Ginge es in einem Jaguar-Quartettspiel um die Länge eines Autos, dann wäre der Jaguar Mk 10 ein sicherer Stich. Denn mit 5,13 Metern ist er genauso lang wie der heutige XJ, übertrifft diesen aber sowohl in der Breite als auch im Radstand um vier beziehungsweise zwei Zentimeter. Es bedarf schon der Langversion, um diesen Leviathan der 60er-Jahre zu übertreffen.
Alle, die den Jaguar Mk 10 1961 auf der London Motor Show oder später auf der Straße sahen, empfanden ihn als gigantisch. Immerhin war er breiter als ein Rolls-Royce Silver Cloud und okkupierte genauso viel Straße wie ein Kleinbus. Zugleich erschien er mit seinem für Jaguar typischen Vieraugen-Gesicht mutig, optimistisch und absolut zeitgemäß. Auf mich, damals sieben, und meine autoverrückten Freunde machte der Mk 10 ebenfalls mächtig Eindruck.
Als Folge gierten wir nach den Modellautos, die schon kurz nach der Showpremiere auf den Markt kamen. Corgi machte den Anfang, mit einem im Corgi-Modellclub-Magazine angekündigten metallic-blauen Mk 10. An diesem Modell ließ sich erstmals nicht nur die Motorhaube, sondern auch die Kofferraumklappe öffnen. Als Zugabe gab es noch einen aufklappbaren Koffer und eine kleinere Aktentasche – natürlich auch im Miniaturformat.
Dinky folgte mit einem in einem ähnlichen Blauton lackierten Modell, doch ließ sich hier nur der Kofferraum öffnen. Dafür wirkte das Gepäck realistischer: eine große Truhe und zwei Sporttaschen. Tri Ang aus Belfast schließlich kam mit einem bronzenen Jaguar Mk 10; das erste Modell der Marke mit solide ausgeführten Fugen. Auch hier enthielt der Kofferraum Gepäckstücke, allerdings eher billig wirkende weiße Koffer. Ich habe noch alle drei Miniatur-Mk10, wenngleich längst nicht mehr makellos und ohne Verpackung. Ich erzähle Ihnen all das, weil diese Modellautos entscheidend zu unserer Verehrung des Modells beitrugen. Die Corgi-Interpretation brachte die Essenz des Mk10 am besten rüber.
Zu den stärksten Designelementen des Jaguar Mk 10 zählten die stark nach vorne geneigte »Nase« mit dem im Vergleich zum Vorgänger geschrumpften Grill, die leichte Panorama-Form der Front- und Heckscheibe und die unterschiedlichen Radhausausschnitte: vorn hoch angesetzt, doch hinten so tief, dass das Hinterrad teils verdeckt wurde. Doch die Modellautos bilden alle Türfugen senkrecht ab. In Wahrheit trifft das nur auf die vordere zu. Die mittlere ist leicht nach vorn geneigt, die hintere stärker. Zusammen mit der nach vorn drängenden »Nase« und den ebenfalls Vorwärtsdrang suggerierenden Rückleuchten am sich verjüngenden Heck – die wieder- um die konvexe Gürtellinie abschließen – entsteht der Eindruck eines Jaguars auf dem Sprung.
Unser Fotoauto rollte als einer der ersten Jaguar Mk 10 vom Band im Werk Browns Lane. Und ging an keinen Geringeren als Firmengründer Sir William Lyons, der 7868RW zu seinem Dienstwagen erkor. Seine Garage befand sich im hochherrschaftlichen Lyons-Anwesen Wappenbury Hall nahe Leamington Spa, wohin der Jaguar für diese Story zurückkehrte.
Text John Simister // Fotos Amy Shore#33