Der 1970 erschienene Alfa Romeo Montreal feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Ein Traumwagen wie von einem anderen Stern, mit einem gezähmten V8-Rennmotor und aufregendem Styling.
Eines der Highlights, das Autofans auf der Weltausstellung 1967 in Montreal zu sehen bekamen, war eine Designstudie von Marcello Gandini auf dem Stand von Alfa Romeo. Gandini, der unter anderem auch für das Styling des Lamborghini Miura, des Countach, des Lancia Stratos, aber auch der ersten Generation der BMW 5er-Baureihe (E12) verantwortlich ist, gilt als einer der drei wichtigsten italienischen Designer der 70er-Jahre.
Mit den hinten hochgezogenen Türscheiben, den seitlichen Pseudo-Lüftungsschlitzen zur Belüftung des Cockpits und den Lamellen über den Frontscheinwerfern wirkte das Alfa-Konzept wie ein ultramodernes Mittelmotorcoupé und begeisterte Presse wie Publikum gleichermaßen. Die Scheinwerfer klappten sich in der Serienversion beim Einschalten der Beleuchtung sogar nach unten. Konzipiert wurde das Automobil als Sportcoupé.
Dabei war der Prototyp trotz der vorgeblichen Kühlschlitze von Beginn an für einen Frontmotor mit Heckantrieb konzipiert. Der optische Eindruck war so überzeugend, dass sogar renommierte Autofachzeitschriften in damaligen Tests die Falschmeldung verbreiteten, die Studie sei als Mittelmotorcoupé konzipiert gewesen.
Nervenkitzel und Zeitdruck vor der Entwicklung der Prototypen
Der Anruf kam für Alfa Romeo ziemlich überraschend. Die Organisatoren der Weltausstellung wurden passend zu ihrem Zukunftsthema “Der Mensch und seine Welt” auch ein Automobil ausstellen, das diesem Thema gerecht werden konnte. Innerhalb kürzester Zeit sollte ein Konzeptfahrzeug entstehen – passend zur zukunftsorientierten Auslegung der Expo. Der Turiner Marcello Gandini, der gerade einmal 30 Jahre alt und Chefdesigner bei Bertone war, bekam den Auftrag. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte er zwei identische Konzeptfahrzeuge, die so zwischen verschiedene Spiegel im Raum platziert wurden, dass sich die Prototypen ins Unendliche vervielfachten.
Aus Zeitgründen verwendete Alfa Romeo für die beiden schließlich nach Kanada gesendeten Ausstellungsfahrzeuge die Bodengruppe des Modells Giulia – inklusive des vorn platzierten Motors. Heute kann man die beiden weißen Ausstellungsfahrzeuge in der FCA Heritage-Sammlung bewundern. Sie werden im historischen Alfa-Romeo-Museum ausgestellt.
Ein Blick zurück: So sollte das Fahrzeug anderen Modellen die Show stehlen
Der Montreal sollte den Platzhirschen wie Porsche 911, E-Type und Pagode Konkurrenz machen und erhielt daher als Antrieb eine für den Straßenbetrieb gezähmte Variante des siegreichen Rennmotors aus dem Alfa Romeo Tipo 33 Stradale. Der V8 des Tipo 33 hatte, wie schon die berühmten Alfa-Vierzylinder, zwei Nockenwellen je Zylinderbank und holte im Renntrimm aus zwei Litern Hubraum satte 270 PS bei 9600 U/Min. Für den Montreal wurde dieses Kraftpaket des Alfa Romeo Tipo 33 ab der ersten Baureihe auf 2,6 Liter Hubraum vergrößert und die Leistung auf 147 kW bzw. 200 PS bei 6.500 U/Min gedrosselt. Die Kraftstoffversorgung übernahm wie schon im Rennmotor beim Coupé eine mechanische Spica Saugrohreinspritzung, geschaltet wurde mit einem eigens für dieses Modell entwickelten Fünfganggetriebe von ZF.
Der Alfa Romeo Montreal hatte einen hohen Preis
Die Mischung aus atemberaubendem Styling, gezähmtem Rennmotor und konventionellem Fahrwerk wurde in Deutschland für etwa 35.000 DM angeboten und war damit im Premierenjahr 1970 teurer als ein Porsche 911, eine Pagode oder ein Jaguar E-Type. Damit hatte der feurige Italiener trotz seiner technischen und optischen Qualitäten bei den Käufern einen schweren Stand. Es wurden etwa 3.925 Exemplare gebaut. Die Alfa Werbung titelte 1971: “Es gibt noch Männerträume für 35.000 Mark”.
