Das erfolgreichste Exemplar des legendären Formel-1-Wagens Lotus 72 war das Chassis Nr. 7, das 1972 und 1973 von Emerson Fittipaldi pilotiert wurde. Lange war seine Identität unklar, doch nun wurde der echte 72/7 endlich wiedergefunden.
Als er 1970 das erste Mal auftauchte, war der Lotus 72 das fortschrittlichste Auto im Formel-1-Starterfeld. Heute unvorstellbar, setzte ihn Lotus sechs Jahre lang ein und verdankte ihm 20 Grand-Prix-Siege sowie zwei Fahrer- und drei Konstrukteurs-Weltmeisterschaften. Und das berühmteste Chassis wurde die Nummer 72/7.
Die Karriere des Lotus 72 begann 1970 mit der Siegesserie und dem tödlichen Unfall in Monza von Jochen Rindt, der nach dem Sieg des Newcomers Emerson Fittipaldi beim GP der USA zum bis heute einzigen posthum ernannten Weltmeister gekürt wurde. In den Folgejahren wurde der vom Brasilianer und ab 1973 auch von Ronnie Peterson gesteuerte Lotus 72 weiterentwickelt. Chefmechaniker Eddie Dennis trug dazu bei, den Wagen zuverlässig zu machen, während Martin Waide und Ralf Bellamy – Philippes Nachfolger als Chefkonstrukteure – für 1972 und 1973 gezielte Verbesserungen vornahmen.
Fittipaldi bestritt zwischen 1970 und 1973 insgesamt 39 Rennen im Chassis 72/5 und 1972 und 1973 weitere 24 im Chassis 72/7, wobei 72/5 bei drei Rennen als Ersatzauto diente, das allerdings einmal auch vom zweiten Lotus-Fahrer, Dave Walker, gefahren wurde. Das Modell auf diesen Bildern ist der 72/7 in JPS-Lackierung in der D-Spezifikation von 1972, noch ohne die verformbaren Seitenkästen, die für 1973 vorge- schrieben wurden. Was es zum einzigen überlebenden 72er macht, der seine Monocoque-Haut nach außen hin zeigt. Das ist wichtig, wie wir bald herausfinden werden. Das Besondere am Lotus 72/7 ist jedoch, dass seine wahre Identität erst kürzlich geklärt wurde.
Rein optisch lässt sich die Karriere des Lotus 72 in zwei vom Zigarettenproduzenten John Player & Sons bestimmte Epochen unterteilen. Traditionell war das Team Lotus bis 1967 im klassischen British Racing Green angetreten. Der radikale Wechsel zum knalligen Rot, Weiß und Gold der Zigarettenmarke Gold Leaf begann mit dem in der australisch/neuseeländischen Tasman-Serie zum Jahreswechsel 1967/68 eingesetzten Lotus 49. Die neuen Farben schmückten dann ab 1968 auch die Formel-1-Modelle und GT-Autos des Teams. Als dann 1972 die neue Marke John Player Special auf den Markt kam, glänzten die 72er im bald zur Ikone aufsteigenden schwarz-goldenen Gewand.
Im Juli 1975 wurde 72/7 beim Training zu einem Formel-1-Rennen in Kyalami schwer beschädigt. Worauf das Team Gunston den schon seit einiger Zeit eingemotteten 72/3 von Dave Charlton erwarb und ihn in aller Eile startklar machte. Auf die Gunston-Farben umlackiert, beendete 72/3 so seine Rennkarriere.
In der Zwischenzeit war 72/7 für die Reparaturarbeiten zurück nach England gebracht worden. Nachdem diese von Lotus erledigt worden waren, ging das Auto zurück nach Südafrika, wo es Rembrandt Tobacco in seinem Museum ausstellte. Und ab dann wird alles noch mysteriöser.
Was die Entwicklung des 72 angeht, so schreibt Fittipaldi Colin Chapman das größte Verdient zu. »Der Fahrer war wichtig, um Feed-back zu geben, aber Colin hatte die Intuition, das Auto richtig hinzbekommen. Er sah es sich einfach an und wusste, was verändert weden musste.« Das letzte Wort gebührt dem Mann, der hinter der Wiederauferstehung von 72/7 steht und in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist: Clive Chapman. »Das ist Emersons erfolgreichstes Auto. Es muss für ihn ein fantastischer Moment gewesen sein, als mein Dad in Interlagos auf die Strecke trat, um wie immer, wenn einer seiner Fahrer siegreich durchs Ziel fuhr, seinen Hut in die Luft zu werfen.«
Tim Gardiner, einer der Mechaniker des Classic Team Lotus, leitete die Restaurierung. »Was Sie auf den Bildern sehen, ist die ‚nackte‘ Haut des Monocoques, im Gegensatz zu den Glasfasern der verformbaren Struktur, die 1973 eingeführt wurde. Wir haben auch die sich nach außen verjüngenden vorderen Flügel wiederhergestellt, die beim 73er-Modell zu Spoilern mit parallelen Kanten wurden. Es war auch ein neues Armaturenbrett erforderlich, obwohl wir nur Änderungen am Vorderbau, dort, wo die Bugverkleidung auf das Monocoque trifft, vornehmen mussten.«
Gardiner weiter: »Nicky Yallop, Spezialist für Verbundwerkstoffe, war für die Spoiler und den rechten hinteren Ölkühlerkanal zuständig. Die Karosserieteile sind mit Zelluloselack lackiert, wie damals üblich, und die Beschriftung besteht aus Blattgold für die dünnen Streifen, normaler Farbe für die Kreise und Vinyl für die JPS-Schrift- züge. Auch in dieser Hinsicht ist das Auto nun wieder so, wie es damals an den Start ging.«
Text Johnny Tipler // Fotos Andy Morgan // Bearbeitung Thomas Imhof
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