Aus den Trümmern der Auto Union entstanden 1952 in der DDR zwei Rennwagen vom Typ Awtowelo Typ 650 »Sokol« (Falke) – im Auftrag von Stalins Sohn Wassilij.
Tragisch ist die Geschichte der Auto Union-Silberpfeile nach 1945: Was im Krieg nicht zerstört wird, konfisziert die sowjetische Besatzungsmacht: Von 18 C- und D-Typen schreibt Peter Vann im Buch »Neusilber«. Einer wird gleich 1946 bei einem Rekordversuch in der UdSSR zerstört, dann verlieren sich die Silberpfeile als Wandertrophäen in Stalins Riesenreich. Vier werden noch in den 1970er-Jahren in Moskau gesichtet, ein demolierter Bergrennwagen landet in Riga, dann gibt es nur noch Gerüchte.
Darum ist es fast eine Sensation, als die DDR Ende der 1970er-Jahre einen vermeintlichen Silberpfeil als Auto Union Typ E verkauft. Doch es gibt erhebliche Zweifel an dem Renner, der nur in Teilen seine Verwandtschaft mit den erfolgreichen Brüdern der Vorkriegszeit teilt. Als der Wagen 2012 nach Deutschland verkauft wird, lüftet der Historiker Peter Kirchberg endgültig das Geheimnis: Es ist ein Awtowelo Typ 650 aus den 1950er-Jahren. Kein echter Silberpfeil, doch seine Geschichte ist trotzdem mit der Auto Union verbunden. Kriegsbedingt muss man in Chemnitz wie bei Mercedes-Benz die Fahrzeugentwicklung ab 1939 einstellen. Aber der Chef der Auto Union-Rennabteilung Robert von Eberan-Eberhorst will nicht den Anschluss an die Stuttgarter Rivalen verlieren. Daher werden die Versuche zur Entwicklung eines neuen V12 1,5-Liter-Rennwagenmotors fortgeführt. Jener Leistungsklasse, in der Mercedes 1939 beim Großen Preis von Tripolis mit dem W 165 triumphierte.
Bis zur Schließung der Rennabteilung im Jahr 1941 arbeiten im Zwickauer Quartier 20 Mitarbeiter am kleinen Rennwagen. Dann landen Baugruppen, Einzelteile und Zeichnungen in einem Depot in der August-Horch-Straße, wo schon Rennwagen der Typen C und D aufbewahrt werden. 1944 wird das Lager bei einem Brand großenteils zerstört. Das schürt Gerüchte, es sei ein Prototyp, ein kleiner Typ E entstanden. Ein Modell gab es zwar nie, doch die abgebrochenen Versuche bilden die Grundlage für den späteren Typ 650: Zwei-Wellen-Getriebe, kürzerer Radstand, Getriebe vor der Hinterachse und Einspritzung sind die Errungenschaften, an die Chemnitzer Konstrukteure nach dem Krieg wieder anknüpfen.
Nach dem zweiten Weltkrieg müssen deutsche Wirtschaftsbetriebe die Reparationsansprüche der Alliierten befriedigen. Mehr als 2000 Betriebe fallen von 1945 bis 1948 der sogenannten Demontage in der sowjetisch besetzten Zone zum Opfer. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) verstaatlicht große Industriebetriebe wie das BMW-Werk in Eisenach und liquidiert die Auto Union AG: 1948 wird sie aus dem Handelsregister gelöscht. Das Automobiltechnische Büro in Chemnitz, ehemals Standort der Zentralen Versuchsabteilung der Auto Union, integriert man auf dem Papier 1949 als Entwicklungswerk ins Eisenacher Werk, das seit 1946 der Sowjetischen Aktiengesellschaft Awtowelo gehört.
Als Wiedergutmachung werden allerdings nicht nur Industrieanlagen übernommen, sondern auch Reparationsaufträge vergeben. Am 4. August 1949 geht von der SMAD der Auftrag für die Entwicklung eines Rennwagens mit 2-Liter-Saugmotor im Chemnitzer Büro ein. Trotz des in der UdSSR geltenden Verbots der Verwendung ausländischer Rennwagen im sowjetischen Motorsport will sich Stalins Sohn Wassilij, Generalleutnant im Moskauer Militärbezirk und Befehlshaber der dortigen Luftstreitkräfte, einen Rennwagen-Traum erfüllen. Schließlich sollen die russischen Grand-Prix-Boliden unter sowjetischer Führung in Deutschland gebaut werden.
Unter der Bezeichnung Awtowelo Typ 650 entwickelt Walter Träger, ehemaliger Konstrukteur der Auto Union-Rennsportabteilung, einen kleinen Zwölfzylinder. Weitere Baugruppen werden ebenfalls von ehemaligen Mitarbeitern der Auto Union gefertigt. Der erste Entwurf der Karosserie stammt wahrscheinlich aus der Feder Georg Hufnagels, der schon in den 1930er-Jahren bei der Entwicklung der Renn- wagenkarosserien mitwirkte. 1950 wird der Moskauer Auftrag konkreter: Man bestellt zwei Rennwagen plus einen Ersatzmotor.
Text Renate Freiling // Fotos W. Beyer, J. Conrad, S. Gerstenburg, M. Kaluza, P. Kirchberg, R. Simons, M. Stück
Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #31
Diese Story finden Sie in OCTANE Ausgabe 31