Robert Coucher nimmt den Col de Turini in Angriff – Nachhilfestunden gibt ihm der Rallye-Grandseigneur Rauno Aaltonen. Natürlich stilecht in einem Mini Cooper S von 1965.
…aber auch als eine der aufregendsten. Obschon sein Name italienisch anmutet, befindet sich der sagenumwobene Gebirgspass in den Seealpen, im malerischen Süden Frankreichs. Die extremen Wetterverhältnisse können die 24,14 km lange Strecke mit einer Passhöhe von 1607 Metern und 34 Haarnadel-kurven zu einer echten Herausforderung für jedes Team werden lassen – die ideale Rallye-Etappe schlechthin!
Der Turini gilt als die berühmteste Etappe der Welt, weil er Teil der vielleicht bekanntesten Rallye der Welt ist, der Rallye Monte Carlo. Die erste Veranstaltung fand 1911 auf Betreiben von Fürst Albert I. von Monaco statt. Sie führte nicht nur die Vorzüge des neumodischen Wunderwerks Automobil aufs Eindrucksvollste vor, sondern stellte zudem eine willkommene Erwerbsquelle für das Fürstentum dar. Ursprünglich starteten die Teilnehmer über ganz Europa verteilt und versammelten sich – daher »rally« (versammeln) – nach ihrer Sternfahrt von Genf, Paris, Berlin, Wien, Brüssel und Boulogne-sur-Mer im Umland von Monaco.
Mit Donald Healey und Lewis Pearce in einem Invicta waren 1931 die ersten britischen Teams erfolgreich. 1952 belegten Sydney Allard und Guy Warburton in einem Allard P1 den ersten Platz. Wenn man Briten fragt, woran sie beim Stichwort Rallye Monte Carlo denken, antworten die meisten prompt: »Mini Cooper S!« Die perfekte Verkörperung des David-gegen-Goliath-Prinzips: Denn der Mini eroberte in den Jahren ’64 (Paddy Hopkirk/Henry Liddon), ’65 (Timo Mäkinen/Paul Easter) und ’67 (Rauno Aaltonen/Henry Liddon) die Rallye.
1966 hätte Mini ebenfalls gewinnen müssen. Die führenden Fahrzeuge – mit Mäkinen, Aaltonen und Hopkirk prominent besetzt – wurden jedoch alle disqualifiziert: Sie hatten nicht abblendbare, mit einem einzelnen Glühdraht ausgestattete Quarzlampen in ihre Scheinwerfer montiert – anstelle der regelkonformen abblendbaren Standardversion mit herkömmlichem Glas und Doppelwendel. Wer hat an Stelle der Minis gewonnen? Irgendein Typ in einem Citroën ID. Selbst französischen Rallye-Enthusiasten war das peinlich – die Verkaufszahlen des Mini schossen in Frankreich ’66 jedenfalls in die Höhe.
Die »Rallye Monte-Carlo Historique« wird wie die moderne Rallye immer noch vom Automobile Club de Monaco organisiert, ist aber als ein Gleichmäßigkeitslauf mit Wertungsprüfungen konzipiert und startet immer noch an vier verschiedenen Punkten Europas.
Um den 50. Jahrestag des 67er Mini-Cooper-S Triumphs gebührend zu feiern, werden wir zusammen mit dem damaligen Sieger, dem finnischen »Rallyeprofessor« Rauno Aaltonen und seinem heutigen Copiloten Hans Sylvan die Rallye in Angriff nehmen. Aaltonen, gerade 79 geworden, ist der »Fliegende Finne«, Gewinner der Rallye-Europa- meisterschaft 1965, der Finnischen Meisterschaften ’61 und ’65, der ’65er RAC-Rallye und sechsfacher Zweitplatzierter bei der anspruchsvollen Safari Rallye.
Sein erster Einsatz 1961 im Mini geriet zu einem Fiasko, als er sich, an zweiter Stelle liegend und nur drei Kilometer vor dem Ziel, mit dem Wagen überschlug. Sein Copilot Geoff Mabbs und er überlebten den Unfall fast ohne Blessuren, sodass Aaltonen als Werksfahrer bereits ’63 einen respektablen dritten Platz belegen konnte.
Nach seiner Disqualifizierung von einem potenziellen zweiten Platz ’66 brannte Aaltonen ’67 förmlich darauf, diese Scharte auszuwetzen. Sein Copilot Henry Liddon und er hatten sich bald an vorderster Front des BMC-Teams positioniert. Noch lag das Finale vor ihnen, die berüchtigte »Nacht der langen Messer« mit dem Col de Turini. Im dichten Schneegestöber fuhren sie in die Dunkelheit hinein. Die Bezeichnung »Nacht der langen Messer« erhielt dieses Prädikat, weil die Fahrer auf dem Turini ein regelrechtes Sperrfeuer zuckender Kamerablitzlichter passieren mussten, bevor sie zurück in die Finsternis schossen. Kein Wunder, dass die Wettbewerbsabteilung von BMC 1966 hellere Birnen in die Scheinwerfer montierte.
Bei der Monte ’67, auf dem ersten Zehntel der Col de Turini-Prüfung, machte Aaltonen allerdings einen seiner seltenen Fehler und kam von der Straße ab. Dabei stürzten sie fast in den Abgrund. Doch Sekundenbruchteile später hüpfte der Mini wie durch ein Wunder zurück auf die Strecke. Sie rasten weiter und damit in die Annalen des Rallyesports. Diesen Ehrenplatz verdankt der Mini vor allem der enormen Geschwindigkeit auf dem Turini. Wie haben Aaltonen/Liddon das hinbekommen? Waren sie wagemutiger als andere? Die Antwort ist verblüffend. Er hat praktisch nichts mit draufgängerischem Fahren, aber viel mit wissenschaftlicher Expertise zu tun.
Text John Simister // Fotos Jamie Lipman (Studio), Martyn Goddard (Le Mans) Porsche Museum // Übersetzung Thomas Imhof