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Roadbook #51: WAS MUSS NOCH ALLES PASSIEREN? MAGNUS WALKER IM ELEKTRO-OUTLAW?

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Müssen sich unsere Kinder für uns fremdschämen, weil wir immer noch mit großem Spaß unsere Klassiker auf öffentlichen Straßen bewegen? Und dabei auch noch über beide Backen strahlen!

Berthold Dörrich

Liebe Gabriele,

müssen sich Deine Kinder eigentlich auch für Dich fremdschämen? Nein, nicht weil Du ab und zu einen Flieger für die Urlaubsreise nimmst, oder der Meinung bist, eine zerrissene Jeans ließe sich auch jenseits der vierzig ohne einen Anflug von Peinlichkeit im öffentlichen Raum tragen. An diese Art lästerlicher Entgleisungen hat sich unser Nachwuchs mittlerweile gewöhnt. Sondern deswegen, weil Du – unverbesserlich – noch immer standhaft völlig aus der Zeit gefallene vierrädrige Untersätze durch die Gegend bewegst. Dabei sogar über beide Backen strahlst und Deinen Gasfuß zu keiner Zeit unter Kontrolle hast. Ganz zu schweigen davon, dass Dich nichts davon abhalten kann, die Glücksgefühle, die der Duft von warmem Motoröl bei Dir ebenso hervorruft, wie der Klang eines gut getunten Sechszylinders, auf jeder Familienfeier, in jedem Gespräch im Bekanntenkreis zu beteuern. Und diese Meinung sogar regelmäßig in als jugendfrei klassifizierten Druckschriften kund zu tun!

Da hilft es wenig, dass Dein Alltagsauto alle obrigkeitsseitig festgelegten Umweltstandards einhält. Dass Du in ganz schwachen Phasen sogar schon drüber nachgedacht hast, der Deutschen Umwelthilfe mal eine Spende zukommen zu lassen (sag nicht, dass Du das schon wahr gemacht hast!), oder dass sich sogar schon ein behördlich klimafreundlich schöngerechnetes E-Mobil in Deiner Garage befindet.

Wer regelmäßig Oldtimer fährt, muss sich auf derlei moralische Herausforderungen vorbereiten! Ist das vielleicht auch der Grund dafür, dass es mehr und mehr Klassiker-Modelle gibt, die ihres originalen Herzens und ihrer Seele beraubt voll-elektrifiziert als Histo-Zombies über die Straßen rollen? In etwa so authentisch, wie ein Elvis-Kostüm beim Karneval. Ein Maskenball auf Rädern, wo der schöne Schein alles, die historische Integrität nichts ist.

Trotzdem mag ich nicht allen Akteuren dieser Szene eine lautere Motivation absprechen. Einige sind sogar derart von ihren Vorhaben überzeugt, dass sie aus der Frage, ob für die Zukunft der Klassiker-Bewegung vielleicht auch elektrischen Anriebe eine Rolle spielen könnten, den kategorischen Imperativ „Die Zukunft des Klassikers ist elektrisch!“ machen. Immer öfter mischen sich darunter auch Vertreter wie David Lorenz. Ehemaliger Londoner Club-Besitzer, den die Frage, ob sich seine Tochter dereinst noch für die Preziosen seiner Klassiker-Sammlung interessieren würde, derart umtrieb, dass er das Londoner Nachtleben auf der Stelle verließ (zumindest beruflich) und seitdem im Hauptberuf höchst respektable Elektro-Versionen von Jaguar XK-120, Rolls Royce Phantom, oder Bentley Continental baut. Und selbst bislang unverdächtige Vertreter, wie der ehemalige Top Gear Moderator James May, lassen sich mittlerweile zu Testfahrten in elektrifizierten Klassikern verleiten. Was muss noch alles passieren? Magnus Walker im Elektro-Outlaw? Oder Du auf einer Nordschleifen-Runde im Elektro-Kobold? Es sollen schon Ladestationen am Karusell in Planung sein!

Gabriele Spangenberg

Lieber Berthold,

ja, ich habe den YouTube-Film mit James May auch gesehen. Auf mich wirkte seine Reaktion eher höflich als begeistert. Und wenn die Top Gear Leute anfangen höflich zu sein, dann stimmt wirklich irgendetwas nicht! Hinter Höflichkeit verbergen die Engländer ja oft abgrundtiefe Langeweile … Der elektrifizierte MG in dem Film war ein hübsches Auto, das auch mein Herz höherschlagen ließ. Es wirkte sogar tröstlich, als James May mit einem Blick auf das blitzende Autochen meinte, dass es diese Pkw in solchen Mengen gäbe, dass es auf eins mehr oder weniger auch nicht drauf ankäme. Der metallische graue Lack und das dunkelrote Lederinterieur ließen mein Interesse sofort aufflammen. Als er sich dann hinter das wunderschöne Holzlenkrad klemmte und zwei in Leder gepackte Monitore grell aufleuchteten, erlosch es sofort. Abgesehen davon, dass neues Equipment in alten Karossen stets auffallend hässlich oder technospießig wirkt, ist es mechanisch absurd, alte Autos zu elektrifizieren, da Achsen, Karossen, Bremsen verstärkt, ver­ändert werden müssen, um der Beschleunigung eines Elektro­motors und dem Gewicht eines Akkus standzuhalten.

Mit Klassiker erfahren hat das dann nichts mehr zu tun. Nein, ich glaube nicht, dass unsere Kinder eher alte Jags, Minis, Porsches fahren, wenn sie durch einen Elektromotor beschleunigt werden, denn das Erleben dieses Antriebs findet viel besser, viel sicherer in den modernen E-Autos statt. Das aufregendste Elektroauto ist das, was morgen, übermorgen auf den Markt kommt. Wenn sie unsere Klassiker noch fahren wollen, (Totgesagte leben ja immer länger) dann doch, weil sie die Coolness eines alten 911 erfahren wollen, vor ihren Peers als echte Road Cowboys, die die alte Technik noch bändigen können, dastehen wollen. Wenn aber Einzelpersonen nun unbedingt meinen, einen Jaguar E-Type zum »E-Type« umbauen zu müssen, dann von mir aus bitte sehr.

Allerdings fand ich den elektrifizierten E-Type, in dem Harry und Meghan nach ihrer kirchlichen Hochzeit durch London fuhren peinlich. Überpolitisch korrekt und trotzdem bitte die coole Hülle der alten Autos. Mixed Messages und keine kam an. Ich glaube, es war Andy Warhol, der sagte: »Wenn die Leute den ganzen Tag damit beschäftigt sind sich die Fußnägel zu lackieren, dann ist es auch gut. So haben sie wenigsten etwas zu tun«. Also, wenn es da draußen Menschen gibt, die Klassiker, deren Modellreihe massenhaft hervorgebracht wurde, nach eige­nem Gusto verändern wollen, dann ist es zumindest schön für sie – und egal für den Rest der Menschheit. Immer vorausgesetzt, dass nicht seltenes Kultur­gut zerstört wird. Außerdem werden unsere Kinder und Enkel unsere auto­mobilen Lieblinge gut finden oder nicht: daran werden wir nichts ändern kön­nen. Solange wir sie aber noch in der Vogue als ganzseitiges Feature finden, wie in der aktuellen Ausgabe, als visuelle Aufladung für schöne Mode und schöne Personen, brauchen wir uns erst mal keine Sorgen zu machen.

Was meine »behördlich schöngerechnete« Karre betrifft: Meine Begeis­terung über diese schmier ich Dir in der nächsten Ausgabe aufs Brot, denn hier ist leider kein Platz mehr. Mach Dich auf was gefasst.

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