Lamborghini LM002 bei voller Fahrt
Klassiker

Rambo Lambo

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AUS EINER STUDIE NAMENS CHEETAH ENTSTAND LAMBORGHINIS LM002 – EIN ECHTER HAMMER VON WAGEN. DER HUMMER UND ANDERE SUVS KAMEN VIEL SPÄTER. EINES IST KLAR: DEN LM002 KANN MAN NUR LIEBEN ODER HASSEN.

In der Lamborghini-Familie war der LM002 von Anfang an ein schwarzes Schaf. Sein Vorbote war ein Prototyp, den die amerikanische Firma Mobility Technology International (MTI) mit Lamborghini entwickelte und der für die US-Army als Allzweck-Fahrzeug gebaut werden sollte. Der anvisierte Jeep-Nachfolger hatte Allradantrieb, Rohrrahmen-Chassis, Glasfaserkarosserie und Heckmotor (5,9-Liter-V8 von Chrysler). Die Studie war noch nicht fertig, da wurde sie – als Cheetah – beim Genfer Automobilsalon 1977 vorgestellt. Der Cheetah signalisierte, dass für Lamborghini immer noch das Abwegigste gerade gut genug ist. Der superschnelle Geländewagen wurde von der Fachpresse kaum wahrgenommen – er sah ja auch aus wie von einem Wüstenplaneten.

Lamborghini Cheetah
Ein echter Hingucker und dennoch nicht beachtet: der Lamborghini Cheetah.

Für Otto-Normalverbraucher war der Cheetah ohnehin nicht vorgesehen. Dann fing der Ärger an. MTI hatte kein Geld, Lamborghini auch nicht – und der Cheetah benötigte noch viel Arbeit. Und Zeit. Verknappt: Geld, viel Geld. Gerade da kam in Sant’Agata eine gute Fee aus Bayern hereinspaziert. BMW beauftragte Lamborghini, den von Paul Bracq entworfenen M1 serienreif zu machen und dann herzustellen. Vier Prototypen, dann 400 Fahrzeuge. Alles schien sich zu fügen: Neben dem Countach sahen der Espada von 1968 (seit 1972 kaum modifi ziert) und der Urraco etwas faltig aus, für neue Typen fehlte das Geld.

Mit dem Auftrag von BMW, Bezahlung im Voraus für Teile und Werkzeug, gewährte endlich auch die italienische Regierung einen Kredit. Die Freude währte nicht lange. MTI zog beim Cheetah-Projekt den Stöpsel, als FMC Technologies eine Klage einreichte. FMC, milliardenschwerer Gemischtwarenladen für Öl- und Militär-Equipment aus Texas, hatte den Offroad-Prototyp XR311 entwickelt, dem der Cheetah extrem ähnelte. Motor und Getriebe des XR311 kamen ebenfalls von Chrysler. Schon die Entwürfe von MTI und FMC ähnelten dem später gebauten HMMWV (Original-Hummer) sehr.

Blick in den Motorraum des Lamborghini LM002
Der Leichtmetall-V12, Baujahr 1990, leistet 450 PS bei 6800 U/min.

Bei Lamborghini ging’s jetzt superschnell steil bergab. Man hatte nichts zu entwickeln als den unvollendeten Cheetah. Doch Todgeweihte leben länger: Ende 1978 liegt das Schicksal von Lamborghini in den Händen eines Insolvenzverwalters, und das erweist sich als echter Glücksfall. Denn der Buchhalter Dr. Alexandro Artese ist ein echter Auto-Enthusiast. Mit gutem Gespür lotst er den angesehenen Maserati-Ingenieur Giulio Alfieri zu Lamborghini. Eine kleine Gruppe von Ingenieuren werkelt wieder weiter am Cheetah-Projekt.

DAS UR-MODELL SELBST EXISTIERT NICHT MEHR: BEI EINEM TEST-UNFALL, HEISST ES, KAM ES ZUM TOTALSCHADEN: LAMBORGHINI BAUTE ALSO EIN NEUES FAHRZEUG, CODE-NAME: LM001.

Wie sich bei Tests zeigte, reagierte die Frontpartie des Wüstenrenners bei starker Beschleunigung äußerst nervös. Der LM001 war eben eine Weiterentwicklung des Cheetah, der in Amerika bei MTI das Laufen lernte. Bei Lamborghini begab man sich zurück ans Zeichenbrett. Im erst später als LM002 bekannten LMA wurde die macchina – jetzt ein Zwölfzylinder-V-Motor aus dem Countach – direkt hinter die Vorderachse gesetzt 1982 wurde der Prototyp des LM002 vorgestellt, 1986 wurde er gebaut. In den nächsten fünf Jahren wurden insgesamt 301 Stück produziert.

Wie das bei Military-Vehikeln so üblich ist, sieht auch der LM002 von außen riesig aus, doch drinnen ist es ein bisschen eng. Das liegt daran, dass ein Großteil des Innenraums von einem enormen Kardantunnel eingenommen wird. Er wirkt selbst nach heutigen Maßstäben außerordentlich monströs. Und er ist durstig: Auf hundert Kilometer schluckt der LM002 »so etwa zwischen 35 und 50 Liter«. Dank der hohen Sitzposition und der Servolenkung ist der LM002 an sich sehr leicht zu fahren.

So wie man es von einem Countach-V12 erwarten darf, ist die Leistung über jeden Zweifel erhaben, aber da der Motor hier im Prinzip einen Lkw mit Allradantrieb bewegen muss, ist die Beschleunigung lediglich beeindruckend – und nicht wirklich auf Supercar-Niveau. Und natürlich bremst die schwergängige Schaltung den Fahrer ebenfalls. Doch Geschwindigkeit ist nur eine Waffe im Arsenal des Rambo Lambo. Er fühlt sich unaufhaltsam an (und wirkt auch so) – selbst ohne die Standard-Winde, die normalerweise an der Front montiert ist. Die Sicht nach draußen, über zwei Hutzen – für den V12 nötig – verleiht einem ein Gefühl von Macht.

Das Röhren aus den Doppel-Auspuffrohren (angefertigt von Modena) klingt unschlagbar. Der Sound des LM002 ist nicht annähernd so aristokratisch, so symphonisch verfeinert wie der des Countach. Trotzdem hat das mechanische Grollen diesen Macho-Ton, der Passanten und Umstehende knapp darüber aufklärt, was hier gleich vorbeirollt. Eine Zeit lang hat ein Reifen 2.600 Euro gekostet, jetzt kriegt man neugefertigte Pneus für 700 Euro. Während wir darüber fachsimpeln, wie ökonomisch oder vorteilhaft es ist, einen LM002 zu besitzen – »früher für 30.000 bis 40.000 Euro, jetzt muss man 120.000 oder mehr hinlegen« – stehen wir immer noch an der Tankstelle. Die Tankuhr läuft weiter und weiter und weiter. Dann ist es aber irgendwann gut. Schon als er auf die Welt kam, war der LM002 ein Dinosaurier, der so gar nicht im Einklang mit dem ausgehenden 20. Jahrhundert stand. Die Zeit, in der er sich so bewegen darf oder kann, läuft ab. Der LM002 und seinesgleichen werden gejagt von Männern, die als Waffen keine Speere tragen, sondern CO2-Messgeräte. Noch erleben wir also eine wirklich besondere Ära des Öl-Zeitalters – bevor eben die letzten Saurier ausgestorben sind.

Text Mark Dixon  // Fotos Tim Andrew


OCTANE#06

 

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