorhaube, eine späte Mk III-Heckverkleidung und andere Details – deuten darauf hin, dass der Wagen aus neuen und gebrauchten Teilen zusammengebaut wurde, was auch der von Cliffe gefundene Zulassungsschein der örtlichen Behörde belegt. Waren einige dieser Teile in Zahlung gegeben worden?
Bei TVR war man von finanziellen Schwierigkeiten nie weit entfernt. Ende 1958, kurz nach der Markteinführung des nur rund 100-mal gebauten Grantura Mk I, musste TVR Engineering erstmals Insolvenz anmelden. Der Grantura besaß einen von TVR entwickelten Gitterrohrrahmen aus Stahlrohren mit unterschiedlichen Durchmessern sowie die Kurbellenkerachsen samt der Drehstabfederung des VW Käfers. Erst 1962 wechselte TVR im Grantura Mk III zu Querlenkern und Schraubenfedern, was eine enorme Verbesserung darstellte.
Bei den Motoren hatten Kunden des Mk II die Wahl zwischen dem veralteteten, aber billigen Ford-Vierzylinder 100E mit stehenden Ventilen, dem aufregenden und teuren OHC-Coventry-Climax und – als Kompromiss – dem Ford-105E-Aggregat mit hängenden Ventilen oder dem BMC-B-Series-Motor, wie er auch im MGA arbeitete.
»Ich wohnte damals in der Nähe von Manchester«, erzählt Cliffe. »Und habe miterlebt, wie ein gewisser John Akers bei den örtlichen Autocrossrennen in seinem Grantura die Bestzeit fuhr. Ich besaß damals einen Hillman Imp, aber als ich ein Modell wie das von Akers in ‚Exchange and Mart‘ inseriert sah, musste ich es mir ansehen.« In Blackpool fand Cliffe einen fast neuen und in Jaguar-Bronze lackierten Wagen, der mit rotem Kunstleder, roten Teppichen und hellgrauem Dachhimmel recht gehoben ausgestattet war. »Carl Smith erzählte mir, dass er ihn verkaufen wolle, um Geld für seine Hochzeit aufzutreiben. Ich handelte ihn auf 600 Pfund runter, wenn ich mich recht erinnere.«
Statt des von Cliffe erwarteten 1,6-Liter-MG-Motors wurde das Auto von einer 1,5-Liter-Wolseley-Variante angetrieben. Die Achsübersetzung war so kurz, dass man offenbar im zweiten Gang genauso schnell aus dem Stand von 0 auf 100 km/h beschleunigen konnte wie aus dem ersten. »Ich habe dann einen gebrauchten Mangoletsi-Zylinderkopf eingebaut und die beiden SU-Vergaser mit Ansaugtrichtern bestückt«, sagt Cliffe.
»Das steigerte zwar nicht die Leistung, produzierte aber ein markantes Ansauggeräusch. Ich fuhr sogar zu Mangoletsi – heute ist das ein Fiat- und Alfa-Händler, aber begonnen hat die Firma als Tuningunternehmen in Knutsford –, um eine kleine Aluplakette für das Heck des Wagens zu schnorren.«
Cliffe genoss den Grantura zwei Jahre lang als Alltagsauto, ehe ihm eine Ginetta G4R den Kopf verdrehte. »Ich tauschte den Grantura gegen die Ginetta ein«, erzählt er. »Aber eine Woche später fing die Ginetta Feuer und brannte bis auf den Benzintank aus … der war voll mit Sprit!« Nach diesem kurzen Intermezzo verlor Cliffe »seinen« TVR aus den Augen, bis er 1988 in einer Oldtimerzeitschrift eine Anzeige für ein Modell mit Griffith-Motorhaube sah. Er rief den Händler an, vergewisserte sich, dass es wirklich sein altes Auto war, und erfuhr, dass es schon verkauft war. Ende des Kapitels? Nicht ganz.
Text Nigel Boothman // Fotos Jarowan Power // Bearbeitung Thomas Imhof
Lesen Sie in OCTANE #58, wie Cliffe den TVR noch zweimal in die Finger bekam.
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