Viele Ferrari-Fans rümpfen bei den Luxuscoupés 456 und 612 Scaglietti die Nase: zu schwer, zu klobig und alles andere als sportlich. Doch auch wenn das Design des 456 allzu beliebig erscheint, ist der Ferrari 612 Scaglietti ein eleganter 2+2-Sitzer, der gerade auf langen Strecken im schnellen Galopp begeistert.
Nicht jedes Auto aus Maranello ist eine Ikone. Gerade in den 80er-und 90er-Jahren gab es so manchen Designfehlgriff bei der Scuderia. Das letzte Fahrzeug einer nicht immer leichten Ära ist der Ferrari 456. Klappscheinwerfer und üppig dimensionierte Lufthutzen waren zur Präsentation des Ferrari 456, dessen Bezeichnung traditionell an das Volumen eines Zylinders angelehnt ist, im Herbst 1992 schon von gestern. Zunächst war er nur mit Sechsgang-Handschaltung zu bekommen. Insbesondere wegen der Nachfrage auf dem Hauptmarkt USA wurde 1996 eine Version mit Getriebeautomatik nachgezogen, die das Leergewicht knapp an die 1,8-Tonnen-Marke brachte und das Temperament des V12 spürbar lähmte. Für Langstreckenkomfort sorgten technische Finessen wie elektronisch einstellbare Dämpfer und Niveauregulierung an der Hinterachse. Auch eine Modellpflege mit einem Leistungsnachschlag auf 325 kW/442 PS und 550 Nm maximalem Drehmoment machte den 2+2-Sitzer nicht erfolgreicher.
Das änderte sich mit dem 2004 vorgestellten 612 Scaglietti, der den technisch wie optisch in die Jahre gekommenen Ferrari 456 GTA ablöste. Der auf 5,8 Liter gewachsene V12-Saugmotor erhielt im 20 Zentimeter längeren 2+2-Sitzer einen deutlichen Leistungszuschlag auf 397 kW/540 PS. Trotz der deutlich größeren Abmessungen und dem entsprechenden Platzangebot stieg das Gewicht des Ferrari 612 Scaglietti im Vergleich zu seinem Vorgänger kaum an.
Der Ferrari 612 Scaglietti war Mitte der 2000er-Jahre das Maß der Dinge. Kaum ein anderes Coupé war schneller, keines eleganter und teurer – perfekt für lange Strecken im eiligsten Galopp. Dabei wollte Ferrari mit dem 612er seinem bekanntesten Karosseriebauer ein Denkmal setzen. Sergio Scagliettidrückte den Ferrari-Coupés seit den 50er-Jahren seinen persönlichen Stempel auf. Der Scaglietti bildet eine nahezu perfekte Symbiose – kann von allem etwas und das meiste besser als alle anderen. Ferrari, das ist gerade beim 612 Scaglietti bereits im Stand Leidenschaft pur. Die Motorhaube scheint keine Grenzen mehr zu kennen; zieht diese sich weit über den vorderen Radkasten in die Mitte des Italieners. Kein Gedanke mehr an die Klappscheinwerfer oder die übertriebenen Lufteinlässe seines Ahnen!
Text Stefan Grundhoff Fotos Stefan Grundhoff, Ferrari
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