MODELLE IN DIE LUFT SPRENGEN WAR GESTERN – FERRARI ALS LEINWAND IST HEUTE. DER KÜNSTLER FABIAN OEFNER KANN SCHEINBAR VIEL – NUR NICHT NULACHTFUFFZEHN.
Dem Paradoxon von Schall und Speed gegenüber Stillleben, absoluter Stille: damit hat sich der Schweizer Künstler Fabian Oefner schon öfters beschäftigt. Vor ein paar Jahren wartete Oefner mit Fotos auf, die seltsam entrückt aber zutiefst berührend waren. Zu sehen waren darauf – wie Videoaufnahmen zeigen, jede wie ein Protokoll des Happenings – Sandkörner, die von einer Lautsprechermembran in die Höhe gejagt wurden, wo sie unterschiedliche Blüten treiben, je nachdem, ob aus dem Lautsprecher gerade Klassik ertönt, Main-stream-Pop oder Motorenlärm mit 7500 U/min.
Dann hat Oefner Modellautos nicht nur zusammengeklebt, sondern vorher in Hunderte noch kleinere Einzelteile zersägt. Wieder ein riesiger Aufwand, echte Fleißarbeit. Das hat er dann mit Spezialequipment abfotografiert, die explosiven Aufnahmen wiederum mit Photoshop zu einer Komposition arrangiert (siehe OCTANE Ausgabe 9).
Das neueste Projekt ließ sich nicht mehr im Atelier realisieren. Auch stand für die Aufnahmen weniger Zeit zur Verfügung. Dafür sieht man auf Anhieb, was passiert ist – und wieder gibt die Film-Dokumentation dem Ganzen das i-Tüfelchen obenauf. Nachdem er mit einem Föhn und Modellen ein wenig geübt hatte, begab sich Oefner nach Maranello. In den Windkanal von Ferrari. Als Leinwand sollte ihm ein nagelneuer Ferrari California T dienen.
NACHDEM ER MIT FÖHN UND MODELLEN GEÜBT HATTE, GING ES NACH MARANELLO – IN DEN WINDKANAL VON FERRARI
Weiche Linien, große Stirnäche, brachiale Maschine. Als Auftragsarbeit für Ferrari nahm er dann sein Werkzeug – statt Pinsel und Ölfarben speziell angefertigte Hilfsmittel und UV-Farben. Die fluoreszierenden Farben, vergleichbar mit einem weißen T-Shirt im Schwarzlicht eines Clubs, leuchten im Dunkeln und erzielen so einen kontraststärkeren, grelleren Effekt.
Als das Gebläse des Windkanals bei 240 km/h war, das Auto ganz still – wie das im Windkanal so ist und wir es uns immer ausgemalt haben – begann Oefner mit der Arbeit. Wieder wurde alles – in mehreren Schritten drei Tage lang – gefilmt. Erneut ergänzt das Makingof das Werk, ohne es zu ersetzen. »Als ich den California T aus der Nähe gesehen habe«, so Oefner, »hat mich sofort sein Design beeindruckt. Die Form ist so majestätisch. Man will ihn fahren, um zu erfahren, wie diese Kombination aus Balance und Leistung funktioniert.«
Die Beschleunigung des California T, wie er sich in den Fahrtwind schneidet, gab dann den Anstoß. Wie die Maschine sinnlich erlebbar ist, das sollte das Kunstwerk einfangen. Auch wenn es gut klingt, hat Oefner mit den UV-Farben aber nicht einfach – »einfach?« Pollock-Style! – gekleckert. Mit einem extra angefertigten System aus Röhren, in Kombination mit dem 240-km/h-Ventilator, hatte er ein kontrollierbares Umfeld für sein Wirken. War Kunst einst von Natur inspiriert, so war hier Ferrari die Muse, die Natur des Zufalls führte den Pinsel.