Text Jörn-M. Müller-Neuhaus // Fotos Christian Wimmer
Viele Klassiker werden pro Saison nur relativ wenig bewegt. Das führt dazu, dass sie auf Reifen stehen, die noch fast neuwertiges Profil, aber viele Jahre auf dem Buckel haben. OCTANE wollte wissen, wie sich das auf die Fahrsicherheit auswirkt und bat Jochen Mass zum Test.
Statistisch gesehen beträgt die Laufleistung eines klassischen Automobils in Deutschland durchschnittlich etwa 3.000 Kilometer. Ein Satz Reifen hält, wenn man nicht gerade Rennen fährt, mindestens 30.000 Kilometer, meist mehr, kann am Klassiker also nach zehn Jahren oder mehr immer noch tipptopp aussehen. Am Stammtisch kommt dann schon mal die Diskussion auf, ob man mit solchen Altertümern überhaupt noch sicher unterwegs sein kann. Zunächst einmal: Es gibt in Deutschland kein Gesetz und keine Vorschrift, wie alt Autoreifen sein dürfen. Sie könnten also theoretisch mit 20 Jahre alten Diagonalreifen zur HU vorfahren; solange das Profil die Mindesttiefe von 1,6 Millimetern nicht unterschreitet und die Seitenwände der Reifen keine Beschädigungen aufweisen.
Wer es gut meint mit der eigenen Sicherheit und der anderer Verkehrsteilnehmer, sollte seine Pneus nach Expertenmeinung bereits früher wechseln. ADAC, HU-Prüforganisationen und Experten empfehlen, Reifen unabhängig von der noch vorhandenen Profiltiefe ab einem Alter von sechs Jahren, spätestens jedoch nach zehn Jahren zu ersetzen. Der Grund: Die Gummimischung des Reifens altert im Laufe der Jahre; das Profil wird hart und spröde, was die Bremswege verlängert und die Haftung auch in Kurven spürbar verringert. Das gilt auch, wenn das Gummi noch weit von der Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern entfernt ist.
OCTANE wollte erfahren, was an diesen Aussagen dran ist und bat Jochen Mass, uns dabei mit seiner Jahrzehntelangen Erfahrung als Rennfahrer zu unterstützen. Der Plan: wir fahren mit drei unterschiedlichen Klassikern auf ein Testgelände, führen Brems- und Kurvenfahrten mit alten und neuen Reifen durch und vergleichen dann die Ergebnisse. Dabei interessierte uns auch, ob und wie sich das Fahrverhalten mit unterschiedlichen Luftdrücken verändert.
Tatkräftig unterstützt wurden wir bei unserem Vorhaben vom Reifenhersteller Vredestein, der uns gemeinsam mit dem Reifenspezialisten Münchner Oldtimerreifen MOR die nötigen Vredestein SprintClassic Pneus in verschiedenen Größen zur Verfügung stellte. Unser Testwagen-Trio bestand aus einem Mercedes-Benz zur Verfügung gestellten 280SL „Pagode“, einem wunderschönen BMW 02 Cabrio, das Valentin Schaal, dem Inhaber von MOR gehört sowie einem Triumph TR4 aus der Garage von Pascal Kapp, Inhaber des Pascal Kapp Rallyeteam.
Zehn Jahre ist kein Alter – oder doch?
Bei strahlendem Sonnenschein fuhr Jochen Mass mit der Pagode zunächst einige flotte Runden, um die montierten, etwa sechs Jahre alten Reifen mit 80 Prozent Profil in der Originalgröße 185HR14 auf Betriebstemperatur zu bringen. Danach ging es an den Startpunkt für die Bremstests. Von dort beschleunigte Jochen Mass den Wagen auf ca. 60 km/h, um am ersten der aufgestellten Pilone eine Vollbremsung – möglichst ohne blockierende Reifen! – hinzulegen. Knapp zwei Pilone weiter – die in Zehnmeter-Abständen aufgebaut waren – kam die Pagode zum Stillstand. Ein guter Wert, der sich auch im Vergleich mit modernen Fahrzeugen sehen lassen kann. Auf nasser Fahrbahn verlängerte der Bremsweg sich erwartungsgemäß um knapp 40 Prozent auf etwa 25 Meter.
Um wieviel besser sind jetzt neue Oldtimerreifen?
Lesen Sie die ganze Geschichte in OCTANE #37