Der Motor erreichte schnell Spitzenleistungen
Auch der recht durstige V8, der bei sportlicher Fahrweise leicht über 20 Liter des teuren und hochoktanigen Kraftstoffs auf 100 Kilometer verbrannte, war kein gutes Verkaufsargument in Zeiten der ersten Ölkrise. Der knapp 1,3 Tonnen schwere Montreal konnte aufgrund seines konventionellen Fahrwerks auch keine Lorbeeren im Vergleich mit Konkurrenten wie etwa dem Porsche 911 einfahren. Der Montreal brilliert dafür als komfortabler Gran Turismo, der auch auf längeren Strecken unbändigen Fahrspaß bereitet.
Wenn man hinter dem klassischen Holzlenkrad sitzt und dem Triebwerk die Sporen gibt, überrascht der Motor mit erstaunlichem Drehmoment schon bei vergleichsweise niedrigen Drehzahlen und seidenweichem Lauf. Tritt man das rechte Pedal dann entschlossen durch, wird aus dem schnurrenden Kätzchen ein fauchendes Raubtier: Blitzschnell dreht der sehr kurzhubige V8 hoch und begeistert mit explosiver Leistungsentfaltung und einem Sound, der direkt von der Rennstrecke kommen könnte. Wird das ZF-Getriebe mit dem kurzen, gut platzierten Schalthebel fachgerecht genutzt, sprintet der Schönling in nur 7,6 Sekunden von null auf hundert und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von über 220 Kilometern pro Stunde – das konnten auch Porsche und Jaguar nicht besser.
Die Oldtimer sind heute ein kleines Vermögen wert
Von 1970 bis 1977 verließen lediglich 3925 Exemplare die Werkshallen, andere Quellen sprechen gar von nur 3917 Stück – zu wenig, um wirtschaftlich sinnvoll zu sein. Trotz vergleichsweise guter Rostvorsorge haben nicht allzu viele dieser Exoten überlebt, was sie als Klassiker besonders reiz- voll macht. Noch sind gute Montreal günstiger als ein Porsche 911 oder eine Mercedes Pagode in vergleichbarem Zustand, doch diese Zeiten sind vorbei: in den letzten fünf Jahren haben sich die Preise für den Schönling aus Milano im Zustand 1 bis 2 verdoppelt und kratzen mittlerweile an der 100.000-Euro-Marke.
Text: Jörn-m. Müller-Neuhaus
Fotos: RM Auctions
FAQ: Weitere Fragen zum Alfa Romeo Montreal
Ist der Alfa Romeo Montreal ein Mittel- oder ein Sportcoupé?
Der Romeo Montreal ist ein Sportcoupé. Damalige Medien hatten die Falschmeldung verbreitet, es würde sich um ein Mittelcoupé handeln.
Welche Besonderheiten kennzeichnen den Alfa Romeo Montreal?
Der Alfa Romeo Montreal wurde auf Basis des Alfa Romeo Tipo 33 entwickelt und war sowohl für den Rennsport als auch für den Straßenverkehr geeignet. Das Modell wurde erstmals 1967 in Montreal präsentiert und war mit einem Mittelmotor ausgestattet.
Wie lange wurde der Alfa Romeo Montreal produziert?
Der Alfa Romeo Montreal wurde von November 1970 bis Februar 1977 hergestellt. Insgesamt wurden nur eine begrenzte Stückzahl produziert, was das Fahrzeug zu einem begehrten Oldtimer macht.
Wie wurde der Alfa Romeo Montreal vertrieben?
Der Alfa Romeo wurde über ausgewählte Verkaufsstellen und die Deutsche Automobil Treuhand GmbH vertrieben.
Welche technischen Features hatte der Alfa Romeo Montreal?
A: Der Alfa Romeo Montreal verfügte über eine Trockensumpfschmierung, eine spezielle Entlüftung des Cockpits sowie eine innovative Einspritzanlage der Società Pompe Iniezione Cassani. Diese technischen Aspekte machten das Fahrzeug zu einem Meisterwerk seiner Zeit.
Wie viel kostet ein Alfa Romeo Montreal heute?
A: Für Liebhaber und Sammler existieren noch einige gut erhaltene Alfa Romeo Montreal auf dem Markt, die je nach Zustand und Ausstattung für rund 35.000 Euro angeboten werden.
Wurde der Alfa Romeo Montreal für den GT-Straßenrennsport eingesetzt?
A: Ja, der Alfa Romeo Montreal wurde sowohl beim Straßenrennsport als auch auf der Rennstrecke eingesetzt.
Lesen Sie in der OCTANE #46, warum bis heute viele glauben, der Montreal sei als Mittelmotorwagen konzipiert worden.